B-Sport

Bern holt sich den Titel

von Thomas Göttin 20. Februar 2024

Die Rolling Stones CC Bern gewinnen den Schweizer Meistertitel im Rollstuhl-Curling.

Vor gut einem Jahr portraitierte Journal B das Berner Team der Rollstuhl-Curler*innen, das unter dem Namen Rolling Stones CC Bern an der Berner Curling Meisterschaft teilnimmt. Und siehe da: Soeben haben die Berner*innen gar den Schweizer Meistertitel im Rollstuhl-Curling gewonnen. An der Schweizer Meisterschaft vom 2.-4. Februar 2024 gewannen sie den Titel mit einem hauchdünnen Finalsieg gegen das Team Oberwallis. Wir gratulieren herzlich!

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Disco Cycling: Eine Liebeserklärung

von Lucy Schön 19. Januar 2024

Rhythm Cycling An der Schwarztorstrasse wird zu packenden Beats und Club-Atmosphäre auf dem Indoor-Bike fleissig gefahren und getanzt. Diesen Samstag feiert «bike that beat» Jubiläum.

Das Velo ist perfekt auf meine Grösse eingestellt, die Cycling-Schuhe sind eingeklickt und in meinen Fingerspitzen spüre ich ein angenehmes Kribbeln, meine Vorfreude. Trainerin Cyrilla teilt uns durch ihr Mikrofon mit, dass sie ebenfalls bereit ist. Sie tritt in die Pedale, die 18 anderen Cycler*innen und ich machen es ihr nach. Los geht’s!

Neon-Lichter drehen sich in allen Farben des Regenbogens im ansonst dunklen Raum. Afro-Beats, Hip-Hop und Reggaeton werden von Cyrilla am DJ-Pult ausgepielt, das neben ihrem Bike aufgestellt ist. Wir bewegen uns als Gruppe zu den Beats, finden zusammen den Rhythmus, werden schneller, wechseln zwischen Sitzen und Stehen, bewegen unsere Oberkörper zum Takt, ja machen sogar Liegestützen auf dem Velo. Für die nächsten 50 Minuten vergesse ich den bitterkalten Winter vor der Tür.

Einblick in eine Stunde bei bike that beat (Quelle: bike that beat/zvg).

Freiwillig schwitzen, keuchen und dann am nächsten Tag noch ein fetter Muskelkater? Hier muss mal angemerkt werden, dass ich eigentlich eine absolute Sportbanausin bin. Das alles veränderte sich vor ein paar Monaten, als ich zum ersten Mal «bike that beat» besuchte, das erste Rhythm Cycling Studio in Bern.

Feiern ohne schlechtes Gewissen

Was mich sofort in den Bann zog: das Clubfeeling – und dass es keinen Leistungsdruck gibt. Ob das der Grund ist, warum der Sport weltweit im Trend liegt? Melanie und Cyrilla, die beiden Gründerinnen von «bike that beat», können meine These bestätigen: «Beim normalen Indoor-Cycling geht es um Leistung, etwa wie viele Umdrehungen pro Minute du schaffst. Die Musik ist zweitrangig. Beim Rhythm- oder Disco-Cycling steht sie im Mittelpunkt, der Takt gibt den Widerstand und die Schnelligkeit an». Dazu komme der Trend vom «healthy lifestyle»: «Du feierst eigentlich während 50 Minuten eine gesunde Party.»

Cyrilla und Melanie sind die Gründerinnen von «bike that beat» (Foto: zvg).

Der Sport wurde vor drei Jahren von Melanie und Cyrilla quasi in die Bundesstadt «importiert» – und zwar direkt aus Kuba. Dort haben sich die beiden Freundinnen bei der Arbeit für eine Reiseagentur kennengelernt und sind Fan geworden von «spinning a lo cubano». Während Corona eröffneten sie ihr erstes Studio in einer Berner Disco, damals noch ohne Duschen und Garderoben. Am kommenden Samstag feiern sie ihr einjähriges Studio-Jubiläum im Mattenhof, wo sie nun dauerhaft verweilen.

Männer fallen auf

In Havanna werde Disco-Cycling sehr diszipliniert angegangen, mit unglaublich vielen Studios und Lektionen, die schon um halb sieben morgens beginnen. Gleich wie in Bern sei jedoch die Frauenquote, so die Gründerinnen. Diese liege bei rund 90 Prozent. Männer hätten viel mehr Respekt vor dem Takt und oft das Gefühl, dass sie auf dem Velo tanzen müssen. «Die Männer, die dann kommen, fallen richtig auf. Sie feiern es dann aber auch.»

Welche Tipps haben Cyrilla und Melanie für Anfänger*innen? «Höre auf deinen Körper und verurteile dich nicht, wenn du nicht bei jedem Move dabei bist. Du kommst mit der Zeit rein, das braucht zwei, drei Mal.» Disco-Cycling sehe zwar krass aus, aber sei für alle machbar.

bike that beat, Schwartorstrasse 87, 3007 Bern, Montag bis Sonntag

 

Leuchtende Bälle zu elektronischen Beats

von Nina Peier 17. November 2023

Tischtennis Vom Mittwoch, dem 15. November bis am Sonntag, dem 19. November finden die Pingpong-Days in der Grossen Halle der Reitschule statt. Mischa vom Center Court hat mir von kreativen Pingpong-Formen erzählt und mir verraten, warum Pingpong seiner Meinung nach nicht nur Sport, sondern auch Kultur ist.

Bälle flitzen hin-und-her auf den acht Pingpong-Tischen in der Grossen Halle der Reitschule. Die Musik aus dem Barbereich wird unterlegt vom typischen Sound, von dem der umgangssprachliche Name vom Tischtennis stammt «ping, pong, ping, pong».

Die Idee zu den Pingpong-Days stammt von Gregor, MITARBEITER der Grossen Halle, inspiriert von einem Projekt in New York zur Belebung urbanen Raumes mittels Pingpong. Kurzerhand hat dann Nina, Betriebsleiterin der Grossen Halle, den Tischtennis-Verein Center Court Bern angefragt – und aus der Idee wurde Realität.

Für die drei Organisatoren vom Center Court, Mischa, Aurel und Roger steht beim Pingpong der Spass und das Zusammensein im Zentrum. Pingpong spielen hat sich als Konstante durch ihre langjährige Freundschaft gezogen. Deshalb haben sie vor gut zwei Jahren den Verein Center Court Bern gegründet. Im Gegensatz zu klassischen Tischtennis-Clubs will der Center Court ein unkompliziertes Angebot sein: «Wir schaffen Raum für Tischtennis, möglichst niederschwellig, zentral und zu jeder Zeit.

In anderen Tischtennis-Clubs gibt es Vorgaben und verbindliche Strukturen. Davon wollten wir wegkommen», so Mischa. Beim Center Court gibt es weder fixe Trainingszeiten, noch Leistungsdruck. Wer spielen will, kann den privaten Raum in der Innenstadt mieten, oder monatlich in einer der vier vereinsinternen Ligen gegen andere Spieler*innen antreten.

Die Pingpong-Days in der Grossen Halle bieten die Möglichkeit, die ansonsten begrenzten Räumlichkeiten des Center Courts zu erweitern. Auf Kollektenbasis wird ein breites Publikum zum Spielen eingeladen – für den Plausch, als Partyspiel oder richtig kompetitiv. Vom gemütlichen «Ründele», über Pingpong im UV-Licht, bis zum grossen Turnier ist für viele etwas dabei.

Vielleicht haben sie eine Chance, wenn sie mit dem Küchenbrettchen gegen einen Suppenlöffel spielen können.

«Die Veranstaltung ist grundsätzlich für alle geeignet», meint Mischa, «beispielsweise haben wir den heutigen Tag mit beeinträchtigten Menschen aus einem Heim begonnen. Am Samstag kommen dann Leute, die in Clubs gespielt haben. Sie reisen teilweise extra aus anderen Kantonen fürs Turnier an. Bezüglich des Niveaus haben wir wirklich eine breite Palette. Das ist das Schöne beim Pingpong!»

Wer den Spass ins Zentrum stellt, kann sich zum Beispiel auch am Glücksrad versuchen, bei dem den Spielenden eine Alternative zum Pingpong-Schläger zugelost wird, mit der sie dann eine Partie bestreiten können: «Damit soll etwas Witz reingebracht werden, etwas Lockeres, gerade für Menschen, die keine Chance gegen eine andere Person hätten mit einem normalen Pingpong-Schläger. Vielleicht haben sie dann eine Chance, wenn sie mit dem Küchenbrettchen gegen einen Suppenlöffel spielen können». Mischa lacht herzlich.

Kreativ wird es auch, wenn abends dann die UV-Lichter angehen, und die Spielenden die neonfarbenen Bälle über leuchtende Tische jagen können. Wie gut das funktioniert, wird sich zeigen. «Wir haben das selbst noch nie gemacht», meint Mischa grinsend. Im Hintergrund zum Neon-Pingpong: Live-DJs, die mit elektronischen Sounds für Partystimmung sorgen sollen.

Für Mischa ist Pingpong mehr als ein sportliches hin-und-her-Schlagen eines Balles: «Für mich ist Pingpong definitiv genauso Kultur wie Sport. Meinem Gefühl nach gibt es einige Sachen, die alle Menschen gemeinsam haben. Wenn du jemandem einen Schläger in die Hand drückst und ein Bällchen, dann ist der erste Impuls, daran zu schlagen. Pingpong ist ein einfaches Spiel, das sehr verbindet.»

Ob Pingpong wirklich so intuitiv und niederschwellig zugänglich ist, sei dahingestellt. Fakt ist: Offenheit und Optimismus schwingen mit in der Grossen Halle, gepaart mit der Hoffnung auf viele Pingpong-Begeisterte, die während der kommenden Tage einen Abstecher an die Pingpong-Days wagen.

Auch im Winter ist es schön

von David Fürst 7. November 2023

Aareschwimmen Im Sommer ist in Bern das Schwimmen im Fluss Volkssport. Fällt die Wassertemperatur unter 17 Grad oder zeigt sich das Wetter von seiner wenig sommerlichen Seite, sinkt auch die Zahl derer, die sich in der Aare treiben lassen. Doch einige wenige stürzen sich bei jedem Wetter ins Wasser.

3. November 2023
Lisa und Nina laufen den Weg von der Lorraine zur Aare hinunter. Vorbei am Lorrainebad, das zu dieser Jahreszeit leer ist. Der Herbst hat die Bühne betreten und die Blätter der Bäume sind bunt. Auf der Bank neben dem blau angefärbten Baum stellen die beiden Student*innen ihre Rucksäcke ab. «Mir ist der ganze Tag schon kalt, hoffentlich wird es nach dem Schwimmen besser», sagt Lisa. Nina nickt zu und erzählt von ihren Neopren-Schuhen, die sie bei Eis und zunehmender Kälte anzieht. Die Füsse sind am empfindlichsten, gerade, wenn mensch aus der Aare hinaussteigt und den Betonboden betritt.

Die beiden routinierten Schwimmer*innen treffen sich jeden Freitagnachmittag für das gemeinsame Baden, egal ob es regnet oder schneit. Sie streifen die Kleider ab, während es zu regnen beginnt. Und fast im selben Augenblick findet die Sonne ihren Weg durch die Wolken hindurch und lässt die Regentropfen glitzern. Die Szenerie wirkt mystisch. Nina stellt die Uhr, sie möchte mindestens drei Minuten in der Aare verweilen. Gleich beim Lorrainebad- Eingang steigen sie die rote Treppe hinunter und schwimmen gegen den Strom im heute 12.6 Grad kalten Wasser. Passant*innen in Wintermänteln und Mützen spazieren vorbei und fragen: «Ist es nicht extrem kalt?» Immer dieselben Fragen. Nach den drei Minuten steigen Lisa und Nina aus dem Wasser und beide lachen und laufen zurück zu ihren warmen Kleidern.

«Ich liebe dieses Gefühl der Wärme, die sich im ganzen Körper ausbreitet nach dem Schwimmen. Ich hoffe, es hält noch etwas an», sagt Lisa. Nach etwa einer halben Stunden laufen die beiden den steilen Weg hinauf zurück in die Lorraine.

Schwimmen in futuristischem Ambiente

von Nina Peier 28. September 2023

Schwimmen Passionierte Freizeitschwimmer*innen sehnten die Eröffnung der neuen Schwimmhalle Neufeld am letzten Samstag schon lange herbei. Unsere Autorin hat sie ausprobiert.

Für Schwimmbegeisterte aller Levels war die Situation in den bernischen Stadtbädern bis anhin – nun ja – beengend. Auf drei Hallenbäder verteilt quetschten sich je nach Tages- und Jahreszeit gerne zwischen 4 und 10 Freizeitschwimmer*innen auf eine einzige 25 Meter Bahn, die aufgrund ihrer Beschilderungen «Kreisschwimmen schnell» oder «Kreisschwimmen langsam» dazu zwang, sich treffsicher selbst einzuschätzen. Wer nicht zu den allerschnellsten oder allerlangsamsten gehörte, fand sich vor einem schier unlösbaren Problem: Entweder anderen ausweichen oder ständig überholen.

Die Stadt Bern hatte massiven Bedarf nach neuen Innenschwimmanlagen.

Was für Nicht-Schwimmende wie ein vernachlässigbares Detail klingen muss, stellte für Schwimmbegeisterte ein reales Problem dar. Nicht nur die unmögliche Selbsteinschätzung, sondern auch die Tatsache, dass unter solchen Umständen jeglicher Trainingsplan zu einem Ding der Unmöglichkeit mutierte, stellten stichfeste Probleme im Alltag der Schwimmer*innen dar.

