Zwei Westschweizer Künstler in Bern

von Christoph Reichenau 24. Oktober 2019

Auf den ersten Blick sind es Nachbildungen in der Ästhetik von Computerspielen: Expressiv, grell, flächig. Bei näherem Hinsehen gibt die Oberfläche von Yannick Lambelets Bildern bei da Mihi tiefere Schichten preis. Duflon-Racz zeigt gleichzeitig Sébastien Mettraux.

«Le Chant des Sirènes» heisst Yannick Lambelets Ausstellung in der Galerie da Mihi. Die Sirenen waren in der griechischen Mythologie Mischwesen, halb Mensch halb Tier oder halb Mensch halb Fisch. Mit ihrem Gesang betörten sie Seefahrer und brachten sie zu Tode. In Homers «Odyssee» schützt sich der von Troja nach Hause fahrende Odysseus vor der Gefahr, indem er sich die Ohren mit Wachs verschliessen und an den Mast des Schiffs binden lässt. Sirenen waren in Musik und Malerei ein oft benutztes Motiv der Sehnsucht, der Verlockung und Verführung, der unerreichbaren oder in den Tod führenden Vereinigung.

Herausfordernde Assoziationen

Auch der Schweizer Maler Arnold Böcklin (1827-1901), vielen bekannt wegen seiner «Toteninsel», malte bunt und phantasievoll Sirenen. Auf Böcklin bezieht sich Lambelet ebenso wie er Motive und Figuren aus Comics, Computergames, liebliche Pop-Ikonen und unerwartet die Petersinsel als sorgfältig gemalte Idylle ins Bild setzt. Es sind vielschichtige, sehr freie Assoziationen des Künstlers, die den Betrachter und die Betrachterin herausfordern, zur Interpretation zwingen (was ist etwa mit dem wiederkehrenden Motiv der Banane gemeint?).

Man kann aber auch einfach durch die Ausstellung schlendern, wie man ein Comicheft durchblättert, hier und da genauer hinschaut, sich im Übrigen aber im Sog der Bilder treiben lässt. Ob die Ausstellung insgesamt eine Geschichte erzählt, kann offenbleiben. Zwei Bilder mit verwandtem Motiv – eines im ersten und eines im letzten Kabinett – lassen dies zumindest vermuten: Am Anfang sehen wir einen Pistolero, der uns den Rücken zuwendet und in eine entfernte liebliche Landschaft blickt; am Schluss richtet dieselbe Figur ihre Waffe auf den Betrachter, im Hintergrund die Ruinen eines Schlachthofs. Zur Entwicklung dazwischen können die vielen teils rätselhaften, teils eindeutigen Motive der übrigen Bilder beigezogen werden.

Schöne Kooperation

Yannick Lambelet, ein junger Künstler aus La Chaux-de-Fonds, bringt frischen Wind in die Galerie da Mihi. Direkt darüber, in der Galerie DuflonRacz, ist in der Ausstellung «In Silico» ein anderer Westschweizer Maler zu entdecken: Sébastien Mettraux.

Die beiden Galerien verbünden sich zu Gunsten der zwei jungen Künstler aus der Romandie. Am 26. Oktober findet ein gemeinsames Gespräch auf statt, das Stefanie Marlene Wenger moderiert. Dass es auf Englisch geführt wird, zeigt die Breite des Sprachgrabens – und unterstreicht die Bedeutung dieser Kooperation.

Und Martin Ziegelmüller

Übrigens: Am Wochenende des 26./27. Oktobers zeigt Martin Ziegelmüller neue Bilder in der Galerie Vinelz, nahe seinem Wohn- und Arbeitsort in Zusammenarbeit mit der Galerie da mihi. Damit wird eine Tradition fortgesetzt, die Dorothe Freiburghaus im ehemaligen Kunstkeller an der Gerechtigkeitsgasse 40 (heute eben da Mihi) gegründet hat.