Also, zurück in den Spanischen Bergen.
Vor wenigen Tagen habe ich mir im nahen Städtchen die Zeitungen gekauft und als ich in einem Café darin zu lesen begann, erinnerte ich mich wieder an meinen Freund und Kollegen Guy Krneta. Insbesondere an zwei Sätze aus seinem letzten Mail. Er würde sich sehr freuen, wenn ich hier an dieser Stelle wieder über Spanien schreiben würde. Man dürfe das Journal B nicht unterschätzen.
Das hat er wirklich geschrieben.
Ich las allerdings gerade einen Artikel, der nur bedingt mit Spanien zu tun hatte, und noch bevor ich ihn fertig gelesen hatte, kam aus einem Laden neben dem Café eine Frau mit einem Schuh in der Hand auf den Mann am Nebentisch zu. Die Frau war vielleicht um die 60 Jahre alt, war sehr geschmackvoll gekleidet, machte einen aufgestellten Eindruck und fragte: Gefällt dir dieser Schuh?
Es war einer dieser Stoffschuhe mit Schnursohle, die man, glaube ich, auch auf Deutsch «Espadrilles» nennt. Ohne den Schuh auch nur anzuschauen, sagte der Mann: Von dieser Sorte hast du zuhause doch schon eine ganze Menge! Nein, sagte die Frau, der ist anders, worauf der Mann sagte: Aber du hast doch schon so viele Schuhe.
Weil die Frau dann sagte, sie habe ihn nicht gefragt, wie viele Schuhe sie besitze, sondern, ob ihm dieser Schuh hier gefalle, schaute ich von meiner Zeitung auf, und es entging der Frau nicht, dass ich zugehört hatte und dass ich lachen musste. Sie schaute mich an und fragte: Sind Sie auch so? Nein, nein, behauptete ich, und während sich die Frau wieder dem Schuhladen zuwandte, sagte der Mann am Nebentisch: Sie müssen wissen, dass niemand so viele Schuhe besitzt wie meine Frau.
Oh, sagte ich, ausser vielleicht Frau Marcos, von den Philippinen, erinnern Sie sich? Sie soll 6000 besessen haben.
Der Mann schüttelt den Kopf und sagte: Mi mujer tiene mas! Meine Frau hat mehr!
Ich las dann den angefangenen Artikel zu Ende, in welchem die in Madrid weilende schwedische Erfolgsautorin Camilla Läckberg unter anderem behauptete, die Männer seien eine Rasse für sich, die sich den Frauen überlegen fühle. Hier war es also wieder: «Die Männer». Also der Mann am Nebentisch und ich? Oder ich und dieser Präsidentenfreund, der sich in seiner Zelle umgebracht haben soll und noch ein paar andere? Oder ich und Putin? Oder ich und diese italienischen Politiker und der ganze Rest? Oder ich und Neymar?
Wie käme ich dazu, fragte ich mich, so verallgemeinernd von «den Frauen» zu reden? Als ob alle Frauen in einem einzigen Korb Platz fänden? Nein, Frau Läckberg, dachte ich dann, ich hielt mich nie für klüger als Sie. Nie im Leben. Jedenfalls bist jetzt nicht. Aber seien Sie beruhigt, wandte ich mich in Gedanken dann weiter an sie, kürzlich musste ich nach der Lektüre eines Interviews in der gleichen Zeitung auch Frau Siri Hustvedt meine bis dahin unbeschränkte Bewunderung entziehen, meinte diese doch behaupten zu müssen, die Männer – wieder dieses «die Männer» – liebten zwar die Schönheit der Frauen, aber sie würden es nicht mögen, wenn diese zu aller äusserlichen Attraktivität auch noch intelligent seien.
Ich habe nicht nur selten etwas so Unintelligentes gehört, ich fühlte mich auch richtig beleidigt, denn diese Aussage unterstellt mir eine Dummheit, mit der ich nun wirklich nicht unwidersprochen zu leben gewillt war.
So viel zu Frau Läckberg.
Und was hat das mit Joan Brossa zu tun?
Könnte gut sein, dass es hier in unserem «Bern ist überall-Blog» mit diesem grossen katalanischen Poeten und Künstler wirklich weiter geht, aber mit der spanischen Politik, zu welcher Guy Krneta von mir wieder etwas lesen möchte, geht es etwa so, als liefe alles auf quadratischen Rädern. Es läuft einfach nicht rund. Seit neun Monaten hat Spanien eine Übergangsregierung, vielleicht stehen sogar Neuwahlen an. Und dies in der Zeit, in welcher die Urteile im Prozess gegen die Verantwortlichen der illegalen katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen bevorstehen. Könnte gut sein, dass der Herbst heisser wird als der heisse Sommer. Ganz sicher wird die Reise holperig.