Wortreich für mehr Gleichstellung

von Janine Schneider 4. Mai 2023

Poetry Slam Auf den Schweizer Slam-Bühnen sind FLINTA+ Personen immer noch untervertreten. Eine Berner Slamreihe will das ändern.

Es ist ein ungewohnter Anblick. Als zum Schluss des Poetry-Slam-Abends im VISAVIS nochmals alle auf die Bühne kommen, steht da kein einziger Mann. Im Schweizer Poetry Slam ist es sonst oft umgekehrt. «Mir ist es immer wieder passiert, dass ich die einzige Frau im Line-Up war», erklärt Jessica Brunner, selbst Slam Poetin und zusammen mit Olivia Vera Veranstalterin der neuen Slamreihe «WORT*reich». Dabei gäbe es im U20 Bereich eigentlich viele junge Slam Poet*innen, viele würden dann aber wieder aufhören.

Das hat verschiedene Gründe: Zum einen lässt sich beobachten, dass FLINTA+ Personen in der Tendenz häufiger ernstere Themen ansprechen und weniger auf Comedy setzen. Letzteres trägt im Slam aber oft den Sieg davon. Was die Slam Poet*innen dann möglicherweise wieder entmutigt weiterzumachen. «Dahinter stecken strukturelle Gründe und Rollenbilder», meint Jessica Brunner, «cis Männern wird von der Gesellschaft einfach schon mal ein grosses Selbstvertrauen mitgegeben. Das hilft auch im Poetry Slam.» Ausserdem würden bisher oft Männer Poetry Slams veranstalten, was wiederum das Line-Up beeinflusse.

Einige Eindrücke vom ersten WORT*reich Poetry Slam. (Foto: Noah Pilloud)
Foto: Noah Pilloud

 

Eine Chance für alle

Das Verhältnis zwischen den Geschlechtern steht im Slam allerdings gerade an einem Wendepunkt. Das merken auch die beiden Veranstalterinnen. «Zuerst zweifelten wir daran, ob wir genug Auftretende für einen monatlichen Slam finden würden», so Jessica Brunner, «aber wir haben schnell gemerkt, dass es eigentlich sehr viele Slam Poet*innen gibt. Sie sind schon da. Man muss sie nur noch buchen.»

Überflüssig sei ihre Slamreihe trotzdem nicht. Mit WORT*reich wollen sie nämlich nicht nur eine Bühne für FLINTA+ Personen öffnen und damit den Slam Poet*innen eine regelmässig stattfindende Plattform bieten, sondern gerade auch  gerade auch unerfahreneren Slam Poet*innen die Möglichkeit bieten, ihre Texte zu erproben und sich in der Slamszene zu vernetzen. Auf letzteres legen die beiden Veranstalterinnen besonders viel Wert und sehen ihre Slamreihe auch als Chance für die Slamszene selbst.

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«Durch die Slamreihe werden wir sehr viele neue Gesichter kennenlernen. Wenn andere Veranstalter*innen Probleme haben, FLINTA+ Personen für ihr Booking zu finden, können sie sich in Zukunft an uns wenden», meint Jessica Brunner. Ihre Slamreihe könnte also vielmehr sein als bloss ein weiterer Poetry Slam in Bern, sie könnte eine Ressource sein für eine diversere Slamszene.

In Zukunft hoffentlich überflüssig

Das szeneninterne Echo ist auf jeden Fall durchwegs positiv. Auch der erste Slam, der am 14. April durchgeführt wurde, hat gezeigt, dass ein FLINTA+-Slam zum aktuellen Zeitpunkt mehr als willkommen, ja notwendig ist. Die guten Rückmeldungen der Slam Poet*innen haben die beiden Veranstalterinnen, die auch die Moderation übernehmen, darin bestärkt, dass eine FLINTA+-Bühne ein guter Ansatz ist, um die Diversität in der Szene zu fördern. «Ich hoffe natürlich, dass eine solche Veranstaltungsreihe irgendwann überflüssig sein wird. Dass irgendwann alle Slams divers und alle Bühnen safer spaces sind», sagt Jessica Brunner zum Schluss. Aber bis es so weit ist, kommen die Berner*innen in den Genuss einer weiteren lohnenswerten Berner Slamreihe.

Foto: Noah Pilloud

 

Anmerkung: Das Akronym FLINTA+ steht für Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen – also für all jene, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität diskriminiert werden.