Zuviel des Guten Grüns?

von Sabine Schärrer 20. Juni 2017

Wie lässt sich dem grünen Osten Berns ein kleiner urbaner Kick verabreichen?

An Grünräumen haben wir in Bern und ganz besonders in Berns Osten wahrlich keinen Mangel. Im Stadtteil IV muss man sich im Gegenteil gar fragen, ob nicht angesichts der vielen grossen Grünräume von den beiden Allmenden über die hintere Schosshalde bis zu Springgarten, Rosengarten, Wittigkofen, Elfenau, Dählhölzli, dem Aareraum und weiter bis zu den vielen stark durchgrünten Wohnquartieren und den grossen, der Öffentlichkeit entzogenen Botschaftsarealen das viele Grün nicht gar eine ‘kommunikationshinderliche Un-Dichte’ erzeugt. Ich jedenfalls hätte damals, als der liebe Gott im Lauf der Schöpfungswoche Grün und öffentliches Leben verteilte für Berns Osten gerne ein kleines Bisschen Grün gegen etwas mehr urbanes Feeling getauscht… Es ist übrigens zu vermuten, dass dafür weniger der Liebe Gott als vielmehr die menschengemachte Bauordnung und die Marktgesetze des Grundeigentums ausschlaggebend waren.

Im Freiraum findet öffentliches Leben statt

Berns neues Stadtentwicklungskonzept STEK 2016 hält unmissverständlich fest: «Zur qualitativ hochwertigen Verdichtung wird ein ausgewogenes Angebot an attraktiven öffentlichen Räumen sowie Landschafts- und Freiräumen vorausgesetzt. Im Freiraum findet öffentliches Leben statt. (…) Der öffentliche Raum als Begegnungsort für Personen unterschiedlichen Alters und Herkunft mit unterschiedlichen Lebensstilen, Interessen, Ressourcen gewinnt stark an Bedeutung.»

Wyssloch sei Dank!

Und tatsächlich: Es scheint, als ob sich im Herzen des Stadtteils IV ein zentraler Grünraum, das so genannte Wyssloch vom Egelsee bis zum Zentrum Paul Klee zu einem urbanen, vielfältig öffentlich genutzten naturnahen Erlebnis-, Arbeits-, Kultur- und Erholungsraum mausert, der Quartierteile verbindet, QuartierbewohnerInnen zusammenführt und Quartierleben pur verspricht. Hier der Beschrieb der einzelnen Puzzlestücke, die zusammengefügt bis in wenigen Jahren eine attraktive neue grüne Mitte des Stadtteils IV bilden werden.

Zuerst war das Parkkonzept…

Vor rund 10 Jahren entstand aus einem Wettbewerbsverfahren das Gestaltungskonzept für den ‘Stadtteilpark Wyssloch’, der die Hauptelemente der Wegführung, die Einbindung der geplanten Tagesschule sowie der Sport- und Spielanlagen festhielt. Heute ist man sich zumindest im Quartier einig, dass zu Gunsten eines möglichst natürlichen Landschaftsraumes nur so wenig als unbedingt nötig ‘verschönert’ werden soll…

Als nächste Entwicklung übernahm eine Handvoll aktiver Leute, die schon lange die mangelnden Spielgelegenheiten für Kinder beklagten, ein ungenutztes Stück Wiese zur temporären Nutzung als ‘Brachlandspielplatz Wyssloch’. Auf einer weiteren brachliegenden Fläche wurde nebenan ein Gemeinschaftsgarten als ‘Urban Gardeningprojekt’ installiert. Der nächste starke Treiber war die Schulraumplanung, die wie in fast allen Stadtteilen der realen Bevölkerungsentwicklung dermassen hinterher hinkte, dass 2016 in einem wahren Kraftakt direkt neben dem Brachlandspielplatz ein Schulhausprovisorium für 6 Klassen in Modulbauweise erstellt werden musste. Der bisher ohne öffentliche Gelder betriebene Brachlandspili wurde nun von der Stadt zu einem Pumptrack ausgebaut und gleichzeitig einigte man sich auf die sinnvolle gemeinsame Nutzung als Spiel- und Pausenplatz für Schule und Quartier.

