Noch selten haben sich bei einem Urnengang die beiden Gesichter der SVP so ungeschminkt übereinandergeschoben wie im Vorfeld der Abstimmungen vom 12. Februar.
Einerseits macht die Partei mit Burka-Plakaten Stimmung gegen ein Anliegen, das ihr schnurzpiepegal ist. Anderseits geben sich die «konservativen Revolutionäre», wenn es um Steigerung ihrer eigenen Aktionärsgewinne geht, als angeblich besonnene Systemerhalter.
Bei der erleichterten Einbürgerung von Eingewanderten dritter Generation geht es um Menschen wie beispielsweise mich (in jüngeren Jahren), die als SchweizerInnen hier geboren sind, deren Eltern bereits als SchweizerInnen hier geboren wurden… was mich zufälligerweise zum Nichtbetroffenen macht, ist die Tatsache, dass meine Grossmutter als ausgebürgerte Schweizerin bereits 1953 mit ihren Söhnen erleichtert eingebürgert wurde, während nur der Grossvater staatenlos blieb.
Unter diesen paar tausend Nicht-Papierlischweizern also werden sich ähnlich viele SVP-AnhängerInnen finden wie in der übrigen Stimmbevölkerung. Und eine Annahme des Anliegens führt höchstens dazu, dass die statistische Zahl von NichtschweizerInnen im Land leicht sinkt.
Mit ihrem absurden Abstimmungskampf treibt die SVP ihre Symbolpolitik auf die Spitze, bereitet die nächste Burka-Abstimmung vor, erinnert ein bisschen an ihre nicht umsetzbare Masseneinwanderungsinitiative, empfiehlt sich weiterhin als zuverlässig fremdenfeindliche Kraft und verschleiert mit viel Geld, worum es ihr tatsächlich geht.
«Was tipp topp läuft an der aktuellen Gehässigkeit im Zusammenhang mit der ‚Erleichterten Einbürgerung` – es redet kaum noch jemand von der UStR3…», postete denn auch der Zürcher SVP-Kantonsrat Claudio Schmid bei Facebook. Während Magdalena Martullo Blocher in der «Südostschweiz» betont unaufgeregt an die soziale Verantwortung der Bevölkerung appellierte: «Mit der Unternehmenssteuerreform sichern wir unsere Zukunft und attraktive Arbeitsplätze für unsere Jugend. Machen Sie mit!»
Eine Ahnung, wieviel Geld Unternehmen und Aktionäre künftig auf Kosten von Gemeinden und Kantonen nicht versteuern müssten, ergibt ein kleines Rechenbeispiel, dessen Zahlen von Frau Martullo stammen: «Neben den (…) Hochschulen wenden die Unternehmen selber rund 13 Milliarden Franken jährlich für Forschung und Entwicklung auf», schreibt sie. Diese Aufwendungen sollen künftig bis zu 150% steuerlich abgezogen werden können, das wären neu also gegen 20 Milliarden Franken. Bisher wurden – gemäss Martullo Blocher – «rund die Hälfte der privaten Schweizer Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen (rund 6 Milliarden Franken)» steuerlich privilegiert.
Bezogen auf ihren eigenen Betrieb schreibt Martullo Blocher: «Mit der Steuerreform III wird die Ems-Chemie zwar zunächst mehr Steuern, mit der Spezialbesteuerung jedoch etwa gleich viel Steuern bezahlen wie heute. Die Ems-Chemie wird mit der Reform aber mehr am Standort Domat/Ems investieren können.» Wie diese wundersame Geldvermehrung im Detail zustande kommt, verrät uns Martullo Blocher indes nicht.
In der Zwischenzeit haben sich andere bürgerliche Stimmen zu Wort gemeldet, wie die ehemalige Finanzministerin Eveline Widmer Schlumpf oder der frühere Präsident der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren FDP-Mann Christian Wanner. Sie warnen vor Millionenlöchern bei Gemeinden und Kantonen, insbesondere wegen unabsehbarer fiktiver Zinsen am eigenen Vermögen, die künftig in Abzug gebracht werden sollen.
Vielleicht – hoffen wir es – wurde diesmal ein bisschen zu viel unter die Burka gepackt.