Die Stadt Bern hatte also massiven Bedarf nach neuen Innenschwimmanlagen. Deshalb nun zum Wesentlichen: Meinem ersten Besuch in der brandneuen Schwimmhalle Neufeld. Eines vorab: Ich liebe sie.

Das 50-Meter-Schwimmbecken der Schwimmhalle Neufeld. (Foto: Stadt Bern)

Ich liebe sie nicht, weil sie wie einer futuristischen Computersimulation gleicht, mit all ihren Glasfassaden und dem geschliffenen Look. Auch die Eintrittspreise sind meiner Einschätzung nach jenseits von Gut und Böse, so kostet ein Einzeleintritt für eine erwachsene Person (in der Stadt Bern lebhaft) satte 8.60 CHF, für Auswärtige sind es sogar 9.80 CHF.

Da wurde in der Modernität der Architektur doch der eine oder andere Abstrich in der Praktikabilität gemacht.

Auch die Garderoben und Duschen werfen einige Fragezeichen auf. Positiv anzumerken ist die Aufteilung in «Damen», «Herren» und «Universal» – was definitiv inklusiver ist als in den anderen Bädern. Was in meinen Augen nicht so viel Sinn macht, ist die Aufteilung der Räumlichkeiten. So gibt es eine Garderobe, mit dessen Verlassen man durch einen Korridor mit sämtlichen anderen Menschen geschleust wird auf dem Weg zu den – nun wieder getrennten – Duschen.

Da die Duschen also räumlich getrennt von den Garderoben sind, muss also auch alles, was zum Duschen – und eigentlich auch Anziehen nach dem Duschen – gebraucht wird, mitgenommen werden. Jedoch gibt es in jener besagten Duschräumlichkeit absolut gar keine Ablagefläche. Meine Vermutung: Da wurde in der Modernität der Architektur doch der eine oder andere Abstrich in der Praktikabilität gemacht. Doch genug der Nörgeleien. Ich wollte ja eigentlich erzählen, warum ich die Halle liebe.

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Der erste und allerwichtigste Punkt: Es gibt genug Platz. Obwohl damit eigentlich das meiste gesagt ist, möchte ich doch noch ein wenig mehr ins Detail gehen. Die zehn 50-Meter Bahnen sind an diesem Abend in der Mitte geteilt – und so stehen zwanzig 25-Meter Bahnen zur Verfügung. Obwohl ich zur Feierabendzeit ankam, waren nur etwa die Hälfte der Bahnen von Vereinen o.Ä. reserviert. So fand ich zu, meiner Begeisterung, in einer Bahn ganz für mich alleine wieder.

Dies allein wäre schon ein Grund zum Jubeln, doch es kommt noch besser. Die Becken sind richtig tief, das Wasser klar. Dies erlaubt auch Tauchtraining erlaubt, und für nicht-Taucher*innen wie mich ergibt sich durch die Tiefe ein wunderbares Freiheitsgefühl. Nebst dem Schwimmbecken gibt es übrigens noch ein Becken mit Sprungtürmen, ein grosses Anfänger*innen-/Kinderbecken sowie einen Whirlpool!

Alles in allem ist die Begeisterung nach meinem ersten Besuch in der Schwimmhalle Neufeld gross: Für die Bedürfnisse von Freizeitschwimmer*innen wie mich hat die Halle alles, was das Herz begehrt.

Ich konnte also mein Training – endlich einmal wieder – genauso durchziehen wie geplant, und mich dabei richtig fordern. Von Glückshormonen überflutet verliess ich das Becken, was sogar die Garderoben-Duschen-Frustration kompensierte. Beim Umziehen hörte ich zufälligerweise, wie der Schwimmer*innen-Nachwuchs sich über erste Kratzer an den Spinden ausliess. Auch pessimistische Prognosen, wie lange die Nummern auf den Spind-Schlüsseln halten würde, wurden geäussert. Die Langlebigkeit der Anlageausstattung wird sich wohl zeigen.

Trotz kleinerer Abzüge in Punkto Praktikabilität kann ich der infrastrukturellen Investition der Stadt Bern insgesamt ein gutes Zeugnis ausstellen. Denn alles in allem ist die Begeisterung nach meinem ersten Besuch in der Schwimmhalle Neufeld gross: Für die Bedürfnisse von Freizeitschwimmer*innen wie mich hat die Halle alles, was das Herz begehrt.

Reitgenössische Folklore

von David Fürst 11. Juli 2023

Schwingen Nach der gelungenen Premiere im letzten Jahr stand die Reitschule letzten Samstag erneut im Zeichen von Sägemehl und Zwilchhose.

Über 300 Menschen, einige davon mit Edelweisshemden und Schwingerfahrung, versammelten sich letzten Samstag im Innenhof der Reitschule. Für den Anlass wurden 3 Tonnen Sägemehl aufgeschüttet. Mit Paletten wurde eine ca. 4 Meter hohe Tribüne gezimmert. 22 Kämpfer und eine Kämpferin traten in 5 Runden oder korrekter: Schwüngen, gegeneinander an. Auch für das Rahmenprogramm wurde gesorgt, darunter eine Performance, Siebdruck von der Druckerei der Reitschule, Essen vom Gemeinschaftszentrum Medina und Infomaterial zum Stadt-Land-Graben.

Das Reitgenössische Schwingfest versucht, schweizerische Folklore mit der linksautonomen Reitschule zu verbinden. Diese Kombination gelingt den Organisator*innen gut, da der Schwingsport ernst genommen und zelebriert wird. Gleichzeitig wurden im Rahmenprogramm subversive Elemente eingebaut. Eine Performance setze sich mit Schwingen und Männlichkeiten auseinander, was einen starken Kontrast zum Schwingwettkampf darstellte. Eine Drehscheibe mit Fragen rund um den «Stadt-Land-Graben» – zum Beispiel «Für welche Werte steht das Land? Und die Stadt?» – animierte das Publikum, sich mit den Vorurteilen auseinanderzusetzen. Auch die selbstorganisierte Ausbildung im ökologischen Gemüsebau F.A.M.E. (Formation Autogérée en Maraîchage Ecologique), war anwesend.

Um mehr Menschen für die Kämpfe zu begeistern, gab es im Vorfeld des Anlasses ein Training, um das Schwingen kennenzulernen und Hemmungen gegenüber dem Sport abzubauen. Trotz der Bemühungen der Organisatoren mehr TINFA-Personen einzuladen, kämpfte jedoch nur eine Frau mit.

Der Musiker Sebi Schafer begleitete die Kämpfe auf dem Hackbrett und spielte sowohl klassische als auch moderne Stücke. Auch beim Weisswein (1/2l kostet 15.-), Bier, Pommes und den Würsten wagte man keine Experimente.

Die Stimmung war fröhlich und volkstümlich, und viele Zuschauer fieberten eifrig mit, obwohl sie, wie sie sagten, die Feinheiten des Sports nicht kannten. «Ich bin fasziniert davon, wie die Kämpfer*innen mit millimeterkleinen Bewegungen arbeiten und dann ruckartig die Gegner*innen ins Sägemehl werfen», meinte eine Zuschauerin begeistert.

Remo Föhn, der nicht der schwerste oder größte Kämpfer war, gewann den Wettkampf. Der amtierende Champion und Favorit Ishmael Asoka Rajuai konnte sich dieses Jahr den Kranz nicht erkämpfen, möglicherweise auch aufgrund einer Knieverletzung.

Im Schwingsport gibt es keine Gewichtsklassen wie beim Boxen. Das rituelle Abklopfen ist eine versöhnliche Geste nach den Kämpfen. Wenn die Kämpfer und die Kämpferin auf den nächsten Durchgang warten mussten, waren sie alle in derselben Ecke und tauschten Tipps und nette Worte aus.

Peter Bichsel beschrieb das Schwingen in der Aargauer Zeitung 2015 so:

«Schwingen ist ein Ritual, ist ritualisierter Frieden. Auch hier fällt der Frieden nicht immer leicht – selbst Ungerechtigkeit gehört zum Ritual, und kleine Streitigkeiten gehören zur Familie. Der Frieden fällt nicht immer leicht, aber er ist selbstverständlich.»

Waacking: Ein Hauch von Hollywood

von David Fürst 22. Juni 2023

Tanzen Waacking ist in den frühen 80er Jahren an der Westküste der USA entstanden. Fred Astaire, Marilyn Monroe oder Bruce Lee: Die Bernerin Tamara Mancini ist fasziniert vom Tanzstil, der von Hollywood, inspiriert wurde. Das neuste Video von David Fürst.

Tamara Mancini ist seit ihrer Kindheit eine begeisterte Tänzerin. Der Glamour des Waacking hat die Bernerin schon in jungen Jahren fasziniert, während sie intensiv Step-Tanz betrieb und mehrmals die Schweizermeisterschaft gewann, fehlte ihr immer die improvisierende Seite des Tanzes, welche sie später im Waacking fand. Schliesslich entschied sie sich dafür, sich ganz dem Tanzstil zu widmen, der in den frühen 80er Jahren in den USA entstanden ist.

Vor etwa 10 Jahren, als es noch keine regulären Waacking-Tanzstunden gab, erlernte Tamara die Bewegungen gemeinsam mit Freunden durch Videos und Workshops, sowohl im In- als auch im Ausland.

Eine Frau schaut direkt in die Kamera. Sie trägt ein Kopftuch, hinter ihr ist eine Spiegelwand.
Tamara Mancini sagt: «Als ich Waacking entdeckte merkte ich: Ich kann den Glitzer und Glamour, den ich vom Stepping so liebe, übertragen.» (Bild: David Fürst).

Heute zählt Tamara zu den besten Tänzerinnen und verfügt über viele Jahre Erfahrung im Tanz. Mit ihrem Projekt «Discover» möchte die in Italien verwurzelte Bernerin die Wacking-Kultur in der Schweiz bekannter machen. Sie organisierte das erste Battle dieser Art im Land und leistet wichtige Bildungsarbeit, um ihren Schülern soziale, musikalische und tänzerische Hintergründe zu vermitteln.

In diesem Video erzählt Tamara über die Ursprünge und die Entwicklung des Tanzes.

 

 

Schnell wie der Blitz

von Janine Schneider & David Fürst 1. Mai 2023

Am Seifenkistenrennen am Klösterlistutz fand sich alles: inspirierende Seifenkisten, gewagte Abfahrten, begeisterte Kinder, begeisterte Erwachsene und eine begeisterte Journalistin.

Die Red Blue Crew rast in einer Rakete den Klösterlistutz hinunter. Zuerst kommt die Blue Shark Kurve, dann die Diabolica.  «Eine Kiste, die schwer zu kontrollieren ist, aber wenn man es schafft, sehr schnell sein kann», dröhnt die Stimme einer der beiden Kommentatoren aus dem Lautsprecher. Das stellen die beiden Fahrerinnen unter Beweis. Die eine sitzt vorne in der Rakete am Steuer, die andere hat die Kiste am Anfang angestossen und springt nun auf der Zielgeraden hinten auf. Jetzt nimmt die Seifenkiste nochmals richtig Schwung auf und rast durchs Ziel. Das Publikum klatscht, die Moderatoren kommentieren die Zeit. Die beiden Mädchen bremsen ihr Gefährt und steigen freudestrahlend, aber konzentriert aus. Es gilt, die Rennbahn zu räumen, die nächsten sind schon am Start.

Es ist Sonntag, grosser Renntag am Klösterlistutz hier in Bern. Der Himmel hält sich bedeckt. Die Stimmung ist ausgelassen. Gross und Klein stehen neben den Heuballen, die die Rennstrecke begrenzen oder schauen von der oberen Strasse auf die Rennstrecke hinunter. Es gibt Stände zur Verpflegung der Rennteams und der Zuschauer*innen, eine Werkstatt für reparierungsbedürftige Seifenkisten und sogar einen Stand mit Rennutensilien zum Verkauf. Das alles erinnert mich ein wenig an die Skirennen aus meiner Kindheit. Nur dass alles viel farbenfroher und entspannter daherkommt. Und dass die Erwachsenen am Rand der Rennstrecke nicht nur für ihre eigenen Kinder mitfiebern, sondern jeder Seifenkiste mit gleich grosser Begeisterung beim Runterflitzen zuschauen, ob sie nun selbst Hand angelegt haben oder nicht. (Man munkelt, dass die Väter am Bauen der Seifenkisten fast mehr Freude hätten als ihre Kinder).

David Fürst im Gespräch mit Vera Stoll, Mitorganisatorin der Grossen Berner Renntage. Im Hintergrund die Probeläufe von Samstag.

Es ist aber auch unmöglich, sich nicht begeistern zu lassen. Da fahren Wikingerschiffe, Sanitätswagen und Feuerwehrautos (mit echter Wasserspritze) den Hang herunter, ein Bändbus, eine Tschuttichischte (mit Fussballschuhen und halben Bällen), ein Wagen, der ganz mit Nespressokapseln bedeckt ist, ein Glacécornet mit dem Teamnamen «Gelateria di Bremgarten», ein Oldtimer (das Team trägt Hosenträger und Gehstock) und sogar ein gewaltiger Blauwal mit Seemöwe auf der Schwanzflosse. Einige Teams haben mehr Wert auf die Gestaltung ihrer Kisten gelegt, andere auf die aerodynamische Form, um möglichst schnell herunterbrettern zu können. Die Wagen werden von mindestens zwei Kindern geführt, manchmal sind es aber auch bis zu sechs Kinder, die als Rennteam starten. Üblicherweise sitzt eines vorne im Wagen am Steuer und die anderen schieben es von hinten an und versuchen, der Kiste nach den engen Kurven wieder Schwung zu verleihen. Die kleineren sitzen oft zu zweit im Wagen und ruckeln den Hang hinunter, so gerade eben die Sharky Pilots. «Sie fahren sehr sicher, sehr kontrolliert», schallt es wohlwollend aus den Lautsprechern, die Zuschauer*innen applaudieren. Hier geht es trotz Rennen nicht um gut oder schlecht. Hier machen alle alles richtig, nach ihren Möglichkeiten. Hier stehen für einmal die Kinder im Zentrum. Und auch das Kind im Erwachsenen.

