Zwei Museen, zwei Direktoren, ein Maler

von Eva Pauline Bossow 6. Februar 2013

Nationalkünstler, Frauenheld, Pionier der modernen Malerei – der Schweizer Maler Ferdinand Hodler trägt viele Titel. Die Fondation Beyeler und das Kunstmuseum Bern geben ihm aus unterschiedlichen Perspektiven Raum.

 

Was bedeutet Hodler für die nationale, was für die internationale Kunst? Dieser Frage inklusive Antwort widmen sich direkt und indirekt die beiden Ausstellungen in Riehen (BS) und Bern. «Hodler ist einer der wichtigsten Maler seiner Zeit, ergo auch einer der grössten Berns», konstatiert der Direktor des Berner Kunstmuseums, Matthias Frehner. In der jährlichen Hauptausstellung «Mythos und Geheimnis» die ab 26. April 2013 in Bern zu sehen sein wird, werden wichtige Schweizer Maler, Plastiker, Grafiker und Fotografen zu den Künstlern der Nachbarländer in Verbindung gesetzt. Allen voran Ferdinand Hodler. «Wir zeigen mit Schlüsselwerken wie ‹Die Nacht›, ‹Der Tag› und ‹Der Auserwählte› Hodlers herausragende Stellung im internationalen Symbolismus und Jugendstil.» Weitere Künstler der Ausstellung sind Arnold Böcklin, Carlos Schwabe, Giovanni Segantini, Félix Vallotton und Gustav Klimt.

«Er konnte etwas wagen.»

Die Fondation Beyeler nimmt eine andere Einschränkung vor. Nicht der Symbolist, Politiker oder geschickte Inszenierer Ferdinand Hodler steht im Mittelpunkt, sondern der späte Maler. Einfach Maler, ohne Schublade.

«Seine grossen Themen – oder Obsessionen – sind überall der Tod, die Frauen und die Ewigkeit.»

Eva Pauline Bossow, freie Mitarbeiterin

«In den letzten fünf Jahren seines Lebens widmete sich Hodler finanziell abgesichert und anerkannt sehr persönlichen, berührenden Themen», erklärt Sam Keller, Direktor der Fondation. «Er konnte etwas wagen.» Und das tat Hodler. Am Kranken- und Sterbebett seiner Geliebten Valentine Godé-Darel zeichnete er ihre Konturen nach, hielt sie in jedem Stadium ihres Krebsleidens fest und bannte sie auf seine Leinwand. Der Bezug zum eigenen Leben und Erleben ist in jedem Bild spürbar. Seine grossen Themen – oder Obsessionen – sind überall der Tod, die Frauen und die Ewigkeit. Matthias Frehner: «Das Autobiografsche spielt im Werk dieses Künstlers in allen Schaffensphasen eine herausragende Rolle. In der ‹Nacht› findet Holders Auseinandersetzung mit dem Tod einen ersten Höhepunkt. Ohne die existenziellen Erfahrungen der ‹Nacht› sind die Sterbebilder der Valentine Godé-Darel nicht denkbar.»

Hodler als Wegbereiter der modernen Malerei

Auch in Riehen hebt man den Künstler mit der Ausstellung Ferdinand Hodler auf die internationale Bühne und zeigt seine Bedeutung als Wegbereiter einer modernen Malerei. Zu sehen sind neben dem Zyklus um Leben und Tod seine bekannten Landschaftsgemälde, zahlreiche Selbstporträts und der ‹Blick in die Unendlichkeit›, ein Tanzreigen mit variierten Frauenkörpern. «Er ist mehr als der Schweizer Nationalkünstler, in den späteren Jahren für mich vergleichbar mit berühmten Zeitgenossen wie Monet und van Gogh», hält Keller fest. «Trotzdem ist Hodler nur wenige Kilometer von hier viel weniger bekannt als bei uns.» Um dies zu ändern, suche sein Museum als Botschafter ganz bewusst Kooperationen mit internationalen Häusern. Eines davon war die Neue Galerie in New York, die bis Januar 2013 eine umfangreiche Schau seinen Spätwerken widmete.

Zwei Museen, zwei Aufträge

Inwiefern unterscheiden sich die zwei Museen? «Beide Häuser positionieren sich mit international bedeutenden Ausstellungen.

«Unsere Sammlung ist sicher hundert Mal umfangreicher.»

Matthias Frehner, Direktor des Berner Kunstmuseums

Unsere Sammlung ist jedoch sicher hundert Mal umfangreicher», grenzt Matthias Frehner Kunstmuseum und Fondation voneinander ab. Aus Riehen: «Sammeln, Ausstellen, Forschen, Bewahren – diese Tätigkeiten haben wir gemeinsam. Ich denke, unsere Perspektive ist im Gegensatz zu Bern vorwiegend international, denn mehr als zwei Drittel unseres Publikums stammt aus dem Ausland.»

Für einen gewissen Unmut zwischen dem Privatmuseum, gegründet vom Sammlerehepaar Hildy und Ernst Beyeler, und dem Kunstmuseum Bern sorgte 2011 die Giovanni-Segantini-Ausstellung. Grund war die thematische Neuausrichtung der Fondation – weg von der klassischen Moderne hin zur europäischen Malerei des 19. Jahrhunderts, auf die sich das Kunstmuseum spezialisiert. «Ausgangspunkt für unsere Ausstellungen sind die eigenen Kunstwerke. Daraus entwickeln wir eine Idee für künftige Programme und gehen damit auf andere Museen zu, um bestimmte Werke ihrer Sammlungen zu gewinnen. Die Beziehungen unter den verschiedenen Einrichtungen sind kollegial. Um Kosten zu sparen, teilen wir uns beispielsweise Transportkosten oder Kurierdienste», erzählt Keller.

Was verbindet Basel mit Bern?

Gibt es eine Brücke «Basel – Bern»? Sam Keller antwortet gerne:

«Bern war und ist eine wichtige Kunsthauptstadt. Ich schätze die avantgardistische Kunsthalle und es gibt viele gute Berner Künstler.»

Sam Keller, Direktor der Fondation Beyeler

«Bern war und ist eine wichtige Kunsthauptstadt. Ich schätze die avantgardistische Kunsthalle und es gibt viele gute Berner Künstler. Aber neben den all beruflichen Beziehungen – wie aktuell ein gemeinsames Restaurationsprojekt mit der Hochschule der Künste Bern – ist eine der schönsten eine private: Meine Frau kommt aus Bern.»

Und bei Matthias Frehner nachgefragt: Welches ist sein liebstes Hodler-Werk? «Seine allerletzten Genfer Landschaften, die zur Zeit in der Fondation Beyler zu sehen sind. Da erreicht er eine Intensität in der Konzentration auf das Wesentliche, die nicht zu steigern ist.»