Städte und Dichter

von Balts Nill 8. Dezember 2014

Balts Nill, Mitbegründer von Stiller Has, spielt mit Instrumenten und Worten. Fürs Klangjournal von Journal B stellt er kleine Karaoke-Vorlagen her, zu denen man am besten kurze Extrakte aus Zeitungen, Büchern etc. liest (oder singt oder pfeift).

z.B. die folgenden:

„Eine richtige Stadt hat eine gewisse Dichte und ein gemischtes Angebot. So wie das London, das Edgar Allan Poe beschrieb. Eine Stadt ist etwas Elektrisierendes. Aber Städte sind nie von einem Tag auf den anderen entstanden. Vielleicht ist ja das, was wir heute als Suburbia wahrnehmen, eine einfache Vorstufe von etwas, das in zwei-dreihundert Jahren etwas Grosses ist. (…)

Ich glaube, und damit bin ich nicht allein, dass in Vorstädten Qualitäten liegen, die wir heute noch nicht erkennen. Ed Ruscha hat in den fünfziger Jahren wild wuchernde Tankstellen von Los Angeles fotografiert. Das ist für mich ein Paradebeispiel dafür, dass die Qualität einer Vorstadt anders funktioniert als im Sinn einer klassischen bürgerlichen Stadt.“

Peter Zumthor, Interview in „Die Zeit“ vom 20. November 2014

„Nun aber, bei Einbruch der Dunkelheit, wuchs die Menge mit jeder Minute an; und als die Gasflammen entzündet waren, drängten zwei dichte, massive Ströme von Passanten an dem Café vorbei. Ich hatte mich noch nie in gleicher Verfassung gefühlt wie in dieser Abendstunde; und ich kostete die neue Erregung aus, die beim Anblick des Ozeans wogender Köpfe mich überkommen hatte. Allmählich liess ich aus dem Auge, was in dem Raum, in dem ich mich befand, vor sich ging. Ich verlor mich an die Betrachtung der Strassenszene“.

Edgar Poe: Nouvelles histoirses extraordinaires, übersetzt von Charles Baudelaire, zitiert nach Walter Benjamin: Illuminationen, suhrkamp taschenbuch 345, S. 2010