Zürich als Modell für Bern

von Beat Kohler 6. November 2012

Zürich verfügt über einen Anteil an genossenschaftlichen Wohnungen von 25 Prozent. In Bern sind es 10 Prozent. Die Initiative «Für bezahlbare Wohnungen» will das ändern. Hauseigentümer stehen neuen Regeln kritisch gegenüber.

«Die Leerwohnungsziffer von 0,44 Prozent signalisiert Wohnungsnot.» Das ist für das Initiativkomitee «Für bezahlbare Wohnungen» eindeutig. Die Initiative soll hier Abhilfe schaffen. Sie will den preisgünstigen, gemeinnützigen Wohnungsbau fördern. Linke und Grüne Parteien, sowie Mieterverband und Regionalverband der gemeinnützigen Wohnbauträger stehen hinter dem Anliegen.

«Die Leerwohnungsziffer von 0,44 Prozent signalisiert Wohnungsnot»

Initiativkomitee «Für bezahlbare Wohnungen»

Das Thema brennt vielen Direktbetroffenen unter den Nägeln. Verglichen mit anderen Städten ist die Situation in Bern eigentlich noch komfortabel. In der Stadt Zürich freute man sich diesen Sommer darüber, dass sich die Leerwohnungsziffer seit 2011 von 0,06 auf 0,10 Prozent fast verdoppelt hat. In Genf steht die Leerwohnungsziffer seit Jahren bei 0,25 Prozent. Annähernd so tief war sie in Bern letztmals im 2003. Damit der Wohnungsmarkt überhaupt funktioniert, ist eine gewisse Anzahl an leerstehenden Wohnungen notwendig. «In der Theorie wird ein Anteil leer stehender Wohnungen von etwa einem Prozent erwartet. Werte darunter zeigen eine Wohnungsknappheit an», schreibt die Stadt Zürich.

Auch in Bern herrscht also eine Wohnungsknappheit – und dies seit 1955 ununterbrochen, wie ein Blick auf die Entwicklung des Leerwohungsbestandes in der Stadt Bern zeigt. Dies nicht in erster Linie, weil mehr Leute in der Stadt wohnen, sondern weil der Platzbedarf der Bewohner immer grösser wird. Ein knappes Angebot führt zu höheren Preisen. Seit 2004 sind die Wohnungspreise in der Stadt Bern um fast 13 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Die Konsumentenpreise in der Schweiz erlebten in derselbe Zeit eine Teuerung von nur rund 6 Prozent. Wohnraum in Bern ist teuer.

Dass der Markt deswegen nicht funktioniert, das glaubt man beim Hauseigentümerverband Bern-Umgebung aber nicht, wie Sekretär Lukas Manuel Herren erläutert. «Man darf die Stadt Bern nicht isoliert anschauen», erklärt er. In den Mietwohnungen im Raum Bern wechselten bei rund 14 Prozent jährlich die Mieter. Das sieht er als Zeichen eines funktionierenden Marktes. Herren anerkennt, dass die Preise bei den ausgeschriebenen Wohnungen deutlich über dem Durchschnitt liegen können. Das benachteilige Zuzüger. Bei Wechseln unter der Hand seien die Preise aber deutlich tiefer.

Der HEV stellt sich nicht gegen genossenschaftlichen Wohnungsbau, will aber allfällige neue Regeln genau unter die Lupe nehmen. Die Kontrolle sei schwierig und zusätzliche Bürokratie erhöhe die Kosten ebenfalls. 

«Die Preise der angebotetenen Wohnungen liegen bis zu einem Drittel über den durchschnittlichen Preisen aller Wohnungen»

Daniel Blumer, Leiter der Förderstelle Gemeinnütziger Wohnungsbau Kanton Bern

«Die Preise der angebotetenen Wohnungen liegen bis zu einem Drittel über den durchschnittlichen Preisen aller Wohnungen», hält Daniel Blumer, Leiter der Förderstelle Gemeinnütziger Wohnungsbau Kanton Bern, fest. Jeder Mieterwechsel könne eine Wohnung massiv verteuren. Deshalb begrüsst Blumer die Stossrichtung der Initianten: «Genossenschaftliches Bauen ist zwar nicht unbedingt billiger als konventionelles, der Mehrwert der Wohnungen wird aber nicht abgeschöpft, sondern kommt langfristig den Mietern zu gute.»

Gesetzliche Vorgaben in der Stadt seien trotz Erfolgen für den genossenschaftlichen Wohnungsbau wichtig, sagt Blumer. Bei verschiedenen Projekten seien erst nach dem Eingreifen des Stadtrates Anteile an gemeinnützigem Wohnungsbau überhaupt vorgesehen worden. «In Bern besteht noch Handlungsbedarf», ist er überzeugt. Die Zahlen geben ihm recht: Im Gegensatz beispielsweise zu der Stadt Zürich, wo bereits über 25 Prozent der Wohnungen genossenschaftlich errichtet sind und dieser Anteil noch auf 33 Prozent erhöht werden soll, ist dieser Anteil in Bern bei lediglich knapp 10 Prozent.