Foto: David Fürst
Foto: David Fürst

Am Start geht es heute, Sonntagnachmittag, sehr geordnet zu. «Man merkt, dass sie gestern geübt haben», ruft ein Helfer dem anderen zu. Am Vortag bei den Probedurchläufen habe hier oben noch ein einziges Durcheinander geherrscht. Nun aber, beim mittlerweile zigsten Lauf sind die Kinder geübt und sehr konzentriert bei der Sache. Schliesslich gilt es die Kiste schnell und sicher den Hang hinunterzubringen. Die Steigung ist nicht ganz ohne. Einige Kisten landen in der Kurve in den Heuballen, eine überschlägt es sogar. Obwohl, schlimme Verletzungen gebe es sehr selten, erklärt mir einer der Helfer am Start. In den letzten zwanzig Jahren habe nur einmal ein Kind den Arm gebrochen. Ihm zu Ehren sei die erste Kurve benannt, die Blue Shark Kurve.

Foto: David Fürst
Foto: David Fürst

Oben bringen nun die Jungle Girls ihre Seifenkiste in Startposition. Der grüne Wagen ist mit Plüschpandas und Plastikblumen geschmückt, an den Rädern grinst ein Gorilla und die Mädchen tragen Jaguarpullover. Sie starten in der Kategorie «Formel GT», das heisst sie sind höchstens zehn Jahre alt, haben schon Rennerfahrung und ihr Wagen verfügt über bessere Räder und Lenkung. Die verschiedenen Kategorien sind nach Alter und Bauweise der Wagen unterteilt. In einer eigenen Kategorie starten diejenigen die zwischen 15 und 18 Jahre alt sind – der Fairness halber. Teams wie «Dini Muetter isch HÄSSIG» sind denn auch die schnellstens mit einer Zeit von unter 20 Sekunden.

Aber eigentlich geht es an diesem Sonntag gar nicht in erster Linie ums Gewinnen, sondern um den Teamgeist. Deshalb gibt es auch nicht nur Preise für die Schnellsten. Sondern auch für die mit der am kreativsten gebauten Seifenkiste und die mit dem besten Fahrstil und Teamgeist. Und für alle eine Rennurkunde. Davon hätten sich die Veranstalter meiner früheren Skirennen ruhig einige Scheiben abschneiden können.

Foto: David Fürst
Foto: David Fürst

Der Berner Padel Boom beginnt

von Thomas Göttin 12. April 2023

Ein sinnverwirrendes, attraktives Ballspiel kommt langsam in Bern an: Die Tennisvariante Padel erhält eine neue Anlage beim Thunplatz.

Viel Publikum hat sich am Samstag, 8. April um 14 Uhr im Tennisclub Rot-Weiss beim Thunplatz eingefunden zur Einweihung der ersten Padel-Anlage in Bern. «Kindertennis?» oder «öbbis zum umelöle» lauten einige der vorgängigen Kommentare. Schliesslich starten «Tommy and friends» ein Exhibition-Spiel – Interesse und Aha-Effekte nehmen zu.

Je zwei Spieler*innen stehen sich gegenüber. Der Ball flitzt flach über das Netz, springt die Wände hoch, wird direkt abgenommen oder rückwärts über die Wand wieder ins gegnerische Feld geschlagen: ein sinnverwirrendes, attraktives Ballspiel.

Tatsächlich ist das Feld im Padel zwar kleiner als beim Tennis, doch mit den Wänden ergeben sich so viel mehr Varianten, dass man alleine gar nicht alle abdecken kann.

Tommy Othenin hat Padel vor 17 Jahren in Spanien kennen gelernt – das europäische Padel-Mekka schlechthin. Er hatte seinen Tennisschläger zerbrochen und gleich umgestellt. Das Spiel sei entspannter, leichter für den Einstieg, und man teilt die Emotionen mit Freund und Gegner auf weniger Distanz. 4 Millionen Spieler*innen gibt es in Spanien, wo Padel Sportart Nummer zwei nach Fussball ist. Seine Mitspieler Lorenzo und Alvaro stammen ebenfalls ursprünglich aus Spanien.

Der Boom habe auch eine wirtschaftliche Logik, wie mir Lorenzo mir erklärt: Auf einen Tennnisplatz passen fast drei Padelplätze mit vier Spieler*innen. Das braucht weniger Platz und  gibt den Veranstaltern mehr Mieteinnahmen. Lorenzo Gil Tinas war 2014 Schweizer Meister – bei damals noch sehr wenig Spieler*innen, gibt er lachend zu.

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Stefan Bigler ist Berner, hat das Spiel auf Ibizia entdeckt und ist seit 6 Jahren angefressen, nicht zuletzt weil er das Doppelspiel liebt. Tatsächlich ist das Feld im Padel zwar kleiner als beim Tennis, doch mit den Wänden ergeben sich so viel mehr Varianten, dass man alleine gar nicht alle abdecken kann. Jeden Mittwoch fährt er nach Basel, die Plätze dort sind einen Monat vorher ausgebucht.

Lorenzo spielt in Düdingen und Murten, denn Padel ist vor allem in der Westschweiz bekannt. Doch er schwärmt von Zürich mit seinen zahlreichen eigenen Clubs. Tommy, der selber Plätze baut, schätzt, dass es in der Schweiz gegen 100 Plätze gibt, weitere 60 sind allein dieses Jahr Planung. Alle sind sich einig: Padel boomt auch in der Schweiz. Bern steht erst am Anfang. Aber immerhin:  Am 29. April um 14.00h treten auf dem neuen Padel-Platz Schweizer Spieler*innen aus den Top-Ten zu einer nächsten Exhibition an.

Rollstuhl-Curling: gemischte Teams und präzise Steine

von Thomas Göttin 23. Januar 2023

Rollstuhl-Curling ist eine junge Sportart, die mittlerweile in zahlreichen Ländern gespielt wird. Ein Besuch in der Curlinghalle Bern.

In der Curlinghalle im Wankdorf treffe ich die Rollstuhl-Curler*innen, die unter dem Namen Rolling Stones CC Bern an der Berner Curling Meisterschaft teilnehmen. Ausserhalb von Bern treten sie als Rollstuhl-Curling Team Bern-Gruyère an. Als erstes möchte ich auf dem Eis ein paar Fotos machen. Konstantin kontrolliert sofort, ob ich auch Curlingschuhe mit rutschfesten Sohlen trage: «Nicht dass wir für das Interview zu dir ins Spital kommen müssen», lacht er.

Nach dem Training treffen wir uns im Restaurant am runden Tisch mit Sicht auf die Rinks (Eisbahnen): Konstantin Schmaeh, Stéphanie Combremont, Pierre Tercier, Mélanie Villars, Martin Bieri. Es wird wild durcheinander deutsch und französisch diskutiert, ich tauche ein in die Welt des Rollstuhlcurlings.

Konstantin und Pierre wurden durch eine «journée découverte» – einen Schnuppertag – auf das Rollstuhlcurling aufmerksam. Beide spielen auch Badminton. Stéphanie wurde von Konstantin angefragt: «Weil im Rollstuhlcurling die Teams gemischt sind, werden Frauen gesucht. Er hat mich x mal gefragt, mais vraiment, und dann hat es mir gefallen», erklärt sie.

Seit 2006 ist Rollstuhlcurling Teil der Paralymics.

Mélanie kam bereits 2007 zum Curling: «Zuerst hat mich die Kälte abgeschreckt, aber es macht Spass. Selbst meine Tochter hat mit sieben Jahren mit dem Curling angefangen. Mittlerweile unterstützt sie den Trainer des Schweizer Nationalteams im Rollstuhlcurling und ist unser Coach.» Martin ist gleich lange dabei und spielt auch häufig Teams, in welchen er der einzige Rollstuhl-Curler ist. «Das funktioniert bestens», so seine Erfahrung.

Eine Schweizer Erfindung

Rollstuhlcurling ist eine junge Sportart. Sie wurde erst 1998 und zudem in der Schweiz erfunden. Seit 2006 ist sie Teil der Paralymics. Stéphanie ist aktuell im Nationalkader. «Sie ist mächtig stolz», erklärt Pierre mit Augenzwinkern. Konstantin ist als Reserve im Kader, auch Mélanie und Martin waren in früheren Jahren mit dabei.

Im November 2022 war das Nationalteam an der B-Weltmeisterschaft in Finnland, dieses Jahr soll der Aufstieg in die A-Gruppe gelingen. Das Ziel sind die Paralympics 2026 in Mailand-Cortina d’Ampezzo. Die meisten Spieler*innen sind berufstätig und organisieren sich die Zeit und bestenfalls noch das Sponsoring neben der Arbeit.

Gemeinsam zusammen

Die Spieler*innen im Rollstuhl – häufig einfach «Rollies» genannt, worauf auch der Name Rolling Stones anspielt – stossen den 20kg schweren Stein mit einem Stick (Stab) über die Eisbahn Richtung Haus (Ziel). Sie können den Stein auf seinem Weg ins Haus nicht wischen. Schon das gewohnte Curling ist ein Präzisionssport, doch immerhin lässt sich der Stein mit Wischen noch etwas beeinflussen. Erst recht ist Präzision deshalb beim Rollstuhl-Curling gefragt.

Die Teams spielen sowohl untereinander als auch gegen «normale» Teams. Ob dies einen Unterschied mache, will ich wissen. «Oh ja», kommt es von allen Seiten: «Wenn wir gegen Teams spielen, die den Stein auf seinem Weg ins Haus wischen, dann gibt das eine Fahrspur, die Steine laufen wie auf einer Schiene und ‚curlen‘ weniger», sagt Mélanie. Im Unterschied zum Rollstuhl-Curling ist es zudem erlaubt, die gegnerischen Steine ab einer gewissen Linie «aus dem Haus» zu wischen.

Manche Teams wischen auch die Steine der Rollstuhl-Curler*innen aus dem Haus, was umgekehrt nicht möglich ist. «Das ist unfair», meint Stéphanie. Konstantin ist anderer Meinung: «Viele Curler*innen sind beeindruckt, wenn sie gegen uns spielen, da wir so präzise sein müssen. Wenn sie unsere Steine wischen, zeigen sie, dass sie uns ernst nehmen und nicht verlieren möchten.» Und überhaupt: «Es ist cool wenn wir mit Fussgänger*innen spielen.»

Fussgänger*innen? So bezeichnen die Rollies die übrigen Curler*innen – das normale ist immer eine Frage der Perspektive! «Überall wird auf Differenz gemacht. Doch hier im Sport und im Club sind wir einfach akzeptiert, das ist es. Wir spielen nach den gleichen Regeln. Und nach dem Spiel setzen wir uns an einen runden Tisch, auch zusammen mit dem Gegner. Das wollen wir doch: gemeinsam zusammen sein.»

Als Team Bern-Gruyère steht im Februar die Schweizermeisterschaft im Rollstuhl-Curling in St. Gallen auf dem Programm. Konstantin und Stéphanie bestreiten Ende Januar die Schweizer Meisterschaften im mixed-doubles Rollstuhl-Curling. Für das Gewinner-Team geht es im März an die Weltmeisterschaft in Edmonton, Kanada. Im Curling wünscht man sich vor dem Spiel: guet Stei!

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Was tun? Altjahrsedition

von Redaktion Journal B 28. Dezember 2022

Die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr sind perfekt zum Entspannen. Wer trotzdem etwas Bewegung möchte, findet hier Tipps.

Letzten Frühling haben wir euch an dieser Stelle unsere sportlichen Empfehlungen für die Ostertage präsentiert. Die Feste zum Jahresende hin sind bekanntlich nicht weniger intensiv was Essen und Tischgespräche bis spätabends angeht. Da kann in der Altjahrswoche schon mal Bewegungsdrang aufkommen. Deshalb hier die B-Sport-Tipps um bei B-Darf in B-Wegung zu kommen.

Rundwanderung auf dem Längenberg

Wenn es bei uns in Bern noch trüb und bewölkt ist, scheint auf dem Längenberg oft schon die Sonne. Perfekt also, um sich eine Thermoskanne Tee sowie warme Kleider zu schnappen und eine aussichtsreiche Rundwanderung unter die Füsse zu nehmen. Die Wanderung ist von Bern aus gut mit dem öffentlichen Verkehr zu erreichen. Startpunkt ist die Postautohaltestelle Bütschel, Gschneit. Von da aus ist es nur ein kurzer Weg bis zur Tavelgedenkstätte. Das Denkmal ist dem Berner Mundartdichter Rudolf von Tavel (1866-1934) gewidmet, der in seinem Roman «ds verlorne Lied» diesen Ort als den schönsten im ganzen Bernerland bezeichnet hatte.

