Assessment Training, Laufbahnkarussell und Career Service: Die Programmpunkte der langen Nacht der Karriere sprechen eine eindeutige Sprache. Die Veranstaltung, die dieses Jahr zum dritten Mal auch an der Universität Bern stattfindet, richtet sich an Studierende und Alumni, die bedacht darauf sind, ihrer Laufbahn den nötigen Schwung zu verleihen. Die lange Nacht der Karriere ist eine schweizweite Aktion, heute findet sie an 14 verschiedenen Hochschulen gleichzeitig statt. Während sich in der UniS also alles, oder zumindest vieles, um die wichtigsten Tipps für CV und Bewerbungsgespräch dreht, wird nicht weit davon entfernt über ganz andere Themen diskutiert. Im Kirchgemeindehaus Paulus an der Freiestrasse laden Studierende zu der langen Nacht der Bildung. Dahinter steckt eine Gruppe von 10 Studierenden, die sich diesen Sommer zusammengefunden haben, um in Bern ebenfalls eine Gegenveranstaltung durchzuführen. Dies, nachdem letztes Jahr an der Universität Zürich als Alternative zur langen Nacht der Karriere erstmals eine «Lange Nacht der Kritik» stattfand.
Kein Platz für kritische Bildungsfragen
Die Berner Veranstaltung orientiere sich durchaus an dem Zürcher Vorläufer, jedoch handle es sich um einen unabhängigen Anlass, erklärt Mitorganisatorin Nora Trenkel: «Wir sind eine selbstorganisierte studentische Gruppe und mussten in Bern alles von Grund auf neu planen.» Der Begriff «Bildung» im Titel sei sehr bewusst gewählt, um den Widerspruch aufzuzeigen: Die Universität Bern lege ihren Fokus vermehrt auf Karriere, kritische Bildungsfragen haben da wenig Platz. «Wir beobachten eine innere und äussere Ökonomisierung der Universität», erläutert Mitorganisator Nils Wyssmann. «Einerseits werden die Studierenden während des Studiums verstärkt darauf getrimmt, ihr Wissen kapitalistisch zu verwerten. Andererseits nimmt der Druck der Wirtschaft von aussen auf die Universität zu.» Genau das zeige sich anhand von Veranstaltungen wie der langen Nacht der Karriere.
«Da die lange Nacht der Bildung zum ersten Mal stattfindet, wird es in erster Linie darum gehen, gemeinsam Fragen und Kritikpunkte aufzuwerfen», sagt Nora Trenkel, «und dann zu erörtern, wo wir aktiv werden können.» Hochschulpolitik geschehe oft einfach so, ohne dass es jemand mitbekäme, deshalb hinke man der Entwicklung meist hinterher, erklären die beiden, die an der Universität Bern Sozialanthropologie studieren. Für heute Abend stehen bereits drei konkrete Thesen im Raum, die gemäss der Website der Veranstaltung diskutiert werden sollen: Freie Bildung statt Prüfungswut / Bürgerinnen statt Arbeitsmaschinen / Echte Demokratie statt Scheinpartizipation. «Der Anlass ist offen für alle», erklärt Nora Trenkel, «es geht nicht nur um Bildung an der Universität, sondern allgemein um Bildung an Hochschulen. Wir hoffen auf ein sehr gemischtes Publikum.»
Prinzip der Ökonomisierung
Auf dem Programm der Nacht sind verschiedene Workshops, Vorträge, Diskussionen und Live-Musik. Einer der Referenten ist der Basler Soziologieprofessor Ueli Mäder. Gegenüber Journal B erklärt er, weshalb es wichtig sei, über Bildung und nicht Karriere zu diskutieren: «Bildung trägt dazu bei, Zusammenhänge und auch ein wenig sich selbst besser zu verstehen. Bildung ist ein demokratisches Gut, das demokratische Prozesse stabilisiert und qualifiziert. Karriere bezieht sich hingegen auf die individuelle Position und das persönliche Fortkommen.» Je nach Bedingungen schwemme es Leute nach oben, die wenig soziale Kompetenzen haben und sich auf Kosten von andern durchsetzen. Der Titel von Mäders Referat lautet «Ökonomisierung der Lebenswelt». Das Prinzip der Ökonomisierung setze sich seit Ende der Achtzigerjahre in der Wirtschaft und Gesellschaft stärker durch, so Mäder. «Es macht sich auch in zentralen Lebensbereichen und an Universitäten bemerkbar. So etwa mit einer stärkeren Orientierung am Markt und einem vordergründigen Nützlichkeitsdenken, das die kritische Distanz der Wissenschaft beeinträchtigt, die auf alle Seiten hin nötig ist.»
weitere Alternativveranstaltungen zur langen Nacht der Karriere an anderen Hochschulen:
Zürich: Freitag, 27. Oktober 2017
St. Gallen: Donnerstag, 16. November 2017
Basel: Donnerstag, 24. November 2017