Der alte Entsorgungshof

In einem vom Stadtplanungsamt und StadtgrünBern breit angelegten Mitwirkungsprozess wurden im vergangenen Jahr Vorstellungen entwickelt, wie kurz- und langfristig auf den Auszug des Entsorgungshofs am Egelsee reagiert werden soll. Klar im Vordergrund standen die Belebung durch eine Cafeteria am See sowie die Verfügbarkeit einiger Quartierräume wie Werkstatt, Treffräume und natürlich die Verbesserung des Angebots für Kinder und Jugendliche. Erfreulich ist, dass im Verlauf des Prozesses, ausgehend vom Brachland-, Spiel- und Gartenprojekt, von zwei Vereinsgründungen, der verbesserten Kommunikation mit dem Quartierleist, dem Einbezug des Familientreffs und weiterer Quartierakteure ein spürbarer Motivationsschub ausgelöst wurde, sich der Causa Egelsee-Wyssloch gemeinsam und lustvoll anzunehmen.

nume nid gsprängt…

Allerdings stehen der ersehnten Realisierung noch verschiedene Hindernisse im Weg: Die Schwierigkeiten zum Erhalt einer Baubewilligung bewogen den Gesuchsteller der Cafeteria – Café Bar Sattler, das Gesuch zugunsten einer provisorischen 3-monatigen Betriebsbewilligung und Pilotphase zu sistieren, und der geplanten Nutzung der übrigen Räume durch Quartier und Familientreff steht vorläufig die noch bis auf 2023 angelegte Zwischennutzung durch die Strassenreinigung entgegen. Es ist zu befürchten, dass angesichts dieser relativ langen Wartezeit die heute aktiven Gruppierungen sich resigniert zurückziehen. Umso wichtiger ist deshalb, dass das gemeinsam 2016 generierte Nachnutzungskonzept als länger tragende Vision der Quartierakteure rasch vorangetrieben und konkretisiert wird.

Last not least der neue Schulstandort – endlich eine Ganztagesschule!

Demnächst wird das Parlament über einen umfassenden Planungskredit für den definitiven Schulhausbau im Wyssloch ab 2022 und den Umbau des denkmalgeschützten Bauernhauses in eine Tagesschule unter Berücksichtigung des ursprünglichen Konzepts für den Stadtteilpark Wyssloch befinden.

Ein neues Schulgebäude – im Vortrag des Gemeinderats als ‘Schule im Park’ bezeichnet – ist ein wichtiges raum- und identitätsbildendes Element. Unverständlich ist jedoch, dass nach wie vor nicht geplant ist, nun endlich die laut Umfrage 2016 des Vereins ProBasis von 79% der Eltern dringend gewünschte Ganztagesschule zu realisieren. Es ist auch fraglich, ob es nicht ökologischer und ökonomischer wäre, auf den sehr teuren Ausbau des Bauernhauses zur Tagesschule zugunsten einer etwas grosszügiger konzipierten Ganztagesschule zu verzichten. Es ist zu hoffen, dass diese Punkte in der parlamentarischen Diskussion nochmals gründlich durchleuchtet und korrigiert werden! Einmal mehr wurden diese inhaltlichen Punkte des Wettbewerbsprogramms mit der Quartierbevölkerung nicht diskutiert, obwohl genau diese sozialen Aspekte für die weitere Quartierentwicklung ausschlaggebend sein werden.

Die grüne Schlagader des Stadtteils

Die Ingredienzien für die neue Mitte des Stadtteils IV liegen bereit, mit gutem Willen, etwas politischem Dampf und partizipativer Feinjustierung sollte eigentlich alles gut kommen um unserem grünen Stadtteil einen kleinen urbanen Kick zu verabreichen.