Wer hier eine Wanderpause einlegt, kann ihm nur recht geben, denn von der erhöhten Kuppe bietet sich ein fantastischer Blick über das Gürbetal, die Berner Alpen und den Thunersee. Weiter geht es durch den Rüeggisbergwald zum Weiler Baumgarten und von da an ansteigend vorbei am Weiler Lienthal bis zur Bütschelegg. Hier erwartet die Wandernden nochmals eine grandiose Aussicht bis ins Emmental und die Berner Alpen. Im Restaurant Bütschelegg kann ein Kaffee getrunken werden (donnerstags geschlossen), bevor es wieder zurück zur Haltestelle Gschneit geht.

Dauer: 3 ½ h, 345m Aufstieg und 345m Abstieg, genauere Informationen und Route zur Wanderung findet ihr hier.

Steinstrandnachmittage

Zugegeben, das Wetter ist für einmal wieder nicht besonders weihnachtlich. Statt Schnee und Eis erwarten uns Regen und Sonne bei bis zu 11 Grad in der Altjahrswoche. An Schlitteln ist da in der Stadt Bern leider nicht zu denken. Dagegen ist es genug warm, um den Nachmittag an einem der zahlreichen Steinstrände zu verbringen, die der winterliche Niedrigpegel der Aare entstehen lässt. Statt nur in der gemütlichen Stube zu sitzen, kann man sich hier ein wenig austoben: flache Steine übers Wasser springen lassen, die Jonglierbälle wieder einmal hervornehmen oder ein Kubb spielen! Dazu ein wärmendes Feuer und der Nachmittag geht viel zu schnell vorbei.

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Pingpongturnier

Was oft vergessen geht: überall in der Stadt Bern finden sich öffentliche Pingpongtische. Wetten, dass es auch von dir nur 5 Minuten zum nächsten ist? Wenn es so warm ist, dass schon fast die Handschuhe zuhause gelassen werden können, ist die perfekte Zeit, um ein winterliches Pingpongturnier zu veranstalten. Sei es als kurzer sportlicher Unterbruch während einem festlichen Familientreffen oder als Challenge mit deinen Freund*innen. Wem es draussen doch zu kalt ist: der Verein Center Court bietet mitten in der Altstadt Indoor Tischtennis-Räume an (1 Stunde 20 Fr.). An der Bar kann man Getränke holen und im Raum in voller Lautstärke seine Lieblingsmusik hören.

Tanzen

Es ist eine besinnliche Zeit, ja. Es häufen sich aber neben den vielen Festlichkeiten auch die Partys. Praktisch kein Ort, wo in diesen Tagen nicht die Feierwütigen nach den familiären Verpflichtungen zu ihrem Glück fänden.

Geeignet ist dieser B-Sport aber nicht nur für extrovertierte Clubgänger*innen. Allein daheim macht es mindestens gleich viel Spass. Etwa ein paar neue Dancemoves unter der Dusche austesten oder einfach schön zu Rock’n’Roll auf den dicken Wollsocken durch die eigene Küche rutschen. Ausprobieren lohnt sich.

Parkour

So ohne Schnee und bei grauem Himmel dürfte für viele ein Winterspaziergang nicht so das Wahre sein. Wieso den Spaziergang nicht etwas aufmotzen. Falls es trocken bleibt, ist das nämlich ideales Wetter für ein bisschen Parkour. Mit Trainerhose, Kaputzenpulli und Lernvideos (etwa jenen von Mobilesport) ausgerüstet, kriegen im Verlauf eines Nachmittags auch absolute Anfänger*innen einen spassigen Rundlauf zustande.

Stubenhocke

Sport macht nicht nur zum Selbermachen Spass, sondern auch zum Zuschauen. Glücklicherweise lässt sich beides kombinieren. Die Abfahrt von Bormio (Mittwoch, 11:30 Uhr) ist nämlich nicht nur ein schöner Klassiker, wer beim Zuschauen mit den Athleten in die Hocke geht und in die Kurven liegt, hat spätestens nach der Startnummer 10 brennende Oberschenkel. Für Angefressene gibt’s am nächsten Tag zur selben Zeit den Super-G obendrauf.

Sauna

Wer nach all dem schön ausgepowert ist, aber noch immer nicht richtig ins Schwitzen gekommen ist: Ab in die Sauna! Zum Beispiel im Lorrainebad. Zugegeben, die Heiss-Kalt-Wechsel gelten gemeinhin eher zur Gattung der Erholung. Aber mit dem Bademantel über die glatten Holzplanken tschirggen, um danach dampfend in die Aare zu gleiten, ist mitunter wohl das schönste, was es im Berner Winter zu tun gibt. Hardcore-Variante: So lange es geht, gegen die Flussstömung anschwimmen. An Ort und Stelle zu treiben, kann so vitalisierend sein. Und dann wieder rein in die Hitze.

Wütend hinschauen statt selbstgefällig ignorieren

von Noah Pilloud 30. November 2022

Überlegungen zur WM in Katar, fernab von moralisierten Gut-Schlecht-Rastern. Unser Autor boykottiert den Anlass nicht – und ist dennoch wütend.

Mir war in den Monaten vor der WM bewusst, dass mich das Fieber irgendwann packen wird. Ich verspürte keine Vorfreude, dachte sogar darüber nach, das Turnier zu boykottieren, wie viele andere. Das lag zum einen am Zeitpunkt – eine WM im Winter fühlt sich falsch an – zum anderen am Fakt, dass das Austragungsland ein ausbeuterisches, queerfeindliches, erdgasförderndes Land ist.

Doch ich wusste, dass ein kompletter Boykott unrealistisch und irgendwie heuchlerisch wäre. Ich habe sowohl die WM wie auch die Winterspiele in Russland geschaut, mein Lieblingsklub in der Premier League spielt im «Emirates Stadium» und die Champions League habe ich trotz des jahrelangen Hauptsponsors Gazprom immer verfolgt. Warum also plötzlich so tun, als könnte ich den Fussball deswegen nicht mehr geniessen.

Am Mittwochnachmittag ist es dann passiert. Deutschland bestritt das erste Gruppenspiel und ich fühlte mich wieder wie damals, 2010 als ich im weissen Trikot durch das halbe Städtchen lief, um bei meinem besten Freund die Spiele der DFB-Auswahl zu schauen.

Die Begeisterung, die ich damals für diese Mannschaft empfand, kam also beim Anstoss Deutschland-Japan wieder hoch. Wie bei jedem grossen Turnier. Und ja, trotz des 1-2 werde ich mir alle Spiele der Mannschaft anschauen, wie auch alle Spiele der Schweizer und vermutlich werde ich für die Dauer der WM mein Herz an ein Underdog-Team verlieren. Wie an jedem grossen Turnier.

Die FIFA zeigt einmal mehr, dass die Werte, mit denen sich der moderne Profimännerfussball gerne schmückt, leeres PR-Geschwätz sind.

Und doch ist diese WM nicht wie jedes andere grosse Turnier. Das Augenmerk ist zurecht auf die Arbeitsbedingungen beim Bau der Stadien, die Lage von Frauen, der LGBTQI+-Community und Gastarbeiter*innen in Katar sowie auf die ökologische Absurdität dieses Turniers gerichtet. Die FIFA zeigt einmal mehr, dass die Werte, mit denen sich der moderne Profimännerfussball gerne schmückt, leeres PR-Geschwätz sind. Das ist zwar nicht neu, aber diesmal unverschämt offensichtlich.

Ich kann das alles freilich nicht einfach ausschalten beim Fussball schauen. Das will ich auch nicht und habe ich bereits zuvor nie gemacht. Die Wut über manche Entwicklungen im modernen Fussball, über die kommerzielle Ausschlachtung sportlicher Grossereignisse und über das nationalistische Getue war immer Teil meines Fussballerlebnisses.

Diese Wut ist dieses Jahr bedeutend grösser. Zu Recht, wie ich finde. Doch mich macht etwas wütend, mit dem ich vor der WM nicht gerechnet hätte. Ich hatte und habe grosses Verständnis für alle, die das Turnier strikt boykottieren wollen. Ich bewundere diese Willenskraft. Und doch regt mich die Performativität dieses Aktes ungeheuerlich auf.

Diesen Kataris und dem ungebildeten, apolitischen Fussballpöbel haben wir es aber gezeigt

Fernsehmoderator*innen tragen Shirts mit Regenbogenaufdruck oder die von der FIFA «verbotene» One-Love-Captainbinde (die ohnehin schon mehr als ein Kompromiss darstellte) und werden dafür als mutige Widerstandskämpfer*innen gefeiert. Bravo tutti! Menschen, die sich den Rest des Jahres wohl für Fussball genauso wenig interessieren, wie für LGBTQI+-Rechte klopfen sich gegenseitig auf die Schultern, im Wissen, durch ihren Boykott zu den Guten zu gehören. «Diesen Kataris und dem ungebildeten, apolitischen Fussballpöbel haben wir es aber gezeigt», stimmen sie in den klassistischen und rassistischen Chor der kleinbürgerlichen Selbstbeweihräucherung ein.

Es ist gut, diesen Anlass zu nutzen, um auf Probleme und Missstände hinzuweisen. Sportler*innen und Medien sollen diese Bühne nutzen, um ein Zeichen zu setzen und ja, das darf meinetwegen performativ sein. Nur soll das nicht Anlass bieten, mit dem Finger auf andere zu zeigen, wenn er nicht mindestens genauso auf sich selbst gerichtet ist.

Warum sind geoutete aktive Spieler im Fussball noch immer eine Seltenheit? Wie sehen die Arbeitsbedingungen bei unseren Ausrüstern aus? Wie demokratisch und gerecht sind unsere Vereins- und Verbandsstrukturen? Wie viel wird bei uns in Frauenfussball investiert? Diesen Fragen könnten sich die Teams und Verbände endlich stellen, wenn sie die von ihnen propagierten Werte wirklich leben wollen.

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Statt der unsäglichen One-Love-Binde hätte es mich wirklich berührt, wenn auch nur eine der Mannschaften mit Trauerbinden in Gedenken an die Opfer von Colorado Springs aufgelaufen wäre. Ich würde all den Menschen ihr Engagement viel eher glauben, wenn sie sich der hasserfüllten Rhetorik gegen trans und nonbinäre Personen, die solche Angriffe begünstigt, im Alltag entgegenstellen würden.

Lasst uns über Gleichstellung, LQBTQI+-Rechte, Arbeitsbedingungen, Ökologie und Demokratie sprechen! Ganz ernsthaft und ohne den Drang, sich stetig gegenseitig vergewissern zu müssen, zu den Guten zu gehören. Lasst uns widerständig und mutig sein! Ganz ernsthaft und jenseits von Konsumentscheidungen. Das ist anstrengend, ich weiss. Wir können zum Entspannen ja ein Fussballspiel gucken.

Off broom!

von Janine Schneider 23. September 2022

Es ist eine Mischung aus drei Sportarten, kennt drei Geschlechter und existiert mittlerweile tatsächlich auch in der realen Welt: Quidditch. Ein Selbstversuch.

Ich stürme mit dem Quaffel übers Feld, direkt auf die drei Ringe zu. Schon möchte ich auf den mittleren zielen, da trifft mich ein Klatscher voll ins Gesicht. «Off broom!», schreit irgendwer – er meint mich. Schnell nehme ich den Besen zwischen den Beinen hervor, renne zurück zu den Ringen unseres Teams und berühre sie. Jetzt bin ich wieder im Spiel.

Es ist Freitagabend, Quidditch-Zeit. Ja, Quidditch, wie das Spiel aus den Harry-Potter-Büchern. Und ja, es gibt Besen in diesem Spiel, wenn sie zwar auch nicht zum Fliegen taugen – es sind kurze Plastikstöcke, die man sich zwischen die Beine klemmt. Und die verdammt unhandlich sind. Die anderen aus dem Team rennen mühelos mit diesen Sticks übers Feld, während ich immer wieder «vom Besen falle» und damit aus dem Spiel bin. Super. Als wäre das Spiel nicht schon kompliziert genug.

Ein Spiel im Entstehungsprozess

Quidditch – also Quidditch in der realen Welt – wurde 2005 von zwei Studenten am Middlebury College in Vermont entwickelt. Das Regelwerk umfasst 200 Seiten. «Alleine vierzig davon behandeln die Aufstellung, achtzig die Körperkontaktregeln», erzählt mir Alain, als wir zum Spielfeld laufen. Der Stolz des Insiders outet ihn sogleich als einen der beiden Gründer des Berner Quidditchteams, Berner Boggarts, wie sie sich nennen. «Alle zwei Jahre werden die Regeln überarbeitet», fügt er hinzu.

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Quidditch – ein Spiel im Entstehungsprozess. Seit Beginn hat es sich schon dutzende Male verändert. So wurde aus dem ovalen Spielfeld ein rechteckiges (einfacher zu finden in unserer Welt), aus den echten Besen Plastikstäbe (weniger Unfälle) und auch der Schnatz darf sich mittlerweile nur noch im Spielfeld selbst aufhalten (offenbar sei einmal einer in die U-Bahn entwischt).

Das Spiel besteht aus einer einzigartigen Mischung aus Rugby, Handball und Völkerball. Einerseits gibt es Chaser, die versuchen, den Quaffel (einen Volley-Ball) durch einen der Ringe zu kriegen. Das gibt 10 Punkte. Dann gibt es Beater, die mit Klatschern (graue Dodgebälle) andere Spieler*innen ausschalten, indem sie sie treffen und sozusagen «vom Besen hauen». Und dann gibt es noch den Schnatz. Der ist nicht klein und goldig und kann auch nicht fliegen. Es ist eine parteilose Person, die eine gelbe Hose mit einem daran befestigten Tennisball trägt. Aufgabe der Seeker ist es, den Tennisball abzureissen. Erst dann endet das Spiel.

