Schweinestall

von Beat Sterchi 12. Dezember 2023

Hier und Heute Unser Kolumnist über sein Unbehagen im Angesicht faschistoider Gespenster und dem grössten Schweinestall der Welt.

Noch einmal Spanien.

Das Land hat nun also wieder eine Regierung und wie an dieser Stelle hier vorausgeahnt, hat es Pedro Sanchez einmal mehr geschafft, sich selbst und sagen wir, die fortschrittlich gesinnten Kräfte des Landes unter ziemlich schwierigen Umständen an der Macht zu halten.

Allerdings hat man den Eindruck, dass sich darüber niemand so richtig freuen kann. Zu unappetitlich war das Gewurstel, das dieser Regierungsbildung vorausgegangen ist. Dass man, um im Parlament die nötige Mehrheit zu erlangen, den separatistischen Parteien Kataloniens mit einer Amnestie entgegenkam, hat für ganz Spanien zweifellos etwas Erlösendes, aber dass vor den Wahlen niemand auch nur im Entferntesten an diesen zukunftsträchtigen Schritt gedacht hatte, hat auch etwas Peinliches.

Die jetzt weiter in die Opposition verbannten konservativen Kräfte sowieso, aber auch moderate Stimmen befürchten, Sanchez habe sich, um an der Macht zu bleiben, mit dem Teufel verbündet.

Und dass dem reichen Katalonien auch noch gleich Schulden in Milliardenhöhe erlassen wurden, stösst in anderen Regionen auf Unverständnis und Widerstand. Die jetzt weiter in die Opposition verbannten konservativen Kräfte sowieso, aber auch moderate Stimmen befürchten, Sanchez habe sich, um an der Macht zu bleiben, mit dem Teufel verbündet.

Zweifellos steht Spanien eine schwierige, wenn nicht ungewisse Legislaturperiode bevor. Dass der mit allen Wassern gewaschene Sanchez – «Ich lüge nicht, ich ändere meine Meinung» – mit diesem Risikogeschäft eine konservative Regierung mit Beteiligung der rechtsnationalen Vox-Partei verhinderte, ist dennoch viel mehr als nur ein schwacher Trost.

Wenn er es sogar schaffen sollte, Spanien den sich sonst überall in Europa abzeichnenden Rutsch in die trüben, populistischen Gewässer zu ersparen, muss man ihm schlicht dankbar sein. Aus einem einfachen Grund: Es gibt in Spanien noch viel zu viele von jenen teils verirrten und verwirrten, teils faschistoiden Gespenstern, die jetzt wieder ihre hässlichen Fratzen zeigten. Bei den Demonstrationen der letzten Woche gegen die Regierungsbildung haben sie gewütet und ohne Rücksicht auf Verluste getobt, als stünde ganz Spanien kurz vor dem Untergang. Man möchte sie wirklich weder sehen noch hören und wundert sich, wo sie sich versteckt gehalten haben.

Es gibt in Spanien noch viel zu viele von jenen teils verirrten und verwirrten, teils faschistoiden Gespenstern, die jetzt wieder ihre hässlichen Fratzen zeigten.

Und wenn man sich vorstellt, dass der Chef der rechtsextremen Vox-Partei zu diesen Demonstrationen auch noch den sogar von Fox-News geschassten Berufslügner einfliegen liess, kann man sich nur an den Kopf langen und Sanchez das Gewurstel, mit dem er verhindert, dass solche Leute an die Macht kommen, verzeihen. In einer konservativen Regierung wäre der Vorsitzende der Vox-Partei Vizepräsident vielleicht sogar Justizminister geworden.

Anders als vom Pöbel behauptet, befindet sich der grösste Schweinestall der Welt übrigens nicht im Moncloa-Palast in Madrid, dem offiziellen Sitz des Ministerpräsidenten, sondern in Ezhou. Dort gibt es eine Schweinemästerei mit 26 Stockwerken, deren Bild um die Welt ging und mich seit Monaten verfolgt.

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Ezhou ist eine jener chinesischen Millionenstädte, von denen ich noch nie etwas gelesen oder gehört hatte und dennoch kommt mir das monströse Gebäude vor wie ein Sinnbild für die Asymmetrie, in welche sich die durchmedialisierte Welt mehr und mehr begibt.

Während ich den aufkommenden mehrstöckigen Gewächshäusern, die computergesteuert eine Ernte nach der andern produzieren und mitten in Städten wie New York stehen können, noch einen gewissen Respekt zollen muss, weil sie angeblich die optimale Nutzung der notwendigen Ressourcen garantieren, macht mir der Schweine-Wolkenkratzer nun doch einfach Angst und ich denke einmal mehr an den alten Spruch: Dem Batteriehuhn folgt der Batteriemensch. Wenn man sich, mit Hilfe von Google Street-View auch noch ein wenig in Ezhou umsieht, wird auch gleich klar, wie entsetzlich wahr dieser Spruch noch immer ist.