1922 lancierte die französische Filmfirma Pathé das Heimkino. Die Kamera und der Projektor Pathé-Baby ermöglichten es, mit einer relativ handlichen Ausrüstung privat Filme zu drehen, zu bearbeiten und zu zeigen. «Alles war sehr klein, fast spielzeugartig,» sagt David Landolf vor der Vitrine im Lichtspiel mit den Filmrollen und Kameras rund um diese Neuheit aus den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts.
Das Filmformat 9.5 mm hatte eine Mittellochung, was fast die volle Ausnützung des Filmstreifens möglich machte. Die gleichzeitig auf den Markt gebrachte Montageausrüstung samt Klebeanleitung garantierten eine einfache Montage der Filmstreifen. Kein Wunder, dass die Kamera plötzlich eine beliebte Anschaffung war – allerdings nur für Besserbetuchte. Aus historischer Sicht ist das trotzdem ein Glücksfall. Es gibt deshalb heute noch eine grosse Auswahl an Familienfilmchen, die Alltagssituationen dokumentieren aus einer Zeit, als die Bilder erst gerade laufen lernten. Diese Filmchen können nun besichtigt werden. Das Lichtspiel feiert den 100. Geburtstag des 9,5 mm Filmformats mit einer Reihe von Anlässen und einer Ausstellung.
Im letzten Jahr hat das Lichtspiel mit einem Aufruf Filmmaterial gesucht, das irgendwo in Familienarchiven lagert. Und man wurde fündig. Diese Filme wurden von einer Mitarbeiterin katalogisiert und z.T. digitalisiert, und sie werden einmal pro Monat gezeigt. Da gibt es z.B. Filme einer Familie aus Wabern, die die akrobatischen Übungen der Familienmitglieder festhalten oder einen Film aus Basel mit Eindrücken von Fasnachtsumzügen und von einer Völkerschau (!) aus den Zwanzigerjahren. Ein Teil dieses Materials kann auch auf der Website des Lichtspiels angeschaut werden.
Berner 9.5-Fans
Im Archiv des Berner Lichtspiels lagern auch Statuten und Jahresberichte des 1953 gegründeten «Berner Filmclubs 9.5mm». Dieser zeitweise sehr aktive Verein von Amateurfilmern hatte einst über 100 Mitglieder, die sich international auch erfolgreich an Wettbewerben beteiligten. In den späten Sechzigerjahren bekamen diese Filmfreunde der ersten Stunde allerdings Konkurrenz von einem neuen Format. In den Jahresberichten liest man immer öfter vom «Angriff der Super-8-Filmer». 1969 wollten diese gar Clubmitglieder werden, was eigentlich angesichts des Mitgliederschwunds und der Überalterung bei den 9,5mm-Filmern erwünscht gewesen wäre. Aber das Ansinnen wurde abgelehnt. O-Ton aus dem Jahresbericht: «… bei den meisten (unserer) Mitgliedern setzte sich die Überzeugung durch, dass wir unser Ziel, die Erhaltung und Förderung des 9,5mm-Formates, nur erreichen können, wenn wir bleiben was wir sind. Wer würde sich für die 9,5er einsetzen, wenn im Club die anderen Formate in der Mehrzahl sind?»
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Der 9.5 Filmclub Bern bestand noch bis 2009, dann wurde er nach 56 Jahren aufgelöst und bloss noch als «lockere Kameradschaft» weitergeführt. Das Bedauern über die Auflösung des Clubs hielt sich wohl in Grenzen. Aber es gab – im digitalen Raum – immerhin auch Bedauern: «Schade, denn dieser Filmclub war immerhin noch der einzige Echtfilmclub ohne irgendwelche digitalen Ambitionen in der Schweiz. Es fand eine starke Überalterung statt und es waren schlussendlich einfach zu wenig Mitglieder, um ein Weiterbestehen aufrecht zu erhalten.»
Nach Informationen des Lichtspiels lebt heute wohl nur noch ein ehemaliges Mitglied des 9.5mm Filmclubs. Der Veteran hat – zusammen mit seiner Tochter – die Ausstellungseröffnung besucht.