Spätestens wenn es um den Schnatz geht, ist Quidditch nämlich ein richtiger Vollkontaktsport.

Ein queerer Sport

Nach dem Training demonstrieren Vincent und Alain, wie ich mir das vorzustellen habe. Vincent hat die Berner Boggarts zusammen mit Alain gegründet und leitet die Trainings. Er erinnert mich ein bisschen an Oliver Wood, den Quidditch-Kapitän von Gryffindor – sehr engagiert und immer mit neuen Spieltaktiken zur Stelle.

Alain zieht sich die gelbe Hose mit dem Schnatz über, Vincent spielt nun den Seeker. Seine Aufgabe hört sich simpel an, aber die Ausführung ist gar nicht so einfach. Denn der Schnatz hat keinen Besen als Handicap und darf alles. Er darf die andere Person festhalten, er darf ihr den Besen wegnehmen, er darf sich mit Hand und Füssen zur Wehr setzen. Spätestens wenn es um den Schnatz geht, ist Quidditch nämlich ein richtiger Vollkontaktsport.

Bemerkenswert dabei: Quidditch ist der einzige gemischtgeschlechtliche Vollkontaktsport, den es gibt. Und noch dazu die einzige Sportart, die gleich alle Geschlechter berücksichtigt: Frauen, Männer, non-binär. Auf dem Spielfeld dürfen nie mehr als vier Leute desselben Geschlechts stehen.

Durch diese einzigartige Regelung finden hier auch viele Menschen einen Platz, den sie in anderen Sportarten nicht finden. Viele spielen Quidditch deshalb auch, weil sie sich in dieser Community sehr wohl fühlen. «Dann gibt es noch die Harry Potter Fans, die meinen, wir wären ein blosser Fansport», fügt Alain hinzu, «die bleiben meistens am wenigsten lange. Und dann gibt es die, die den Sport an sich einfach toll finden.» – «So wie wir», ergänzt Vincent. Die Berner Boggarts unterscheiden sich von den anderen Schweizer Teams wohl am meisten dadurch, dass bei ihnen mehr der Sport als die Community im Zentrum steht.

Herausfordernd und zunehmend professionell

In der Schweiz ist Quidditch bisher eine Randsportart, die vor allem in kleinen Vereinen betrieben wird. International professionalisiert sich der Sport aber langsam, vor allem in den USA, woher man schon Gerüchte darüber hört, dass erste Spieler*innen Stipendien an amerikanischen Universitäten erhalten könnten. Von bezahlten Spieler*innen spricht zwar noch niemand, aber offiziell wurde der Name schon von «Quidditch» zu «Quadball» geändert. Das Problem mit «Quidditch» war nämlich, dass es eine von Warner Bros geschützte Bezeichnung ist. Werbung konnte damit dementsprechend nur schwer gemacht werden.

Es geht gegen neun Uhr zu, wir setzen zum letzten Angriff an. Das Besenproblem habe ich zwar noch nicht gelöst, auch mit den verschiedenen Bällen bin ich noch immer etwas überfordert. Immerhin habe ich zumindest begriffen, wie das Spiel als Chaser funktioniert. Und ich muss zugeben: Langsam, aber sicher beginnt es mir Spass zu machen.

Der Besen zwischen den Beinen mag gewöhnungsbedürftig aussehen, doch Quidditch ist ein komplexer, herausfordernder Sport. (Bild: zvg)

Zwei Jungs, die gekommen sind, um mit ihren Footbags zu jonglieren, stehen am Spielrand und schauen uns ungläubig zu, wie wir mit den Besen übers Spielfeld rennen. «Spielt doch auch mit!», ruft ihnen Ben zu, einer der Chaser aus meinem Team. «Wir werden oft belächelt», bestätigt Alain nach dem Training, als wir uns alle mit einem Eis der Gelateria di Berna abkühlen, «Die Leute machen sich lustig. Bis sie dann mal mitspielen und merken, wie komplex und herausfordernd der Sport ist.»

Eine Entwicklung ist klar erkennbar: Quidditch etabliert sich zunehmend als eine Sportart unter vielen. Vielleicht werden bald einmal Spieler*innen bezahlt werden, um den Quaffel durch die Ringe zu kriegen. Vielleicht wird einmal Irland in der echten Welt gegen Bulgarien spielen und gewinnen. Vielleicht wird irgendwann in ferner Zukunft in Vergessenheit geraten sein, dass es «Harry Potter» gab. Vielleicht wird dann nur noch das Spiel mit dem seltsamen Namen übrigbleiben. Vielleicht. Eines aber ist sicher: Ich werde morgen Muskelkater haben.

Rollenwechsel im Salsa

von David Fürst 2. August 2022

Mann führt und Frau folgt. Eine Rollenverteilung die in vielen Paartänzen gelebt wird. Moe und Alain, folgten diesem Muster auch lange, bis sie sich entschieden haben, dass Rollenwechsel und ein kritischer Blick auf Geschlechterklischees den Tanz inklusiver und diverser machen kann. Mit ihrem Konzept Roleswapping versuchen die beiden Tänzer*innen etwas zu verändern.

Wer seid ihr?

Moe: Ich bin 31-jährig Kindergärtnerin, Tanzlehrerin und Choreographin. Mit Alain tanze ich seit 2015 gemeinsam.

Alain: Mein Name ist Alain und ich tanze seit 2000 verschiedene Salsastile und liebe die Verbindung zwischen den Tanzenden und der Musik.

Was ist Roleswapping?

Moe: Das Konzept Roleswapping versucht im Tanz die klaren Rollenzuschreibungen «führende» und «folgende» Person aufzubrechen. Während getanzt wird, können so die Rollen fliessend gewechselt werden. Beim Salsa, wo traditionell meistens der Mann führt, würde die Frau die Führung übernehmen und der Mann würde folgen und wieder umgekehrt hin und her wechseln. Immer die folgende Person übernimmt die Führung. Dies fördert die Aufmerksamkeit und Sensibilität gegenüber der anderen Person, was ich im Salsa doch ab und zu vermisse.

Wieso ist es euch wichtig, dass Rollen geändert werden?

Moe: Nach über einem Jahrzehnt Erfahrung in der Salsatanzszene störte mich diese klaren Stereotypen immer mehr. In den letzten zwei Jahren haben Alain und ich uns zunehmend mit gesellschaftlichen Themen wie Rassismus und Sexismus auseinandergesetzt. Dabei entstand auch der Wunsch in unserer Tanz-Szene was verändern zu wollen. Menschen sollten unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität ihren Platz im Salsatanz finden und die Rolle tanzen können, in welcher sie sich wohl fühlen.

Alain: Momentan ist es leider so, dass es nicht «normal»  ist, wenn ein Mann einen anderen Mann zum Tanz auffordert, dass finde ich schade. Durch das Lernen der «folgenden» Rolle im Tanzen, konnte ich mich auch weiterentwickeln.

Moe: Gerade für Frauen, kann es an einer Salsaparty frustrierend sein, wenn sie nicht zum Tanz aufgefordert werden. Durch das Roleswapping können sie dann flexibel den «führenden» oder den «folgenden» Part im Tanz einnehmen und sind nicht mehr von führenden Personen abhängig.

Wie seid ihr auf das Thema gekommen?

Moe: Mein Bruder ist queer und hatte null Prozent Lust in die Salsaszene einzutauschen, da Geschlechterstereotype und Heteronormativität zementiert werden. Da fast nur heterosexuelle Pärchen Tanzen, fand er, dass es hier wohl kein Platz für queere Menschen hat. Dies hat mich berührt und auch motiviert, etwas zu ändern. Wenn wir einen neuen Kurs mit unseren Schüler*innen beginnen, fragen wir bei der ersten Lektion, wer führen (leaden) und wer folgen (followen) möchte. So passiert es oft, dass Menschen neue Rollen ausprobieren.

Habt ihr das Gefühl, dass Salsa ein Tanz ist für Menschen, die starre Rollenbilder haben oder diese traditionellen Rollenzuschreibungen suchen?

Alain: Das ist eine schwierige Frage. Es gibt sicher beides. Viele Salser*os haben Freude an der Musik und Freude am sich bewegen. Es gibt sicher auch Menschen, die diese Rollen suchen. Salsa ist auch ein Paartanz der heteronormativ geprägt ist. Es ist ein traditioneller Flirttanzt zwischen den Geschlechtern. Die Frau präsentiert sich, lernt sich sexy zu fühlen und der Mann kann führen und so auch seine männliche Seite zeigen. In der Schweiz sind wir ja nicht mit Salsa aufgewachsen, sondern lernen diese Rollen, lernen unsern Körper zu bewegen. Diese Bewegungen werden in den Salsastunden auch in Kursen für Männer, Menstyling und in Kursen für Frauen Ladystyling aufgeteilt. Wenn diese Rollen frei gewählt sind und es auch anders möglich ist, ist dagegen nichts einzuwenden. So kommt es vor, dass die Menschen nicht traditionell vorgesehene Rollen einnehmen.

Wollen Salseros und Salseras auch Rollenwechseln, bzw. ist die Salsaszene bereit für euer Konzept?

Moe: Ja. Viele Menschen sind sehr offen neues zu lernen, sonst hätten sie ja auch nicht mit Salsa angefangen (lacht). Es gibt einige die reagieren überrascht über das Konzept, dass die Rollen während dem Tanz getauscht werden, lassen sich aber darauf ein und haben Spass daran. Es ist uns wichtig, dass follower sein nicht bedeutet feminin zu tanzen und leaden etwas mit einer männlichen Rolle zu tun hat. Es geht darum den individuellen Ausdruck zu erkunden, neues auszuprobieren, dabei kann Roleswapping sehr hilfreich sein.

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Wie ist es als Mann, bzw. als Frau die Rolle zu ändern?

Alain: Ich habe schon früher, bevor ich das Konzept Roleswapping kennengelernt habe die Rollen gewechselt. Als Tanzlehrer muss man dies sowieso können. Jedoch habe ich, wenn ich die Rolle der Frau eingenommen habe, immer versucht besonders feminin zu tanzen und dies mit einem ironischen Lächeln begleitet. Dies würde ich heute nicht mehr tun, es war wohl Ausdruck meiner Unsicherheit über diese neue ungewohnte Rolle. Heue finde ich es superschön die Rollen zu wechseln und genau zu spüren, was mein Gegenüber möchte und mich so zu verbinden.

Moe: In meinem Salsastil, wo ich zuhause bin (New York Style on2), reagiert man als «Follower» im besten Fall auf eine fast reine Zeichensprache und lässt sich nicht in eine Figur/Drehung drücken/ziehen. Ich muss also in jedem Moment aufmerksam sein und entsprechend reagieren. Wenn ich müde bin, bevorzuge ich die Rolle des «Leaders», da ich im Prinzip nur Abläufe führen muss und auch nicht so viel drehen muss. Auf einem hohen Level zu führen, d.h. inkl. musikalische Interpretation, ist das natürlich wieder eine andere Geschichte. Für mich bedeutet es in jedem Fall eine Bereicherung, beide Rollen zu beherrschen. Es macht mich unabhängig und selbstbewusst und noch differenzierter in der jeweils anderen Rolle, da ich weiss, wieviel Kraft sich angenehm anfühlt, egal ob als «Follower» oder «Leader.»

Was wünscht ihr euch für die Tanzszene?

Offenheit. Respekt. Toleranz. Keine Diskriminierung. Kein Rassismus. Kein Sexismus.

So war das «Reitgenössische»

von Rahel Schaad & Maurin Baumann 14. Juli 2022

Am vergangenen Samstag fand das im Vorfeld viel diskutierte «Reitgenössische Schwingfest» in der Reitschule statt. Journal B war vor Ort – Eindrücke von einem ungewöhnlichen Anlass.

Um 14 Uhr ist das Schwingfest bereits gut besucht. Der Innenhof hat sich in eine halbrunde Tribüne verwandelt. Die Besuchenden trinken «Haubeli» Weisswein, essen eine Wurst vom Restaurant Sous le Pont oder marokkanische Gerichte vom Medina-Stand. Die Stimmung ist aufgestellt, gemütlich, ja locker. Das Geschehen im Sägemehl wird aber gespannt verfolgt.

Gerade steigen zwei neue Kämpfer in den Kreis, geben sich die Hand, greifen sich an die Hosen. Für beide ist es das erste Mal im Sägemehlkreis, der Kampf dauert rund eine halbe Minute. Das Publikum klatscht. Beide stehen lachend auf, geben sich die Hand, der Gewinner klopft dem Verlierer das Sägemehl vom Rücken. Der nächste Kampf dauert etwas länger. Bei spannenden Würfen geht ein anerkennendes Raunen durchs Publikum.

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Ein Grossteil der Zuschauenden stammt aus dem Reitschulumfeld. Für viele ist es das erste Mal an einem Schwingfest. «Es ist mega schön», findet eine Besucherin, «ich kenne mich zwar nicht aus mit dem Schwingen, aber es fägt zuzuschauen.» Für einige scheint das Fest auch ein bisschen eine Mottoparty zu sein. Sie haben Edelweisshemden angezogen und verfolgen das Geschehen mit einer «Krummen» im Mundwinkel.

