Zensur in Kriegszeiten

von Basrie Sakiri-Murati 27. April 2022

Was Medienzensur bedeutet, wird in diesen Wochen überdeutlich. Staatlich verhinderte Information, offiziell verbreitete Lügen sind verheerende Waffen, weiss unsere Kolumnistin.

Während des Krieges in meiner Heimat gab es wenig Journalisten vor Ort. In den Medien erschienen höchstens kurze Live-Berichte aus dem Krieg. Es waren eher technische Berichte. Die wenigen albanischensprachigen Journalisten, die im Krieg waren, konnten ihre Berichte meistens nicht veröffentlichen. Es gab auch noch kein Internet und Kosovo-Albanische Zeitungen gab es ohnehin nicht.

Ich erlebe deshalb heute eine völlig andere Medienwelt: Die Welt des freien und unzensierten Journalismus. Journalist*innen berichten live aus der Ukraine – ohne staatliche Kontrolle und detailliert über alles, was sie sehen und erleben. Dies gilt bekanntlich nicht für die russischen Medienleute. Wenn sie ihre Meinung frei äussern, werden sie verfolgt, verhaftet, oder sogar getötet. Nur putin-freundliche Berichterstattung geht durch.

Selbst das Wort Krieg wurde den Journalist*innen bekanntlich verboten.

Ein Beispiel dafür ist die Prawda. Obwohl Prawda «die Wahrheit» heisst, unterliegen ihre Journalist*innen Putins Diktatur: Sie berichten Unwahrheiten über den Krieg und die Kriegsziele in der Ukraine. Ja, selbst das Wort «Krieg» ist ihnen bekanntlich verboten worden.

Dieselbe Strategie dominierte auch im Kosovo während der Zeit der kommunistischen serbischen Regierung. Es gab nur eine Tageszeitung in albanischer Sprache. Sie wurde streng vom Staat kontrolliert und stark zensuriert. Wenn die politischen Gefangenen die Zeitung ab und zu zum Lesen bekamen, wurden Artikel vorher ausgeschnitten. Dies habe ich von meinem Bruder erfahren, der im Jahr 1988/89 als politischer Gefangener inhaftiert war.

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Freie Presse im Kosovo gab es nur von illegalen politischen Organisationen, welche die Schriften unter der Hand verteilten. Deren Journalisten wie auch die Leser, zu denen ich zählte, wurden verfolgt und landeten nicht selten in den serbischen Gefängnissen und wurden mit hoher Strafe verurteilt. Es reichte manchmal, dass sie die Berichte/Zeitungen gelesen hatten.

Wenn in den Medien des Regimes überhaupt von Ereignissen vor Ort berichtet wurde, dann nur oberflächlich und nicht der Wahrheit entsprechend. Wenn die albanische Bevölkerung, Frauen mit kleinen Kindern und ältere Menschen, aus ihren brennenden Häuser vertrieben wurde, stand beispielsweise in den Medien: «Separatisten sind in die Wälder gegangen, um Angriffe gegen die Regierung zu planen.»

Dass mein Vater mit 7 Schüssen ermordet und anschliessend sein Haus angezündet wurde, wurde mit keinem Wort erwähnt.

Im Frühling 1989 musste ich mich wegen meiner politischen Aktivitäten und meiner Teilnahme an friedlichen Demonstrationen für drei Monate im Untergrund verstecken. Während dieser Zeit wurde meine Gruppe und ich als Terroristen bezeichnet und im ganzen Land intensiv gesucht. Dabei setzten wir uns nur für die Demokratie und die Republik Kosovo ein.

Als ich am 24.12.1998 via Fernseher die Nachricht vom Tod meines geliebten Vaters erfuhr, hiess es: «Es wurde bekannt gegeben, dass im Dorf Llapashticë nach Angriffen bei Tabet e Llapashticës die Leiche von Bajrush Murati (62) gefunden wurde». Dass er mit 7 Schüssen ermordet wurde, und dass anschliessend das Haus meines Vaters und viele andere im Dorf angezündet wurden, wurde mit keinem Wort erwähnt.

Kosovo ist heute ein freies und unabhängiges Land, aber manche Journalist*innen geniessen immer noch nicht die volle Freiheit. Dies liegt an den unterschiedlichen politischen oder finanziellen Interessen der Medienhäuser. Momentan gibt es im Kosovo nur Radio, Fernsehen und Internet-Portale. Die Zeitungen sind ganz verschwunden. Die Pandemie- und Wirtschaftskrise haben sie schwer getroffen. Sie hatten keine finanzielle Hilfe erhalten – weder von der Regierung noch von internationalen Organisationen oder Institutionen, welche die Entwicklung eines unabhängigen Journalismus ermöglicht hätten.