Alle Sprachen sind gleichwertig und Bern ist überall und damit auch in Südafrika mit seinen elf amtlichen und damit de jure gleichberechtigten Sprachen.
IsiXhosa, IsiZulu, Afrikaans, Englisch, Isi-Ndebele, SeSotho, Sesotho, SeTswana, SiSwati, TshiVenda, Xitsonga.
Anders als Bern bin und war ich noch nicht überall, unter anderem auch noch nicht in Südafrika. Schade. Wäre ich – wie Bern – schon in Südafrika gewesen und vielleicht sogar als Journalist, der hohe Politiker interviewt, so hätte ich nun in meinem Nachruf auf den grössten Politiker des 20. Jahrhunderts wie der Afrika-Korrespondent des Tages-Anzeigers berichten können, dass ich mit Nelson Mandela nicht nur mehrere Male gesprochen, sondern auch einmal neben ihm stehend gepinkelt habe (bzw. ist Mandela neben den schon pinkelnden Korrespondenten hinzugetreten, brachte das auch an diesem Ort obligate „How are you“ an den Nebenmann, und liess dann das Geräusch seines Wasserlassens erklingen, was diesem – dem Nebenmann und Korrespondenten – den Beweis erbrachte, dass auch Mandela ein Mensch ist. Ob der Beweis viel taugt, wo den Göttern doch alles möglich ist, sei dahin gestellt).
Ich bin abgeschweift, es geht nicht ums Urinieren, es geht um die Gleichberechtigung der Sprachen. Aber auch hier stellt sich die Frage, ob Mandela wirklich ein Mensch war oder nicht doch nur ein als Mensch verkleideter Gott. Nur Göttern, so denke ich, ist es möglich, jeder Sprache mit dem gleichen Respekt und der gleichen Wertschätzung zu begegnen. Und erst Recht, wenn es um die Sprache der Unterdrücker geht, die einen ins Gefängnis stecken, wenn man für seine Freiheit kämpft. Nun hat Mandela im Gefängnis von Robben Island angefangen, die Sprache seiner Unterdrücker, das Afrikaans der Buren zu lernen. Dahinter stand zuerst ein ganz praktisches Interesse: Er konnte so das Vertrauen seiner weissen Wärter gewinnen und sich Vorteile verschaffen. Und später halfen ihm seine Sprachkenntnisse und das Wissen, das er sich über die Kultur der Buren erwarb, in den Verhandlungen mit den weissen Machthabern, als es darum ging, die Apartheid abzuschaffen. Aber lernt man aus politischem Kalkül auf Afrikaans geschriebene Gedichte auswendig wie Mandela das getan hatte? Hat er, beflügelt vom Geist der Versöhnung, Afrikaans zu schätzen, ja vielleicht sogar zu lieben begonnen wie Englisch oder IsiXhosa? Vielleicht hat er das tatsächlich gekonnt, vielleicht blieb eine Reserve, denn, so nehmen wir doch an, Mandela war ein Mensch und kein Gott.
Und wie steht es heute um die Gleichberechtigung der Sprachen in Südafrika, gibt es sie nur auf dem Papier oder auch in Wirklichkeit und wie weit? Darüber lasse ich mich von jemandem, der vielleicht auch noch nicht überall, aber doch schon in Südafrika gewesen ist, gerne aufklären.