Kranzschwinger im Publikum

Im Publikum sind aber auch einige, die man vielleicht eher nicht in der Reitschule vermuten würde. Einer von ihnen steigt sogar gleich selbst ins Sägemehl: Tom Berger, der Co-Fraktionspräsident der Stadtberner FDP. Auch er gibt am «Reitgenössischen» sein Schwing-Debüt. Und er schlägt sich gut: Er qualifiziert sich für den kleinen Final, muss sich dort aber geschlagen geben. «Ich verfolge den Schwingsport schon seit längerem intensiv», wird Berger später auf Anfrage sagen. «Entsprechend hat es mich stets ein wenig ‘geguselt’, das ich selber noch nie geschwungen habe». Das «Reitgenössische», das auch Amateur*innen die Möglichkeit bietet, sich im Sägemehl zu messen, sei dafür die perfekte Gelegenheit gewesen.

Zu Bergers Freude traf er am alternativen Schwingfest gleich auf mehrere Kranzschwinger, darunter Hanspeter Luginbühl, den Berger schon oft an Schwingfesten sah. Ins Gespräch kommen die beiden aber nun zum ersten Mal in der Reitschule. Die «echten» Schwinger hätten den Anlass unter anderem in der Agenda des «Schweizer Bauer» entdeckt, waren neugierig und verschafften sich selbst ein Bild, erzählt Berger. Laut ihm hätten sie den Anlass, wie er selbst auch, positiv aufgefasst.

Wer die Infotafeln mit den Texten nicht liest, wird eigentlich nicht unbedingt zur Reflexion angeregt.

Durchgehend positiv? Nicht ganz. Die inhaltlichen Tafeln, mit denen sich das «Reitgenössische» von gewissen Konnotationen des traditionellen Schwingens abgrenzt, teilt Berger nicht zu hundert Prozent. «Es wurde teilweise das Gefühl suggeriert, die ganze Schwing-Schweiz sei nur durch die SVP geprägt», so Berger. Dies entspräche aber nicht seinen Erfahrungen. Andere Statements der Organisator*innen, etwa, dass der Stadt-Land-Graben konstruiert sei, teilt Berger hingegen. «Ich finde es schade, dass diese vermeintliche Trennung beidseits des politischen Spektrums befeuert wird.» Beim «Reitgenössischen» habe man das beobachten können: Im Vorfeld hätten einige eher das Trennende statt das Verbindende gesucht. Zumindest für Berger passt das Schwingen «wunderbar» in die Reitschule und er hofft sehr, dass der Anlass wiederholt wird.

Leichte Kritik kommt auch aus den internen Reihen der Reitschule. So wird etwa bedauert, dass nur Männer kämpfen würden. Gemäss den Idealen des OK war das bestimmt nicht so gewollt. Doch haben sich auf die offene Ausschreibung offenbar nur Männer gemeldet.

Eine Reitschülerin hätte sich ausserdem noch mehr offensichtlich politische Positionierung gewünscht. «Es war schon sehr traditionell. Wer die Infotafeln mit den Texten nicht liest, wird eigentlich nicht unbedingt zur Reflexion über das Schwingen und seine Bedeutung angeregt.» Alles in allem fallen die Kommentare zum Anlass aber sehr positiv aus.

Am selben Tag die Regeln gelernt

«It was superfun», schwärmt am Montag danach auch Ishmael Asoka Rajuai, der Gewinner des «Reitgenössischen». Der aus Kenia kommende Boxer machte mit seiner Freundin drei Wochen Ferien in der Schweiz. Als ihn seine Freundin drei Wochen zuvor auf das Amateurschwingen in der Reitschule hinwies, meldete er sich sofort an. «Nur zum Spass – ich stellte es mir lustig vor ‘Swiss Wrestling’ auszuprobieren», erzählt er später gegenüber Journal B am Telefon. Also habe er auf Youtube nach Schwing-Videos und Erklärungen im Internet gesucht. «Als ich am Samstagmorgen aufgestanden bin, habe ich noch immer nicht gewusst, wie das eigentlich geht.» Zum Glück habe der Schiedsrichter am Anfang nochmal die Regeln erklärt, die ihm dann jemand auf Englisch übersetzt habe.

Es ist ein aussergewöhnliches Zusammenkommen an diesem Samstag in der Berner Reitschule; es ist tatsächlich, so schief dieses Wort klingen mag, ein Volksfest.

Am Anfang sei er noch etwas ängstlich und nervös gewesen, sagt Rajuai. Im ersten Kampf musste er denn auch gleich eine Niederlage einstecken. Danach entspannte er sich und gewann von da an jede Runde, was er selbst nicht ganz glauben konnte, wie er sagt. Im Gegensatz zum Boxen sei es hier beim Schwingen vielmehr um den Spass gegangen. Was ihm vor allem gefallen habe, sei der respektvolle Umgang gewesen. «Dass der Gewinner dem Verlierer den Rücken abklopft, finde ich eine sehr schöne Regel.» Vielleicht werde er das «Swiss Wrestling» ja mal in Kenia vorstellen, sagt Rajuai zum Schluss des Gesprächs lachend.

Ein Ring, offen für alle

Mit dem Final um 17 Uhr endet das Turnier einige Stunden früher als geplant. Das Amateur-Niveau führte zu durchschnittlich kürzeren Kämpfen, als das OK dies abgeschätzt hatte. Was folgt, ist eine spontan wirkende offene Runde: Alle, die wollen, dürfen mal ins Sägemehl. Die Stimmung ist ausgelassen. Überall lachende Gesichter, immer mehr Menschen, die sich im Innenhof tummeln, sind schliesslich selbst voller Sägemehl. Die Kämpfe werden englischsprachig kommentiert und der Speaker hatte vor diesem Anlass ganz offenkundig keine Ahnung, was das für ein Sport ist. Es ist keine Demo, es ist keine Party – es ist ein aussergewöhnliches Zusammenkommen an diesem Samstag in der Berner Reitschule; es ist tatsächlich, so schief dieses Wort klingen mag, ein Volksfest.

Untermalt wird das Ganze durch ein musikalisches Rahmenprogramm. Mal erklingt eine Hackbretteinlage, nach dem Finale spielen die «Krummen Junioren» – eine Mischung zwischen Ländler-Trio und Tomazobi. Und schliesslich kommt mit einigen Eurodance-Hits die Afterparty in der grossen Halle in Gang.

Nach der Party ist vor dem Zmorgä

Fünf Uhr morgens treffen wir einen Teil des OK-Teams am Eingang der grossen Halle. Die Stimmung ist gut, es werden Sprüche geklopft, aber auch Schlafmangel und Erschöpfung machen sich langsam bemerkbar. Kurz werden die nächsten Stunden durchgegangen: Um 5 Uhr Ende der Party, dann aufräumen, wischen. Danach geht’s weiter mit dem «Bürinnäzmorge». Um 8 Uhr beginnen dafür die Vorbereitungen. Wird es bis dahin für zwei Stunden Schlaf reichen? «Ich glaube, nach diesem Wochenende habe ich ein Burn-Out», sagt Leon*. «Aber es hat sich gelohnt – auch finanziell.» Das eingenommene Geld wird an Medina und an das Solinetz Bern gespendet.

Als die letzten Personen aus der Halle rausgeworfen werden müssen, verabschieden wir uns. Gibts wieder ein Schwingfest? Die Frage in dieser sonntäglichen Morgendämmerung ist zu früh gestellt. In den Köpfen der Organisator*innen drehen sich die Gedanken beim Aufräumen noch um den bevorstehenden Brunch. Zumindest für sie ist das «Reitgenössiche» noch in vollem Gang. Um 14 Uhr ist die Grosse Halle wieder sauber abzugeben. Und das Sägemehl muss auch wieder verschwinden.

Wo der Fussball noch politisch ist

von Noah Pilloud 4. Juli 2022

Letzten Samstag fanden sich 24 Teams zusammen, um gemeinsam die Freude Fussball zu teilen und ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Beides ist ihnen gelungen.

Die Gewitter der vorderen Nächte haben an diesem Samstagmorgen noch etwas kühle Luft dagelassen. Das kommt den Fussballer*innen auf dem Rasen des Schulhauses Köniz-Buchsee gelegen. So haben sie zumindest beim Einspielen angenehme Temperaturen, heiss wird es an diesem Tag noch früh und lange genug werden.

Was auf den ersten Blick aussieht wie ein gewöhnliches Grümpi – hier das Zelt mit dem Bierstand, gegenüber sorgt der Grillmeister bereits für ordentlich Glut, daneben stehen die Festbänke – ist in Tat und Wahrheit Berns schönstes Fussballfest: der Antiracup.

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Dass hier die politische Haltung genauso wichtig ist, wie die Freude am Fussball verrät der zweite Blick: Unter den Zapfhähnen wehen Pride- und Anarchoflaggen, die Bratwürste (tierische und vegane) werden vom Verein «Gemeinsam gegen Rassismus» verkauft und die Teams tragen Namen wie «Antinationale Milano», «Schibätätscherinne» oder «Allgemeiner Club für Alternativen Ballsport» (kurz ACAB).

Eine 25-jährige Tradition

Für die Mitgründerin Anna ist der Antiracup in erster Linie ein Spassturnier, im Zentrum sollen die Freude am Spiel und die politische Botschaft stehen. «Wir ermutigen die Leute jedes Jahr, möglichst durchmischte Teams aufzustellen», erklärt Anna «als Faustregel gilt zudem: Es stehen maximal zwei Spieler*innen mit einer SfV-Lizenz gleichzeitig auf dem Spielfeld». Kontrolliert werde das nicht, das wäre zu aufwendig und entspreche nicht dem Geist des Turniers. «In der Regel klappt das aber gut von selbst», meint Angi, die zweite der beiden Gründerinnen des Antiracup Bern.

Die Fahnen verraten: Hier schliessen sich Fussball und politische Haltung nicht aus. (Foto: Noah Pilloud)

Die Idee hatten die beiden 2015, damals gab es in der Schweiz bereits Antira-Turniere in Solothurn und im Wallis. Der Grundgedanke solcher antirassistischen Fussballturniere geht auf die «Monidali Antirazzisti» zurück. Dieses Fussballfest findet seit 1997 jährlich in der Nähe von Bologna statt und hat Ableger in der ganzen Welt.

Die einzelnen Turniere in der Schweiz sind gut untereinander vernetzt. So stellen die Organisator*innen jeweils an den anderen Turnieren ein eigenes Team – letzten Samstag war Solothurn mit Soletta in Bern vertreten – und im Oktober findet das gemeinsame Antira-Festival statt.

Klarkommen ohne Schiri

In der Zwischenzeit steht die Sonne schon hoch am Himmel und wer nicht gerade spielt, hält sich im Schatten auf. Die Gruppenphase ist um und die verbleibenden Teams treten in den Achtelfinals gegeneinander an. Obwohl es nun ums Weiterkommen oder Ausscheiden geht, bleibt die Stimmung auf dem Platz mehrheitlich freundschaftlich.

Das funktioniert interessanterweise ganz ohne Schiedsrichter*innen. «Das ist eine bewusste Entscheidung», sagt Anna. Die Spielenden sollen untereinander für Fairness und die Einhaltung der Regeln sorgen. Der Blick auf die Spielfelder zeigt: Das klappt ganz gut. Bei klaren Fouls oder Handspielen wird ein Freistoss ausgeführt, ab und an gibt es kurze Diskussionen. Nur bei einem der Spiele scheint die Stimmung kurzzeitig etwas zu kippen, beruhigt sich aber schnell wieder.

Und wenn Unstimmigkeiten doch eskalieren? Dafür stehen die Spielleiter*innen am Spielfeldrand. Im Normalfall sorgen sie dafür, dass bei Anpfiff alle Teams bereit sind und zählen die Tore. Nötigenfalls würden sie aber auch einschreiten und eine Partie unterbrechen.

Die diesjährigen Sieger: der International Footbal Club of Berne. (Foto: Noah Pilloud)

Soweit kommt es an jenem Samstag aber nicht, entsprechend gut gelaunt ist das Publikum als sich die Finalist*innen auf ihre Positionen begeben. Die Affiche lautet «International Football Club of Berne» gegen «Antinationale Milano». Das Finale bringt das Turnier mit einem ansprechenden Spiel zum würdigen Abschluss.

Am Ende vermag der Internationalismus gegenüber dem Antinationalismus (zumindest fussballerisch) mehr zu überzeugen: Der alternativliga-erprobte IFC gewinnt das Finale und somit den Antiracup Bern 2022. Für mich lautet die Bilanz: Schönes, antirassistisches Fussballfest mit vielen tollen Menschen, angenehm kühlem Bier und etwas zu wenig Sonnencrème. Und wer weiss, vielleicht tritt beim nächsten Antiracup Werder B-Sport an.

Der Sport, der keine Hindernisse kennt

von Maurin Baumann 17. Juni 2022

Halsbrecherische Sprünge und filmreife Verfolgungsjagden. Wer auf Youtube nach dem Stichwort «Parkour» sucht und nicht ganz schwindelfrei ist, verspürt möglicherweise ein leichtes Kribbeln in der Magengegend. Letzten Sonntag war der Sport, der gerade stark im Trend liegt, auf der Schützenmatte zu Gast.

Halsbrecherische Sprünge und filmreife Verfolgungsjagden. Wer auf Youtube nach dem Stichwort «Parkour» sucht und nicht ganz schwindelfrei ist, verspürt möglicherweise ein leichtes Kribbeln bei den vorgeführten Stunts in den angezeigten Videos.

Parkour – für mich war das immer James Bond; Daniel Craig, der in der Anfangsszene von Casino Royale einen Schurken durch die Bahamas jagt, über jedes erdenkliche Hindernis; vom Gerüst einer Baustelle bis zu einem Sprung zwischen zwei Kränen bis zu einer beinahe obligatorischen Explosion.

