Schöner Mist

von Beat Sterchi 6. Mai 2024

Hier und Heute Mit dem besten Mist ist nichts mehr aus dem Boden zu holen, wenn es nicht regnet. Trotzdem möchte unser Kolumnist, der aus seinem Garten in Spanien berichtet, seinen Optimismus noch nicht aufgeben.

Ich bin zurück in Spanien in meinem Freiluftfitnesscenter. Die Sonne scheint, wie es sich für Spanien gehört. Aber der kalte Nordwind braust. Sonst würde ich heftiger schwitzen.

Ich führe Mist. Ich schaffe Fuhre um Fuhre Schafmist in meinen Gemüsegarten. Juan, ein Bauer aus dem Dorf, hat ihn mir auf einem Anhänger bereitgestellt. Ich karre den Mist über einen eigentlich für Maultiere gedachten Pfad und während ich mich abmühe, ergebe ich mich der schönen Idee, dass ich mich wieder einfüge in jenen Kreislauf der Natur, der die Welt bei Atem hält.

Der Mist ist schwer.

Mist ist Mist.

In trockenem Zustand ist der Mist körnig und kann schön aussehen, wird er aber nass, sieht er aus, wie das, was er ist. Dann stinkt er auch so.

Trotzdem: Ohne Mist geht nichts. Er kann zwar durch Industrieprodukte ersetzt werden, allerdings, wie es sich zunehmend zeigt, nicht ohne Nebeneffekte. Auch deshalb halte ich mich fest an meinem wertvollen Schafmist.

Mist ist Mist.

Kreislauf ist Kreislauf.

Mist wird zwar gemieden und verachtet, wie wertvoll er in Wirklichkeit aber ist, wusste man natürlich auch schon im alten China. Es soll dort zum guten Anstand gehört haben, dass, wer auswärts zum Essen geladen war, auch seinen oder ihren Mist dort zurück liess. Es hiess, sagte mir einmal eine chinesische Ärztin: Nix hier Essen aber scheissen zuhause.

Juan, der Bauer aus dem Dorf, der mir den Mist bereitgestellt hat, hat übrigens im Herbst wie immer Getreide gesät. Ich glaube vor allem Roggen und Hafer. Es sieht aber nicht so aus, als würde etwas daraus werden. Es zeigen sich nur ein paar wenige Stoppeln in den ausgetrockneten Äckern. Wer weiss, wo er inzwischen das Wasser für seine Tiere herholt. Das dafür vorgesehene Reservoir ist längst leer.

Ganz Spanien schmachtet unter Trockenheit. Vielerorts herrscht der Dürre-Notstand.

Ja, es stimmt, was die Medien melden: Ganz Spanien schmachtet unter Trockenheit. Vielerorts herrscht der Dürre-Notstand und als wir von Frankreich über die spanische Grenze nach Katalonien fuhren, erwartete uns dort nicht wie in den vergangenen Jahren die Propaganda der Unabhängigkeitsbewegung, sondern auf einer haushohen, riesigen Stellwand das englische Wort DROUGHT.

Und zwar mit Ausrufezeichen.

Ein Nachbar findet deshalb, meine Mühe mit dem Mist sei sinnlos. Du weisst ja gar nicht, ob du deinen Gemüsegarten bewässern können wirst. Die Quelle gibt ja kaum mehr etwas her.

Aber klar, sagt er dann, ihr Protestanten, ihr seid viel weniger Pessimisten als wir Mittelmeerkatholiken.

Weil mir nichts Klügeres einfiel, sagte ich dann, das könne schon sein, denn war es nicht Luther, der behauptet hatte, wenn er wüsste, dass am nächsten Tag die Welt unterginge, würde er trotzdem heute einen Baum pflanzen. Das hat entweder mit Dummheit oder mit Glauben, vielleicht aber auch mit Weisheit zu tun.

Ihr Protestanten, ihr seid viel weniger Pessimisten als wir Mittelmeerkatholiken.