Hier in unserem spanischen Dorf bleibt das Wasser weiter knapp. Die Bewässerung der Gemüsegärten ist aufwendig und fordert viel Geduld. Dürre herrscht. Weil ich deshalb das Wasser, das ich in der Küche verbrauche, nach Möglichkeit nicht einfach durch den Ablauf entwischen lassen wollte, weiss ich jetzt, wieviel das ist. Der Putzeimer neben dem Spültrog füllt sich oft mehrmals pro Tag. Das Wasser, mit dem der Salat gewaschen wurde, kommt jetzt in die weissen Hängegeranien. So ist die Welt: Dort überschwemmt anhaltender Regen Felder und Dörfer, hier geht der kalt gewordene Tee in den Basilikum.
Und leider ist weiterhin Krieg.
Aber dessen ungeachtet zeichnet sich in Spanien ein neuer Tourismusrekord ab. 100 Millionen Menschen werden in diesem Jahr erwartet. Wenn man sich das vorstellt: Hundert Millionen. Mehr als zweimal die Bevölkerung des Landes. Dagegen erscheinen die touristischen Auswüchse in der Berner Altstadt geradezu harmlos. Besonders Barcelona ächzt und wird möglicherweise bald die erste Stadt sein, die Airbnb einschränkt, wenn nicht verbietet.
Vielerorts wird auch gegen die im angeheizten Wohnungsmarkt erbarmungslos steigenden Mieten demonstriert. Auf der ach so schicken Insel Ibiza müssen sich viele der Männer und Frauen, die im Tourismussektor arbeiten, mit einem Wohnwagen auf einem Parkplatz begnügen. Das sind keine schöne Blüten: Die einen bezahlen mehrere hundert Euros, um in eine Disco zu gelangen und die Leute, von denen sie dort bedient werden, können sich keine Bleibe mehr leisten.
Auch auf den kanarischen Inseln stösst das Geschäft mit der Sonne und dem Meer an seine Grenzen. Die einheimischen beginnen sich zu wehren. Vielleicht ist es deshalb kein Zufall, dass neulich in kanarischen Gewässern Haie die Strände verunsichert haben sollen. Vielleicht ist das Sichten von Haifischen die Geheimwaffe der Zukunft gegen den Massentourismus. Würde mich nicht wundern, wenn bald auch vor Barcelona ein Hai auftaucht. Oder vielleicht Schwärme von gnadenlos zustechenden Mücken. Oder Horden von Wildschweinen stossen bis ins Zentrum vor.
Wenn ich aber daran denke, was sich sonst im Land, besonders in der Politik so tut, kann ich nur sagen, wie gut gibt es zur Ablenkung die Eurocopa. Da glänzen die Spanier.
Und bei den ersten beiden Spielen der Schweiz glänzte die spanische Kommentatorin. War das vielleicht ein Vergnügen, ihr zuzuhören. Fussballspiele kann man in der Schweiz ja schon seit Jahren nur auf RTS anschauen, aber hier. Es war ein Fest. Es war reine Poesie. Natürlich auch, weil die Schweiz unerwartet starke Auftritte hatte, aber diese Kommentatorin zeigte richtige Begeisterungsfähigkeit und wenn es heiss wurde vor dem Tor, war sie sich nicht zu schade, alles was zu sehen war, auch noch eloquent, in ihrer musikalischen Sprache genaustens zu beschreiben.
Gut mit den Namen von Schär und Aebischer hatte sie etwas Mühe, weil das im Spanischen keine geläufigen Lautfolgen sind. Vielleicht war sie auch froh, dass sie mit ihrem Stil nicht ein Spiel von Georgien kommentierte. Weil bei einer schnellen Passfolge von Mekvabishvili zu Kavaratskhelia und dann zu Chakvetadze oder zu Gugeshashvili wäre auch sie an ihre Grenzen gestossen.
Gute Radiokommentatoren konnten das früher aber auch. In Vorfernsehzeiten waren sie so gut, dass man das Spiel sehen konnte wie einen Film. Das geht natürlich nicht ohne Emotionen und diesbezüglich sind die Spanier und die Spanierinnen sowieso eher unschlagbar.
Ich hatte übrigens auch vergessen, wie attraktiv so ein Fussballspiel sein kann. Wenn das so hin und her geht, wenn Angriff auf Angriff und Gegenangriff auf Gegenangriff folgt wie die Flutwellen am Meer und man sich kaum erklären kann, wo die Jungs diese Energie hernehmen und besonders, wenn sie sich tatsächlich bis in den Torraum hinein freilaufen und ihren Angriff mit einer meisterlichen Kurzflanke und einem ebenso bezaubernden Kopfballtor abschliessen, dann soll jemand kommen und diesem Spiel seinen Charme absprechen.