Gefühlte tausend Mal habe ich als Kind die inszenierte Flucht auf meiner portablen Playstation angeschaut. Auf demselben Gerät kletterte und sprang ich später als Attentäter über die Dächer von Florenz und Venedig. Und hätte ich keine Höhenangst, so hätte wohl auch ich mich in der urbanen Hindernis-Sportart versucht.

«Diese ‘Vorstellungen’ von Parkour sind sehr dominant», sagt Arvo Losinger, Geschäftsführer von ParkourOne Schweiz und Parkour-Schüler der ersten Stunde, als ich ihm das alles erzähle. Die Sonne schlägt hart auf den Asphalt der Schützenmatte. Hier hat vergangenes Wochenende ein grosses Parkour-Festival stattgefunden. Und er habe selber Höhenangst, gesteht Losinger. Schwer zu glauben, wenn man Losinger in Videos gekonnt klettern, rollen und präzise landen sieht.

Während wir sprechen, springen Jugendliche, Kinder und Erwachsene über eigens dafür aufgestellte Holzkuben oder schwingen sich durch Gerüste. Die Manöver sehen teils gefährlich, aber auch immer sehr kontrolliert aus. Parkour sei zwar gewissermassen eine Flucht-Sportart, erklärt Losinger. Doch das stehe hier nicht im Fokus, sowie auch Wettbewerb und Konkurrenz bei ParkourOne nach dem Bildungsmodell TRUST Education keine Rolle spielen sollten.

Um was geht es dann? «Um Gemeinschaft», sagt später Roger Widmer, Parkour-Pionier und Gründer von ParkourOne Schweiz, als einige Besuchende im Kreis für eine Führung zusammengekommen sind. Der gelernte Goldschmied, Lehrer für Gestaltung und Kunst und Erwachsenenbildner aus Münsingen spricht von «ganzheitlicher Bildung», von «multidimensionalem Lernen» und «Persönlichkeitsentwicklung». Sich selber einschätzen zu lernen, Ziele zu formulieren und diese dann auch umzusetzen – dies alles könne Parkour leisten. Auch das man Fehler in der Regel schmerzlich direkt am eigenen Körper spüre, könne diesbezüglich hilfreich sein.

Parkour, so merkt man, ist für viele hier nicht bloss Sport – sondern eine Lebensschule. Eigens dafür hat Widmer TRUST Education gegründet, der die zugrundeliegenden Werte in ein holistisches Bildungsmodell übersetzt. Dieser Verein ermöglicht es laut Widmer, das Ideelle ins Zentrum zu stellen. Denn ParkourOne Schweiz wurde als GmbH gegründet, womit gewisse Systemzwänge verbunden sind. So will die Firma ihren Klassenleiter*innen einen fairen Lohn bezahlen.

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Die Parkour-Stunden, die schweizweit angeboten werden, sind deswegen nicht gerade günstig. Über 120 Franken pro Monat bezahlt man für zwei Trainings pro Woche. Das sei zwar relativ teuer, sagt Geschäftsführer Losinger. Im Vergleich zu anderen Angeboten wie etwa Tanzlektionen sei Parkour jedoch noch unterdurchschnittlich teuer. ParkourOne-Gründer Widmer relativiert: «Auf die angebotene Stunde macht das 8 Franken.» Für diesen Betrag finde man nichts Vergleichbares.

ParkourOne will niemanden ausschliessen. So lautet die Devise ganz getreu Parkour-Idealen: Es gibt keine unüberwindbaren Hindernisse. Auch finanziell finde sich jeweils eine Lösung, sagt Losinger. Als Beispiel nennt er einen jungen Asylsuchenden, der bei ihm trainiert und nichts dafür bezahlen muss. Losinger verweist hierbei auf den minimalen Betrag, den Asylsuchende in der Schweiz erhalten.

Ein grösseres Hindernis könnte hingegen sein, überhaupt einen Platz in einer Klasse zu finden. Denn eines ist klar: Der Parkour-Hype ist ungebrochen. Beim Wankdorf baut die Stadt deshalb in Zusammenarbeit mit ParkourOne eine Anlage für den akrobatischen Sport. An Schüler*innen fehle es keineswegs, meint auch Losinger. Eher an Instructors: «Ich könnte nach wie vor weitere Klassen öffnen, wenn ich dafür die Leiter*innen hätte».

«Mehr Sichtbarkeit für die Fussball-EM 2022 der Frauen»

von RaBe Info 8. Juni 2022

In Bern engagiert sich ein junges, feministisches Kollektiv für mehr Sichtbarkeit der Fussball-Europameisterschaft der Frauen.

Die Spiele der Fussball-EM der Frauen finden vom 6. bis 31. Juli 2022 in England statt, die Schweizerinnen haben sich auch dafür qualifiziert. Doch anders als bei den Männern, hält sich die Fussballeuphorie in der Öffentlichkeit noch in Grenzen, auch die Berichterstattung fällt im Vergleich mit den Männern dürftig aus. Das will das Kollektiv ändern.

Lisa Pfaffen und Deborah Kagerbauer sind Teil dieser Gruppe und erklären, weshalb sie sich für mehr Sichtbarkeit der Fussball-EM der Frauen engagieren und was konkret sie dafür tun. Monika Hofmann hat mit ihnen gesprochen.

«Wir wollen Botschafter der Sportart Futsal sein»

von Nicolas Eggen 16. Mai 2022

Futsal Minerva ist zum fünften Mal Schweizermeister. Die Berner Mannschaft kann gegen Geneva Futsal die Playoff-Finalserie klar für sich entscheiden und ihre Stellung als erfolgreichster Futsalverein der Schweiz zementieren. Somit kommt dieses Jahr doch noch ein Titel nach Bern.

Die Vorfreude in der Sporthalle Weissenstein ist an diesem Samstagabend Ende April förmlich mit den Händen zu greifen. Emsig werden die letzten Vorbereitungen getroffen vor dem letzten Showdown der Saison. Aus den Lautsprechern dröhnt laute Musik während sich die Spieler beider Mannschaften für das grosse Spiel vorbereiten.

Empfangen werde ich vor dem Spiel von Marc Loner, Vorstandsmitglied und selber auch Spieler der 2. Mannschaft. «Eines unserer grössten Ziele ist es, Futsal als Sportart in der Schweiz bekannter zu machen», erklärt Marc vor dem Spiel. Sie seien nun gerade an der Schwelle zur Semiprofessionalität, momentan spielen noch alle Spieler der 1. Mannschaft ehrenamtlich.

Das soll sich aber in absehbarer Zeit ändern, die Spieler sollen einen finanziellen Beitrag vom Verein erhalten und somit mehr Zeit in Trainings und Regeneration investieren können. Dies soll dank des breiten Sponsorennetzwerks möglich werden, das sich Futsal Minerva in den letzten Jahren kontinuierlich aufgebaut hat.

Internationale Partnerschaft

Der Erfolg von Minerva basiert zu einem grossen Teil auch auf der internationalen Ausrichtung des Vereins. So wurde die 1. Mannschaft mit verschiedenen internationalen Topspielern, beispielsweise aus Portugal, ergänzt. «Einer hat schon viele Spiele mit der Portugiesischen Nationalmannschaft absolviert, ein anderer stand schon drei Mal im Finale der Uefa Futsal Champions League, dem Pendant zur Champions League im Fussball», erzählt Marc stolz. Der Verein organisiert den transferierten Spielern eine Arbeit und eine Wohnung in Bern. Im Gegenzug bringen die neuen Spieler viel Erfahrung, Know-How und natürlich spielerische Qualität in die Mannschaft.

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Möglich macht das die offizielle Club-Partnerschaft mit dem Sporting Clube de Portugal aus Lissabon, wo der Futsalsport Profiliga-Status geniesst. Durch den jetzigen Trainer der 1. Mannschaft von Minerva, der zuvor U-17 Trainer in Lissabon war, entstand die Verbindung der beiden Clubs. «Entweder sind es erfahrene Spieler, die zum Ende ihrer Karriere kommen oder es sind ganz junge Spieler, die den Durchbruch in die 1. Mannschaft von Lissabon nicht schaffen. Bei uns erhalten sie genügend Spielzeit um sich zu beweisen. Somit können wir für junge Spieler ein Sprungbrett sein», sagt Marc.

Futsal geniesst in Portugal, Spanien und in Lateinamerika einen viel grösseren Stellenwert als hier, die Spieler können vom Futsal-Sport leben. Davon träumt man auch bei Minerva.

Lokale Partnerschaften

Partnerschaften gibt es aber auch mit Vereinen aus Bern. Seit fünf Jahren ist Minerva Partner mit der Juniorenabteilung von YB, «was damals ein Novum im Schweizer Fussball war», bemerkt Marc. Im Winter trainieren die YB-Junioren mit dem Trainer der 1. Mannschaft von Minerva in der Halle, um an ihren technischen Fähigkeiten zu arbeiten. Bezeichnend für Futsal, seien der enge Raum und das schnelle Spielgeschehen. «Die Junioren müssen sehr schnelle Entscheidungen treffen, das kommt ihnen dann auch im 11-er Fussball entgegen. Wir stehen nicht in Konkurrenz mit dem Fussball, sondern sehen uns als Komplementärprodukt. Beide können dadurch profitieren», beschreibt Marc die Beziehung zum grossen Bruder Fussball.

Nach dem aufwändig inszenierten Einlaufprozedere der Spieler, Lichtshow und Musik inklusive, wird noch zur Schweizer Nationalhymne angesetzt.

Eine gleiche Partnerschaft wie mit YB gibt es mittlerweile auch mit den Junioren des FC Breitenrain und des FC Wyler. «Selber haben wir noch keine Juniorenabteilung, es ist aber unser klares Ziel eine solche in den nächsten Jahren aufzubauen. So wollen wir die Sportart Futsal in der Schweiz bekannter machen. Wir sind also auch Botschafter der Sportart Futsal», meint Marc.

Achtung, Fertig, Los

In der Sporthalle Weissenstein herrscht eine familiäre Stimmung, die meisten aus dem Publikum sind wohl persönliche Bekannte von Spielern oder deren Familien. Zugegen sind etwa 350 Personen, darunter auch eine regelrechte Fankurve, die mit Trommeln und Sprechchören für reichlich Stimmung sorgen. Nach dem aufwändig inszenierten Einlaufprozedere der Spieler, Lichtshow und Musik inklusive, wird noch zur Schweizer Nationalhymne angesetzt. Es handelt sich ja schliesslich um den Final der Schweizermeisterschaften.

Nach wenigen Minuten kommt Geneva Futsal zur ersten Grosschance. Nach einem schnell ausgeführten Konter, trifft der Genfer Spieler aber nur den Pfosten. Anschliessend übernimmt Minerva die Kontrolle über das Spielgeschehen. Geduldig versucht Minerva mit schnellen und präzisen Pässen die Gegner schwindlig zu spielen bis eine Lücke entsteht. Dies gelingt bereits nach fünf Minuten mit einem Weitschuss ins Lattenkreuz.

Ab diesem Zeitpunkt spielt eigentlich nur noch ein Team. Minerva betreibt Einbahnfutsal, ganz nach dem Gusto des Heimpublikums. Zur Halbzeit zeigt die Anzeigetafel bereits 5:0 für Minerva an.

Bei Minerva lässt sich ein klares Spielsystem erkennen, geprägt von vielen Läufen und geduldigen Passstafetten.

Auffallend ist, wie Minerva als Mannschaft viel besser harmoniert als Genf. Die Einzelspieler beider Mannschaften verfügen offensichtlich über viel Talent, bei Geneva Futsal scheint aber alles ein bisschen hastig und zufällig zu entstehen. Bei Minerva hingegen lässt sich ein klares Spielsystem erkennen, geprägt von vielen Läufen und geduldigen Passstafetten.

Wer sich, wie ich, auf viele spektakuläre Dribblings und sonstige Kabinettstückchen gefreut hatte, wurde in dieser Hinsicht leicht enttäuscht. Auch Spannung wollte durch das sehr dominante Auftreten von Minerva nicht wirklich aufkommen. Die Frage nach der Halbzeit war eigentlich nur noch, wie hoch der Sieg ausfallen würde. Am Schluss stand es 9:1 für Minerva, immerhin gelang es Genf kurz vor Schluss noch einen Ehrentreffer zu erzielen.

Das Rückspiel fand am Samstag 08.05.2022  in Genf statt. Dieses gewann Minerva mit 1:3 und krönte sich somit hochverdient zum fünften Mal zum Schweizermeister im Futsal.

«Twerking erfordert Beweglichkeit, Ausdauer und Kraft»

von David Fürst 28. April 2022

Yanil Altagarcia erklärt im Videobeitrag, was Twerking genau ist, wo es seinen Ursprung hat und wieso es sich lohnt, auch zu twerken.

Video: David Fürst und Leo Nydegger

Yanil Altagarcia ist Tänzerin und widmet sich seit Jahren dem Aufbau einer Twerkcommunity in der Schweiz. Twerking hat seinen Ursprung in der Elfenbeinküste und wird dort Mapouka genannt. Heute wird zu zeitgenössischer Musik, wie Hip Hop und Reggaeton getwerkt. Yanil hat dieses Jahr eine Twerkchampionchip in Bern organisiert und so viele Tänzer*innen zusammengebracht. Sie setzt sich für Qualität im Tanzen ein und achtet genau auf die Technik. Leider ist sie auch oft mit Vorurteilen konfrontiert. Twerking ist eine Kunstform und sollte genau so wertgeschätzt werden wie andere Tanzstile auch. Yanil erklärt im Video, was Twerking genau ist und wieso es sich lohnt, auch zu twerken.  Bei unserem Videodreh zeigte Yanil uns übrigens auch die Basics des Twerken. Wir kamen ganz schön ins Schwitzen.

