Wundertüte zwischen zwei Buchdeckeln

von Martin Jost 29. Dezember 2021

Für das Buch über die Alte Feuerwehr Viktoria wurde mehr als zwei Jahre recherchiert, gestaltet, fotografiert und geschrieben. Entstanden ist eine kreative Chronik – von der Feuerwehr zur heutigen Nutzung.

Die Beziehung der städtischen Feuerwehr zu ihrer Kaserne dauerte 78 Jahre. Das müssten doch beste Voraussetzungen sein für das Liebespaar, das sich im Restaurant Löscher in der Feuerwehr Viktoria kennen lernte. Und dem ein Kapitel des Buches «Feuerwehr Viktoria» gewidmet ist.

Es ist eine von vielen Geschichten; eine, die sich nahtlos einreiht in eine Vielzahl von Interviews, Porträts, Zitaten und Fotografien. In erster Linie sind es Geschichten von Menschen, die eine besondere Verbundenheit mit dem Ort haben. «Ja, das Buch braucht es», ist Rea Wittwer, Journalistin und Texterin, überzeugt. «So vieles ist hier entstanden, so viele Leute haben mitgemacht; ohne ein Buch wäre das alles einfach so passiert und mit der Zeit vielleicht sogar in Vergessenheit geraten.»

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Rea Wittwer gehört zusammen mit der Journalistin Sarah Forrer zu den treibenden Kräften für das Buchprojekt. Zusammengebracht habe sie Manfred Leibundgut. Der pensionierte Architekt und ehemalige Vereinspräsident war Mitinitiant der Zwischennutzung – und sehr hartnäckig. Ohne diese Eigenschaft wäre das Projekt kaum vollendet worden. Der visuelle Gestalter Tim Engel komplettierte das Kernteam, das sein Werk als eine Art Wundertüte bezeichnet. Als ein Sammelsurium, das erst gegliedert werden musste.

«Der Weg war das Ziel», blickt Sarah Forrer zurück, «am Anfang war es eher wie ein Traum. Mittlerweile stelle ich fest, dass all das, was wir dabei erlebten, ein grosser Lernprozess war. Eine tolle Chance, in einem Team etwas entstehen zu lassen. Das ist für mich das grösste Geschenk.»

Ein Buch wie ein Kunstwerk

Für Rea Wittwer soll das Buch auch ein grosses Dankeschön sein an alle, die in irgendeiner Form mitgemacht haben. Alle, das heisst in diesem Fall, viele Menschen, mit vielen unterschiedlichen Erfahrungen, Gefühlen und entsprechenden Statements, und allesamt fotografisch bereichert. Dazu gehören die Betriebe und Projekte in der Feuerwehr, die sich selbst vorstellen. Aber auch die kritische Nachbarin oder Quartierbewohner, Künstlerinnen und Politiker, genauso wie die Schlüsselfiguren im Hintergrund, die den Weg von der Feuerwehr zu einem zugänglichen Ort für alle ermöglichten. Und eben das Liebespaar, das als Sinnbild steht für die Liebe, mit der das Buch realisiert wurde.

Es ist ein kleines Meisterwerk der Buchkunst. Ohne Fesseln und doch geordnet, spielerisch und farbig gestaltet. Das Naturpapier verwöhnt den Tastsinn und ist gebunden mit einer offenen Fadenbindung, welche, so Rea Wittwer, an die Unfertigkeit einer Zwischennutzung erinnern soll. Eine Wundertüte eben, gespickt mit so vielen Überraschungen, dass selbst die Macherinnen und Macher immer wieder überrascht wurden von all den inspirierenden Geschichten, die auf sie zukamen. «Die Freude, mit der alle Beteiligten mitwirkten, war für uns eine der schönsten Erfahrungen während der Entstehung des Buches», sagt Sarah Forrer.

Ob das Buch eine Wirkung nach aussen erzielen wird, weiss Rea Wittwer nicht. Hoffnung hat sie hingegen schon: «Vielleicht machen wir anderen Mut, ihre Projekte in die Realität umzusetzen. Es wäre sehr schön, wenn das Beispiel Feuerwehr zeigt, dass so etwas entstehen kann. Dass Orte zugänglich gemacht werden können für die Menschen, die dort leben.»

 

Dieser Text erschien zuerst im «Anzeiger für das Nordquartier», Nr. 22/21.