Geist & Rüssel

von Balts Nill 6. Oktober 2015

Balts Nill spielt mit Instrumenten und Worten. Für Journal B stellt er kleine Karaoke-Vorlagen her, zu denen man am besten kurze Extrakte aus Zeitungen, Büchern etc. liest (oder singt oder pfeift).

Die heutige Situation wäre auch so zu beschreiben: Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon, dass es geistige Inhalte geben könnte, die Wert und Interesse in und für sich selber haben und deshalb der entscheidende Stoff, die entscheidende Nahrung für die Entwicklung eines jungen Menschen sein müssen. Wissen heute ist ergebnisorientiert und anlassbezogen, es soll sich entweder an den Bedürfnissen der jungen Menschen, an den Wünschen der Arbeitgeber oder an den Herausforderungen der Zukunft, die niemand kennt, orientieren (…) Man könnte es drastischer formulieren: Wir sind zu feige geworden, um uns noch zu geistigen Inhalten zu bekennen, die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verständnis jenseits aller aktuellen Bedürfnisse eine Befriedigung zu geben vermag.

Aus: Konrad Paul Liessmann, Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung, S. 56 f.

Innerhalb von 40 Jahren hat sich der Rüssel zweier Hummelarten in den Rocky Mountains  „signifikant“ verkürzt – meldet das Journal Science. Früher waren diese Hummeln durch ihre langen Rüssel  darauf eingestellt, Nektar aus tiefen Blüten herauszusaugen, heute sind sie dazu kaum mehr in der Lage. Die Autoren der Studie erklären die kürzeren Rüssel mit dem Klimawandel: Durch längere Sommer wurden die tiefen, von den Hummeln präferierten Blüten knapp. Infolgedessen wichen die Insekten auf flache Blüten aus.

Aus: Die Zeit, 1. Oktober 2015