Mehr über Yanil erfahrt ihr in diesem Artikel.

Was tun? – Osteredition

von Noah Pilloud 15. April 2022

Vier Tage frei und schönes Wetter: Das Osterwochenende lädt förmlich dazu ein, sich draussen sportlich zu betätigen. Für all jene, die bisher neben Brunch-Marathon und Eiertütschen noch keine sportlichen Pläne haben, hier einige Vorschläge.

Was wäre ein Sportblog ohne Tipps und Ratschläge für die Leser*innen? Böse Zungen würden wohl behaupten: Nichts anderes als schnöde Sportberichterstattung. Allzu weit wollen wir uns zwar nicht zum Fenster hinauslehnen – unser letztes Workout für Bauch- und Rumpfmuskulatur liegt schon einige Fertigpizzen zurück. Dennoch finden wir, zumindest einige Vorschläge fürs Osterwochenende gehören dazu.

Der Klassiker

Schönes Wetter, mediterrane Stimmung und ein ganzer Nachmittag zum Vertrödeln. Das schreit förmlich nach einer Runde Pétanque (oder Boule oder Boccia). Ein Set Kugeln, Schnur oder Messband (wichtig!) und eine geeignete Kreisfläche (etwa auf der Pläfe oder im Lorrainepärkli) reichen. Wer sich davon noch nicht an die Côte d’Azur versetzt fühlt, packt obendrein die Flasche Pastis und eisgekühltes Wasser ein.

Der unerfüllte Traum

Liegt dein Skateboard schon Jahre ungebraucht in einer Ecke rum? Hatte sich die Euphorie nach dem Kauf schon nach wenigen Wochen wieder eingestellt? Dann ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wieder Teer unter die Wheels zu kriegen. Zieh dir ein paar Youtube-Tutorials rein und gib nicht auf, bis du deinen ersten Kickflip landest. Du möchtest die Bodenhaftung lieber nicht verlieren? Dann ist der Pumptrack beim Lorraineschulhaus vielleicht etwas für dich.

Der Stadtaffe

Wer sich lieber vertikal bewegt, über die Osterferien aber weder aus der Stadt fahren noch Zeit in Boulderhallen verbringen will, wird vielleicht im eigenen Quartier fündig. Das geschulte Auge findet an Steinmauern, Brückenpfeilern und Fassaden bestimmt ausreichend Tritte und Griffe. Im Zweifelsfall lohnt sich ein Blick in den «Bärnboulder» – doch dazu in einigen Wochen mehr (Spoiler Alert!).

Der Lässige

Du willst im Park chillen und dich dabei etwas bewegen, doch Kubb und Slackline findest du uncool? Dann nimm den Kronkorken deines Erfrischungsgetränks (das du im Park bestimmt dabei hast) zwischen Daumen und Mittelfinger, platziere den Zeigefinger an der Innenseite des Randes und schnippe ihn nach vorn – fertig ist das Mini-Frisbee. Egal, ob ihr euch den Kronkorken im Kreis herum zuwerft oder damit «Mittitupf» spielt, der Parkaufenthalt wird damit garantiert kurzweilig.

 

Wer sich noch immer nicht inspiriert fühlt, hier noch weitere Vorschläge: Dreht eine Runde auf den Inlineskates, erklärt die nächstbeste Stelle im Quartier zur Tanzfläche, klettert auf einen Baum, purzelt über eine Wiese, nehmt ein Minutenbad in der Aare.

In diesem Sinne wünschen wir euch gutes Ausprobieren und schöne Osterferien.

«Mittelfristig wollen wir in die NLB»

von Fabio Kunz 7. April 2022

Die Bern Capitals streben im Unihockey die Leistungsstufe B an. Das passt zu B-Sport wie der Golfball aufs Tee, dachten wir uns und verabredeten uns mit Caps-Sportchef Raphael Kohler zum Gespräch.

Raphael, die Spielzeiten 19/20 und 20/21 wurden im Unihockey-Breitensport wegen Corona nicht zu Ende gespielt. Die Saison 21/22 konnte nun endlich fertig gespielt werden. Wie wichtig war das für euch?

Für den Breitensport war es sicherlich sehr wichtig, dass endlich eine Saison zu Ende gespielt wurde. Viele der Spieler waren frustriert und auch ein wenig verunsichert. Das haben wir auch bei uns gemerkt. Einige haben ihren Rücktritt gegeben, weil sie nicht den ganzen Sommer trainieren wollten, nur um dann im Oktober zu erfahren, dass die Saison wieder unterbrochen ist.

Wie hart war es für die Caps, dass die Saisons 19/20 und 20/21 vorzeitig abgebrochen wurden?

Für uns war das aus sportlicher Sicht eine Katastrophe. In der Saison 19/20 standen wir im Playoff-Final als die Saison abgebrochen wurde, in der Saison 20/21 waren wir an der Spitze der Tabelle. Wenn man jetzt sieht, dass die Spitzenteams aus der 1. Liga in den Aufstiegsspielen gegen die NLB Teams gewinnen, tut das weh. Ich bin überzeugt, dass wir den Aufstieg geschafft hätten. Auch finanziell war es eine schwierige Zeit für uns. Einige der Sponsoren sind abgesprungen, weil sie es sich schlicht nicht mehr leisten konnten. Allerdings unterstützen uns unsere Mitglieder und auch Swissunihockey mit finanziellen Mitteln. Der finanzielle Schaden hielt sich so glücklicherweise einigermassen in Grenzen.

Ihr habt in dieser Spielzeit das Halbfinale erreicht, seid dort aber mit zwei Niederlagen aus zwei Spielen an den Lions Konolfingen gescheitert. Wie fällt dein persönliches Fazit für die Saison 21/22 aus?

Auf diese Saison hin hatten wir einen Umbruch in der Mannschaft. Einige der ehemaligen NLA-Spieler, die bei uns absolute Leistungsträger waren, haben im Sommer ihren Rücktritt bekanntgegeben. Deshalb haben wir das Team umgestellt und verjüngt. Mittlerweile sind etwa 17 Spieler im Kader, die bereits bei den Junioren mindestens eine Saison bei uns absolviert haben. Aufgrund dieser Verjüngung war es unser Ziel, mindestens den Halbfinal zu erreichen. Da wir das Ziel erreicht haben bin ich grundsätzlich zufrieden mit unserer Leistung, auch wenn durchaus noch mehr möglich gewesen wäre.

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Was waren aus deiner Sicht die Höhepunkte in dieser Spielzeit?

Für mich sticht die Entwicklung der jungen Spieler heraus. Alle haben riesige Fortschritte erzielt. Selbst in den Playoffs spielten einige in den ersten zwei Linien. Das war so vor der Saison nicht unbedingt zu erwarten und freut mich besonders. Und weiter ist sicherlich die Identifikation mit der Mannschaft zu nennen. In den letzten Jahren hatte man ein wenig das Gefühl, dass sich immer weniger Leute mit uns identifizieren. Das hat sich in dieser Saison geändert. Das zeigt sich unter anderem darin, dass viel mehr Zuschauer an unsere Auswärtsspiele reisen, um uns spielen zu sehen.

 

Wir haben jetzt vor allem über die Vergangenheit gesprochen. Wenden wir uns nun der Zukunft zu. Wie wird das Kader und der Trainerstaff nächste Saison ausschauen?

Die Kaderplanung ist zu 90% abgeschlossen. Die meisten Spieler haben um eine Saison verlängert, ein paar werden leider nicht mehr dabei sein. Sicherlich werden wir auch noch den einen oder anderen Transfer tätigen, damit wir gut gerüstet sind. Auf der Headcoach Position wird es ebenfalls eine Änderung geben. Daniel Danuser, der die letzten vier Jahre dieses Amt innehatte, tritt zurück. Neu wird Adrian Stettler der Chef an der Bande. Adrian ist zwar noch ein junger Trainer, bringt aber schon viel Erfahrung mit. Er amtete in den letzten Jahren als Chef unserer U18-Junioren und war der Teamanalytiker der Schweizer Nati. Wir sind überzeugt, dass er der ideale Mann für diesen Posten ist.

Pure Freude! Die Spieler der Bern Capitals nach einem Sieg. (Foto: Catia Baioni)

 

Welche Ziele habt ihr euch für die kommende Spielzeit und für die nächsten Jahre gesetzt

Unser Ziel ist es, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Die Mannschaft soll sich festigen, so dass wir uns in der Spitzengruppe der 1. Liga etablieren können. Mittelfristig ist unser Ziel, mit allen Teams in der Leistungsstufe «B» zu sein. Bei den Junioren haben wir das bereits erreicht. Alle Juniorenteams, sprichU14, U16, U18 und U21, gehören in der Kategorie B (die zweithöchste, Anm. d. Red.) bereits zu den Topteams. Um dieses Ziel zu erreichen, muss also «nur» noch die erste Mannschaft aufsteigen. Als Verein haben wir den Anspruch, im Raum Bern die beste Alternative zu Floorball Köniz zu sein. Spieler, die entweder keinen Spitzensport betreiben wollen oder es bei Köniz nicht ins Team schaffen, sollen bei uns die Möglichkeit erhalten, Unihockey auf einem hohen Niveau spielen zu können.

Du bist ja nicht nur Sportchef der Bern Capitals, sondern gleichzeitig auch Spieler in der ersten Mannschaft. Welche Schwierigkeiten gibt es aus deiner Sicht als Spieler, welcher in der 1. Liga, spielt?

Eine grosse Schwierigkeit ist sicherlich, der grosse Aufwand. Die 1. Liga gehört zwar zum Breitensport, dennoch trainieren wir dreimal pro Woche und haben während der Saison mindestens einmal pro Wochenende ein Spiel. Der Aufwand ist also nur geringfügig kleiner als in zahlreichen Nationalligaclubs. Als Spieler muss man bereit sein, einen grossen Teil der Freizeit für den Sport zu opfern, was bei manchem im Umfeld wahrscheinlich auf Unverständnis stösst. Auch ein Arbeitgeber wird mehr Verständnis für einen NLA-Spieler aufbringen als bei einem, der 1. Liga spielt. Deswegen braucht es viel Disziplin, der Spass soll dennoch nicht auf der Strecke bleiben

Auf einem Rad

von David Fürst 31. März 2022

«Das ist bestimmt schwierig?» «Hast du das andere Rad verloren?» «Das könnte ich nie.» Diese Sätze bekommen Anja, 21 Jahre, und ihre drei Jahre jüngere Schwester Zora oft zu hören.

«Als ich 7 Jahre alt war, hatten plötzlich fast alle aus meinem Umfeld ein Einrad, da wollte ich auch eines haben.» Ihre Eltern erfüllten Anja Eichenberger den Wunsch und schenkten ihr das erste Einrad. Es war winzig und rot. Etwa eine Woche benötigten Anja und Zora, um ohne stützende Hände selbst fahren zu können. Mittlerweile fahren beide über zehn Jahre lang und konnten ihre Technik stetig verbessern und sich in unterschiedlichen Disziplinen vertiefen. Im Sommer fahren die beiden nach Grenoble (Frankreich) an die Weltmeisterschaft im Einradfahren. Es gibt verschiedene Disziplinen.

Einrad ist nicht gleich Einrad

Als ich die beiden an einem Sonntagnachmittag im März treffe, fährt Anja gerade eine Treppe hinunter und Zora macht den Handstand auf ihrem Einrad, wobei sie sich an ihrem Sattel festhält, um zu balancieren. Einrad ist nicht gleich Einrad, es gibt verschiedene Dicken der Reifen und unterschiedlich lange Kurbeln an den Pedalen. Anja springt gerne von Mauern oder über Treppen, dazu sind längere Kurbeln praktischer, weil es mehr Raum zum Balancieren lässt. Zora fährt gerne schnell und kann Pirouetten drehen, dazu sind kurze Kurbeln, welche die Kraft schnell auf das Rad übersetzen, besser geeignet.

einrad trick
Höchste Koordination und Balance. (Foto: David Fürst)

Eine Randsportart

Einradfahren ist eine Randsportart, aber wieso? «Ich glaube, es liegt daran, dass es eine Weile braucht, bis gut gefahren werden kann, diese Hürde ist für viele zu hoch.» Eigentlich schade, denn das Einrad ist ein ideales Trainingsgerät. Durch den stetigen Balanceakt wird das Gleichgewicht sowie die Stabilität der Athlet*innen trainiert. Durch die Möglichkeit zu springen und sich urbanen Raum anzueignen, ist das Einradfahren auch mit dem Skaten verwandt. Es gibt auch die Möglichkeiten Hockey sowie Basketball zu spielen auf dem Einrad.

einrad balancieren brunnen
Jetzt bloss nicht umfallen… (Foto: David Fürst)

Tipps für Anfänger*innen

Geduldig sein und sich nicht von den Anfangsschwierigkeiten beirren lassen. Das Körpergewicht sollte möglichst auf dem Sattel und nicht auf den Pedalen sein. Am besten, werden die Anfänge auf einem flachen Stück Asphalt gemacht, mit einer Mauer oder einem Zaun als Stütze. Was auch helfen kann, ist, mit Personen zu fahren, welche das Einrad schon beherrschen (Hand in Hand). Ein Trick ist, den Pneu nicht ganz prall zu pumpen, dann ist das Einrad stabiler. Und zum Schluss, auch Erwachsene können das Fahren noch lernen!

einrad stadt abend
Zusammen geht es besser. (Foto: David Fürst)