Krieg

von Beat Sterchi 3. März 2025

Hier und heute Nach einem Schwatz mit seinem Nachbarn macht sich unser Kolumnist Gedanken über Krieg und die abtretende Verteidigungsministerin. Und darüber, was in einer Stadt wie Bern unglücklich machen kann.

Als ich heute durch die Kreuzgasse Richtung Plattform ging, kam zuerst eine grosse Ledertasche um die Ecke zur Münstergasse. Es war eine ziemlich modische Tasche, an deren Trägern sich mit beiden Händen eine leicht betagte Frau festhielt, die ein derart trauriges Gesicht machte, dass ich mir vornahm, auf einem meiner KI-Portale nachzufragen, was in unserer schönen Stadt ein solches Unglück verursachen könnte.

Gleich danach kam dann der immer zu einem Schwatz aufgelegte Nachbar Jörg daher. Nachdem er mich freundlich begrüsst hatte, wollte er wissen, was ich dazu sagen würde, dass sie im Bundeshaus angeblich Mühe hätten, einen geeigneten Nachfolger für unsere Verteidigungsministerin zu finden. Si hei eifach kenne, wo längt, sagte er. Nachfolgerin sei ja auch keine in Sicht, ob ich nicht Lust hätte, mich zu melden. Ich lachte und sagte, was den Arbeitsweg betreffe, hätte ich schon mal einen Vorteil. Aber, sagte ich dann, eigentlich tut es mir sehr leid um Frau Amherd. Was ihre Amtsführung betreffe, könne ich mir kein Urteil erlauben, aber ich sei ihr einmal abends auf der Strasse beim Hotel Bellevue begegnet und sie habe mir nicht nur einen schönen Abend gewünscht, sie habe mir insgesamt einen sehr freundlichen Eindruck gemacht. Darauf ermahnte mich Nachbar Jörg, dass Freundlichkeit im Zusammenhang mit der Führung einer Armee nicht unbedingt das wichtigste Kriterium sei. Mag ja sein, sagte ich, aber ich hätte mal ein Bild von Frau Amherd an einer Friedenskonferenz zum Krieg in der Ukraine gesehen, die irgendwo in der Innerschweiz stattgefunden habe und die sie möglicherweise sogar organisiert habe. Die Konferenz habe zwar rein nichts gebracht, aber seither hätte ich sie ins Herz geschlossen. Wenn nämlich, sagte ich, wenn nämlich alle dort versammelten Männer so drauf gewesen wären wie sie, wäre es gar nie zu dem Krieg gekommen. Stell dir vor, sagte ich, in der Ukraine sollen die Russen mittlerweile gegen eine halbe Million junge Männer geopfert haben, vermutlich auch noch jede Menge Soldatinnen dazu. Das will mir einfach nicht in den Kopf. Und bitte, sagte ich, halte mich jetzt nicht für einen Putinisten, aber mir tun die alle auch leid. Das muss doch irgendwann mal ein Ende haben, dass einer einen andern in den Tod schicken kann.

Wenn alle dort versammelten Männer so drauf gewesen wären wie sie, wäre es gar nie zu dem Krieg gekommen.

Weil wir dann einer kompakten Gruppe von Touris ausweichen mussten, die mit ihren Handys wie mit gezogenen Waffen auf das Münster losgingen, um dort den eigentlich von aussen nur beschränkt sehenswerten Chor zu fotografieren, hob Nachbar Jörg die Schultern und wir schauten uns ziemlich hilflos an.

Ja, wir hier und die dort, so ist das Leben, sagte Nachbar Jörg. Mir fiel, das sei zugegeben, auch nichts Gescheiteres ein. Aber als wir uns verabschiedet hatten und ich zuhause bei Gemini nach möglichen Gründen für ein unglückliches Gesicht nachfragte, erhielt ich eine sehr lange Liste von verschiedenen Gründen. Sogar schlechtes Wetter wurde aufgeführt. Hinweis auf einen Krieg, hier oder dort, nah oder fern, war keiner dabei.

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