Weiter geht es mit Anselm Kiefer

von Beat Sterchi 11. August 2021

Ach, schönes Katalonien!

Von dieser Region Spaniens war hier schon öfter die Rede. Das Dorf, in dem ich mich befinde, gehört zwar zu Valencia, aber die Grenze ist nah und im Ferienmonat August fehlt es nicht an Sommergästen aus den Vorstädten von Barcelona. Barcelona selbst muss weiterhin gespenstisch leer sein, denn die vorpandemischen Millionen von Touristen bleiben weiterhin weg. Nicht mal die Souvenirläden bei Gaudis Sagrada Familia seien geöffnet. Wenn man sich das vorstellt! Im lauten Barcelona alles still und ruhig, die Strassen leer und ein grosser Teil des Gastgewerbes in Konkurs.

Auch um die Unabhängigkeitsbewegung scheint es ruhiger geworden zu sein und es würde mich sehr wundern, wenn sich der Abgang von Messi nicht als weiteres Zeichen des Anfangs vom Ende der Illusionen entpuppte. Was so vielen Aussenstehenden an der katalanischen Politik der letzten Jahre missfiel, waren ja nicht die zum Teil gerechtfertigten Forderungen, sondern der von populistischen Politikern angestachelte Suprematismus. Spanier wurden als zurückgeblieben verlacht, das Land selbst als Diktatur bezeichnet. Den in diesem «vertrottelten» Spanien erfolgsverwöhnten Katalanen wurde von der Politik ein Selbstverständnis und ein Selbstbewusstsein vermittelt, das sich mit der Realität nur beschränkt zu decken vermochte, aber trotzdem zu dem unilateralen Handeln und mit den bekannten Folgen, in die Illegalität führte. Ausser Spesen nichts gewesen.

Dass sich dieser politische Nachtflug zeitlich mit der glorreichsten Phase des FC Barcelona deckte, kann nicht ohne Bedeutung sein. In einem weiteren, für Spanien entscheidenden Bereich, zelebrierte und feierte Katalonien seine fussballerische Überlegenheit, als hätte man sich damit etwas kaufen können.Wie sehr der Club, der von sich selber sagt, er sei mehr als ein Club, dabei von Messi abhängig war, wird sich zeigen, sicher ist, dass für den Superstar die Kasse nicht mehr reicht und dass er, und nicht etwa der Startrainer Guardiola über 600 Kisten machte.

Inzwischen ist Katalonien auch als Wirtschaftsmotor hinter Madrid zurückgefallen  und auf einer Fahrt vor ein paar Tagen durch die zauberhaft schöne Gegend von Terra Alta  im südwestlichen Teil Kataloniens ist mir im Nachhinein plötzlich bewusst geworden, dass ich keine der sonst überall so gut sichtbaren Fähnchen und Flaggen der «independistas» gesehen habe oder wenigstens sind mir keine solchen aufgefallen. Nicht entgangen ist mir dagegen, dass man hier keine weiteren Windmühlen will und auch, dass die  Olivenhaine und Rebberge einen sehr gepflegten Eindruck machten.

Und was hat Anselm Kiefer damit zu tun?

Ebenfalls in Katalonien gibt es, so traurig wie das ist, offenbar noch immer Leute, die brennende Zigarettenstummel aus dem Wagenfenster ins ausgedörrte Gebüsch am Strassenrand schmeissen. Eine solche Kippe soll auch den fürchterlichen Brand bei Cap de Creus, in der Nähe der französischen Grenze ausgelöst haben. Besonders im Vergleich zu andern Ländern am Mittelmeer leidet Spanien in diesem Sommer aber weniger als auch schon an unkontrollierbaren Waldbränden. Nichtsdestotrotz, sind die Bilder, die einen von solchen erreichen, immer schmerzhaft anzusehen und erinnern einen unweigerlich an Anselm Kiefer. Steht man vor Kiefers grossen Bildern, reingesogen in die Tiefe dieser verwüsteten Gesichter unserer Erde, erfüllt von dem Verlangen, etwas zu tun, ohne genau zu wissen was und wie, erahnt man wie unheimlich die Möglichkeiten der Kunst sein können. Was ist Kunst, wenn nicht das, was Kiefer malt?

Ein solches Bild ist auch Montsalvat, das im Museum für Gegenwartskunst in Barcelona zu sehen ist. ( MACBA )

Bekanntlich bezieht sich Kiefer gerne auf vergangene Katastrophen und bereits erlittene Gräuel, bleibt zu hoffen, dass sich seine monumentalen Werke nicht auch als zukunftsträchtig erweisen.