Da meint man doch tatsächlich, mich darauf aufmerksam machen zu müssen, dass es Menschen gibt, die demnächst an sieben Tagen auf sieben Kontinenten sieben Marathons laufen wollen, worauf ich mir sofort die Frage stelle: Warum eigentlich nicht acht Marathons an acht Tagen auf acht Kontinenten? Oder noch besser: Neun Marathons an neun Tagen auf neun Kontinenten? Und warum eigentlich nicht 20 Marathons an 20 Tagen auf 20 Kontinenten und dazu möglichst noch je drei Doppelmarathons auf dem Mond?
Ähnlich ergeht es mir mit Berichten aus der Welt des Bergsteigens. Das heisst, aus einer Welt, die mich einst tatsächlich zu interessieren und zu faszinieren vermochte. Wenn ich aber mittlerweile höre, wie jemand innert kürzester Zeit sieben Viertausender besteigen will, frage ich mich sofort, warum nur sieben? Wenn es doch ums Zählen geht, dann kann man sich auch 20 oder 50 Viertausender vorstellen. Warum also nur sieben?
Und wenn es aus irgend einem Grund besser ist, in zwei bis drei Stunden die Eigernordwand hinaufzuseckeln, anstatt in einem ganzen Tag oder gar in jenen vier Tagen, welche die Schlafmützen von Erstbesteigern benötigt haben sollen, dann soll mir jemand erklären, warum es nicht noch viel besser wäre, die Eigernordwand in weniger als einer Stunde hinter sich zu bringen? Oder noch besser: So schnell, dass man die Bergsteiger gar nicht mehr sehen kann, damit die Welt nicht mehr zuschauen muss, wie sich die armen Extremisten abrackern, als wären sie Sklaven in einer Tretmühle oder Hamster in einem Hamsterrad und nicht freie, vernunftbegabte Menschen.
Was hat das mit Dieter Seibt zu tun?
Der zwar in Lausanne wohnhafte, der Stadt Bern aber seit Jahren verbundene Maler, Zeichner und Musiker ist ein Statthalter jener Form von Empfindsamkeit, die sich im Leerlauf einer hirnrissigen Eventkultur in der Kunst eine Insel der Menschlichkeit und der Ruhe zu bewahren sucht. Widerständig, aber auch der Schönheit, dem Glück des gelungenen kleinen Moments verpflichtet. Bescheiden, aber gewissenhaft ehrlich auf der Suche nach Auswegen, auch wenn dieser Ausweg nur eine kleine Lichtvision in Form eines kleinen Fensters ist, wie hier in diesem Aquarell auf Japanpapier im stolzen Eigenbesitz.
Wo der Zeitgeist mit dem Vorschlaghammer des so fantasielosen Noch eins drauf und noch eins drauf daherkommt, kann man sich an Dieter Seibts feinen Strichen und seinem Gefühl für die Anmut und für das Gleichgewicht der Farben laben.