Wer seid ihr?
Moe: Ich bin 31-jährig Kindergärtnerin, Tanzlehrerin und Choreographin. Mit Alain tanze ich seit 2015 gemeinsam.
Alain: Mein Name ist Alain und ich tanze seit 2000 verschiedene Salsastile und liebe die Verbindung zwischen den Tanzenden und der Musik.
Was ist Roleswapping?
Moe: Das Konzept Roleswapping versucht im Tanz die klaren Rollenzuschreibungen «führende» und «folgende» Person aufzubrechen. Während getanzt wird, können so die Rollen fliessend gewechselt werden. Beim Salsa, wo traditionell meistens der Mann führt, würde die Frau die Führung übernehmen und der Mann würde folgen und wieder umgekehrt hin und her wechseln. Immer die folgende Person übernimmt die Führung. Dies fördert die Aufmerksamkeit und Sensibilität gegenüber der anderen Person, was ich im Salsa doch ab und zu vermisse.
Wieso ist es euch wichtig, dass Rollen geändert werden?
Moe: Nach über einem Jahrzehnt Erfahrung in der Salsatanzszene störte mich diese klaren Stereotypen immer mehr. In den letzten zwei Jahren haben Alain und ich uns zunehmend mit gesellschaftlichen Themen wie Rassismus und Sexismus auseinandergesetzt. Dabei entstand auch der Wunsch in unserer Tanz-Szene was verändern zu wollen. Menschen sollten unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität ihren Platz im Salsatanz finden und die Rolle tanzen können, in welcher sie sich wohl fühlen.
Alain: Momentan ist es leider so, dass es nicht «normal» ist, wenn ein Mann einen anderen Mann zum Tanz auffordert, dass finde ich schade. Durch das Lernen der «folgenden» Rolle im Tanzen, konnte ich mich auch weiterentwickeln.
Moe: Gerade für Frauen, kann es an einer Salsaparty frustrierend sein, wenn sie nicht zum Tanz aufgefordert werden. Durch das Roleswapping können sie dann flexibel den «führenden» oder den «folgenden» Part im Tanz einnehmen und sind nicht mehr von führenden Personen abhängig.
Wie seid ihr auf das Thema gekommen?
Moe: Mein Bruder ist queer und hatte null Prozent Lust in die Salsaszene einzutauschen, da Geschlechterstereotype und Heteronormativität zementiert werden. Da fast nur heterosexuelle Pärchen Tanzen, fand er, dass es hier wohl kein Platz für queere Menschen hat. Dies hat mich berührt und auch motiviert, etwas zu ändern. Wenn wir einen neuen Kurs mit unseren Schüler*innen beginnen, fragen wir bei der ersten Lektion, wer führen (leaden) und wer folgen (followen) möchte. So passiert es oft, dass Menschen neue Rollen ausprobieren.
Habt ihr das Gefühl, dass Salsa ein Tanz ist für Menschen, die starre Rollenbilder haben oder diese traditionellen Rollenzuschreibungen suchen?
Alain: Das ist eine schwierige Frage. Es gibt sicher beides. Viele Salser*os haben Freude an der Musik und Freude am sich bewegen. Es gibt sicher auch Menschen, die diese Rollen suchen. Salsa ist auch ein Paartanz der heteronormativ geprägt ist. Es ist ein traditioneller Flirttanzt zwischen den Geschlechtern. Die Frau präsentiert sich, lernt sich sexy zu fühlen und der Mann kann führen und so auch seine männliche Seite zeigen. In der Schweiz sind wir ja nicht mit Salsa aufgewachsen, sondern lernen diese Rollen, lernen unsern Körper zu bewegen. Diese Bewegungen werden in den Salsastunden auch in Kursen für Männer, Menstyling und in Kursen für Frauen Ladystyling aufgeteilt. Wenn diese Rollen frei gewählt sind und es auch anders möglich ist, ist dagegen nichts einzuwenden. So kommt es vor, dass die Menschen nicht traditionell vorgesehene Rollen einnehmen.
Wollen Salseros und Salseras auch Rollenwechseln, bzw. ist die Salsaszene bereit für euer Konzept?
Moe: Ja. Viele Menschen sind sehr offen neues zu lernen, sonst hätten sie ja auch nicht mit Salsa angefangen (lacht). Es gibt einige die reagieren überrascht über das Konzept, dass die Rollen während dem Tanz getauscht werden, lassen sich aber darauf ein und haben Spass daran. Es ist uns wichtig, dass follower sein nicht bedeutet feminin zu tanzen und leaden etwas mit einer männlichen Rolle zu tun hat. Es geht darum den individuellen Ausdruck zu erkunden, neues auszuprobieren, dabei kann Roleswapping sehr hilfreich sein.
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Wie ist es als Mann, bzw. als Frau die Rolle zu ändern?
Alain: Ich habe schon früher, bevor ich das Konzept Roleswapping kennengelernt habe die Rollen gewechselt. Als Tanzlehrer muss man dies sowieso können. Jedoch habe ich, wenn ich die Rolle der Frau eingenommen habe, immer versucht besonders feminin zu tanzen und dies mit einem ironischen Lächeln begleitet. Dies würde ich heute nicht mehr tun, es war wohl Ausdruck meiner Unsicherheit über diese neue ungewohnte Rolle. Heue finde ich es superschön die Rollen zu wechseln und genau zu spüren, was mein Gegenüber möchte und mich so zu verbinden.
Moe: In meinem Salsastil, wo ich zuhause bin (New York Style on2), reagiert man als «Follower» im besten Fall auf eine fast reine Zeichensprache und lässt sich nicht in eine Figur/Drehung drücken/ziehen. Ich muss also in jedem Moment aufmerksam sein und entsprechend reagieren. Wenn ich müde bin, bevorzuge ich die Rolle des «Leaders», da ich im Prinzip nur Abläufe führen muss und auch nicht so viel drehen muss. Auf einem hohen Level zu führen, d.h. inkl. musikalische Interpretation, ist das natürlich wieder eine andere Geschichte. Für mich bedeutet es in jedem Fall eine Bereicherung, beide Rollen zu beherrschen. Es macht mich unabhängig und selbstbewusst und noch differenzierter in der jeweils anderen Rolle, da ich weiss, wieviel Kraft sich angenehm anfühlt, egal ob als «Follower» oder «Leader.»
Was wünscht ihr euch für die Tanzszene?
Offenheit. Respekt. Toleranz. Keine Diskriminierung. Kein Rassismus. Kein Sexismus.