Die Möglichkeit von Leben

von Gerhard Meister 7. September 2016

Um die kleine Sonne, die am nächsten von unserer Sonne liegt, nein, nicht liegt, auch diese Sonne dreht sich ja wie die unsere um ihre Achse und dreht sich um den Mittelpunkt der Galaxie und fliegt gleichzeitig weg von jenem Ort, wo vor so und so vielen Milliarden Jahren mit einem grossen Knall – so wenigstens die vorherrschende, schon von einigen Wissenschaftlern in Frage gestellte Lehrmeinung, alles begann, Raum und Zeit also aus dem Nichts heraus eruptierten –

Um diese Sonne also, ein roter Zwerg im Zentaur, einem Sternbild, das nur am Südhimmel zu sehen ist, und genannt Proxima Centauri, da sie von unserer Sonne nur wenig mehr als vier Lichtjahre entfernt und damit von all den Abermilliarden Sonnen in unserer Galaxie die uns Nächstgelegene ist –

Um diese Sonne, die so klein und leuchtschwach ist, dass sie, obwohl uns nächstgelegen, von blossem Auge am Himmel nicht zu erkennen ist, um diese Sonne, so legen es komplizierte Bahnberechnungen nahe, die kleinste Abweichungen ergaben, die anders nicht erklärt werden können –

Um diese Sonne also dreht sich ein Planet, auf dem es von seiner Grösse her und auch, was die Temperaturen betrifft, die dort herrschen, Leben geben könnte. Leben in Form von Bazillen, Flechten vielleicht, oder es gibt dort Käfer oder noch grössere Tiere, die mit einer Intelligenz begabt sind, die der unseren ähnelt, sie möglicherweise sogar übertrifft.

Nun haben ein paar Leute mit Ideen und ein paar Leute mit Geld gemeinsam die Absicht verkündet, ein winziges Raumschiff, das im Grunde aus nichts anderem besteht als einem sehr kleinen Fotoapparat –

Haben diese Leute also verkündet, sie wollten ein Raumschiff auf einem Bündel von Laserstrahlen zu diesem Planeten schicken, um ihn zu fotografieren und damit – und vielleicht noch mit der einen oder anderen zusätzlichen Methode – festzustellen, ob das Leben dort nicht nur möglich ist, sondern tatsächlich existiert.

Und weil diese Reise auf dem Laserstrahl sehr schnell ist, viel schneller als jede andere vom Menschen bis jetzt entwickelte Fortbewegungsmethode, nämlich nur fünf mal langsamer als das Licht und damit die physikalisch überhaupt mögliche Höchstgeschwindigkeit, dauert diese Reise nicht 30’000 Jahre, wie sie mit Raketen dauern würde, wie sie heute zur Verfügung stehen, sondern nur knapp zwanzig, während das vom Planeten geschossene Foto wie jedes andere Foto, das wir täglich irgendwo hinschicken, mit Lichtgeschwindigkeit zur Erde zurückkehrt. Ein Vierteljahrhundert nach dem Raketenstart und damit, wenn wir für die Entwicklung dieser Rakete ein Jahrzehnt veranschlagen, noch innerhalb der Lebensspanne vieler Leserinnen und Leser dieser Zeilen und vielleicht auch noch zu Lebzeiten ihres Urhebers –

In nicht allzu weiter Zukunft also ist das Foto von diesem Planeten auf unseren Bildschirmen, und wir sehen uns Leben zuwinken, ja vielleicht sogar zuzwinkern, das uns an Intelligenz gleich kommt oder übertrifft, oder wir sehen Käfer kriechen oder Flechten wachsen oder sehen, weil das Leben die Möglichkeit zu existieren, die dieser ihm Planet bietet, nicht genutzt hat, nur Steine und Staub.