Es gibt Bücher, die liest man, und dann trägt man deren Inhalt für immer wie einen Schatz im Herzen. Man saugt den Inhalt auf und lässt ihn durch den Körper wandern, um alle Worte am genau richtigen Ort zu platzieren. So können das Buch und die Geschichte zum Schatz im Herzen werden. Das klingt seltsam, aber besser kann ich es nicht beschreiben. Das können beispielsweise Bücher sein, die genau zum richtigen Zeitpunkt den genau richtigen Inhalt für die Seele liefern. So ein Buch war für mich in den letzten Wochen «Der Russe ist einer, der Birken liebt» von Olga Grjasnowa. 2020 ist das Romandebüt der Schriftstellerin erschienen, und es hat es in sich. Eine junge Frau, die in den 1990er-Jahren mit ihrer Familie aus Aserbaidschan nach Deutschland kommt, will bei den Vereinigten Nationen als Dolmetscherin Karriere machen. Sie setzt sich mit ihrer jüdischen Identität auseinander, insbesondere auch, weil sie ständig wieder von ihren Mitmenschen damit konfrontiert wird. Dazu kommt der Umgang mit einer schweren Trauer, dem Tod eines geliebten Menschen, der alles aufzufressen scheint. Ein wunderbares Buch voll sprachlicher Finesse, für alle Menschen, die derzeit trauern, überfordert sind oder wissen, wie es ist, nicht immer dort zu sein, wo man eigentlich hingehört.
Mit gutem Gewissen darf ich diesen Monat einen kürzlich gelesenen Lyrikband empfehlen. Marina Diamandis, die den meisten Menschen vermutlich eher als Marina aus ihrer Gesangskarriere bekannt ist, hat einen Gedichtband vorgelegt. Das Buch heisst «Eat the World» und ist im Oktober 2024 erschienen. In der Einleitung steht, mit diesem Gedichtband würde Marina ihre individuellen Beobachtungen zum menschlichen Herzen in lyrischer Form mit der Welt teilen. Das tut sie auch tatsächlich, wenn auch die Gedichte für mich vordergründig eine Beobachtung des eigenen Herzens zu sein scheinen. Einige Gedichte erinnern mich von der Stimmung her an Lana Del Reys Gedichtband, der vor ein paar Jahren erschienen ist. Vielleicht deshalb, weil die beiden Künstlerinnen in L.A. leben und die Stadt mit ihren Palmen, Hollywoodstars, Erdbeben und Waldbränden immer mal wieder in ihren Texten präsent ist. Für alle, die frische und ungezwungene Gedichte mögen.
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Wer Berner Literatur empfehlen möchte, muss früher oder später auch an Mani Matter vorbeikommen. Und das aus gutem Grund, denn der Berner Jurist war nicht nur ein fantastischer Liedermacher, sondern hat schon in diversen anderen Textformaten seine Liebe zum geschriebenen Wort unter Beweis gestellt. Im Band «Was kann einer allein gegen Zen Buddhisten» mit Texten aus dem Nachlass Matters findet sich Politisches, Poetisches und Humoristisches – oder auch alles gleichzeitig. Das Buch ist 2017 erschienen und enthält Texte, die mehrheitlich zwischen 1950 und 1960 entstanden sind. Texte eines jungen Mani Matter sozusagen, die dennoch eine weite Bandbreite seines Schaffens abdecken. Geeignet für etablierte Fans und neugierige Neueinsteiger:innen.