Vor ein paar Tagen habe ich nach Wochen wieder einmal die Tagesschau des spanischen Fernsehens eingeschaltet. Die ging los wie die Feuerwehr und schon nach ein paar Minuten war ich froh, dass ich nicht Spanier bin. Vielleicht ist das überhaupt einer der grossen Vorteile, die man geniesst, wenn man in einem anderen Land lebt. Man schaut zu, versucht zu verstehen, ist oft auch von Entscheidungen der Regierung betroffen, aber so nahe wie zuhause geht es einem doch nicht. Man kann sympathisieren oder in Gedanken opponieren, aber zuständig oder sogar mitverantwortlich fühlt man sich nie.
Schon nach ein paar Minuten war ich froh, dass ich nicht Spanier bin.
So berühren mich die heftigen diplomatischen Krisen, die Spanien gerade durchrütteln, nur sehr beschränkt. Für die Spanier und die Spanierinnen aber sind Länder wie Argentinien, Venezuela und Mexiko sogenannte Bruderländer, es sind Länder mit welchen man eine lange und schwierige Geschichte, dazu auch die Sprache und wesentliche Aspekte der Kultur teilt. Es sind auch Länder, mit denen intensiv Handel getrieben wird und es sind Länder, in welchen oft Verwandte und Freunde leben. Entsprechend ist Lateinamerika sehr präsent und auch mindestens so nah wie ein Nachbarland.
Natürlich haben der argentinische Präsident und Pedro Sanchez das Heu nicht auf der gleichen Bühne, wie könnten sie auch, und natürlich ist, seit sich der mutmassliche Gewinner der Wahlen in Venezuela in Spanien in Sicherheit brachte, auch da das Feuer im Dach. Aber jetzt noch Mexiko. Weil Claudia Sheinbaum, die neue Präsidentin, auf einer Forderung ihres Vorgängers beharrt, rotiert die spanische Diplomatie definitiv im roten Bereich. Nichts weniger als eine Entschuldigung für die während der Kolonisation begangenen Gräueltaten der spanischen Eroberer hatte Mexiko eingefordert und weil diese niemand liefern wollte, wurde jetzt der König nicht zur Feier der neuen Präsidentschaft eingeladen.
Wie zu erwarten war, finden das die einen richtig, andere gar nicht, aber da ist sie nun wieder, wunderbar neu entfacht lodert die ewige Diskussion: Wieviel Schuld hat sich das Spanische Kolonialreich in «Las Americas» aufgeladen? Und wie schuldig sollen sich die Spanier und die Spanierinnen von heute fühlen? Sicher, in der Schweiz hat man aus jener Zeit auch noch mehr als genug zu kauen und zu verdauen und doch geht es um andere Dimensionen.
Viel Fantasie braucht es nicht, um sich vorstellen zu können, wie das wäre, wenn die Boote aus Afrika auf den kanarischen Inseln, sondern beispielsweise die Petersinsel im Bielersee anpeilten.
Auch was die Gegenwart betrifft, fühle ich mich doch lieber mitverantwortlich für die Asylpolitik und für den Umgang mit Migranten und Migrantinnen in der Schweiz, als für die diesbezügliche Politik Spaniens. Von entscheidender Bedeutung ist hier sicher die Tatsache, dass die Schweiz ein Binnenland ist. Nur deshalb gibt es relativ wenig Tote an unseren Grenzen, aber viel Fantasie braucht es nicht, um sich vorstellen zu können, wie das wäre, wenn die Boote aus Afrika nicht «El hierro» auf den kanarischen Inseln, sondern beispielsweise die Petersinsel im Bielersee anpeilten. Auch da bin ich froh, dass ich nicht Spanier bin, denn die ungezählten Tragödien, die vielen ungelösten Probleme gehen mir auch so schon schmerzhaft nahe.
Und ja, das Wasser.
Weil ich an dieser Stelle wiederholt über die gnadenlose Dürre des vergangenen Sommers berichtet habe, auch noch dies: Endlich hat es geregnet. Nicht genug zwar, aber es war wunderbar, zu sehen, wie am Wegrand plötzlich überall gelbe und orange Blumen blühten, als wollten sie den Frühling nachholen. In meinem Gemüsegarten kamen total verspätet noch Gladiolen zum Vorschein und Tomaten, Bohnen und besonders die Peperoni, legten einen Wachstumsschub an den Tag, dass ich staunte.
Ganz besonders schön aber ist es, das Wasser wieder rauschen zu hören.
Wasser ist eben doch das Wertvollste, was es gibt. Das habe ich in diesem Sommer gelernt. Das wissen offensichtlich auch die Vögel, von denen ich mehr als einen in einer Pfütze rumschwadern sah.
Ganz besonders schön aber ist es, das Wasser wieder rauschen zu hören. Zum Beispiel am Dorfbrunnen, wo man vor noch nicht so langer Zeit die Krüge füllte und die Tiere tränkte und der während Monaten völlig stumm und trocken war.