Dieser Tage flattert Post des Hauseigentümerverbandes (HEV) in viele Briefkästen in der Stadt Bern. Mit einem Flyer bekämpfen die Hauseigentümer die Teilrevision der städtischen Bauordnung. Diese will den Wohnraumschutz erhalten, der bisher kantonal geregelt war (siehe Kasten unten).
Wozu der Wohnraumschutz gut sein kann, zeigt das Beispiel der Pathologie Länggasse. Räume die ursprünglich eine Bewilligung für Büronutzung erhielten, werden heute als Labor genutzt. Dafür wurden im 1. Stock Wohnungen zu Büroräumen umgenutzt. Eine Baubewilligung für die Umnutzung liegt nicht vor. Nun wird im nachträglichen Baubewilligungsverfahren geprüft, ob der Wohnraumschutz eingehalten wurde.
Die Gegner des Wohnraumschutzes finden solche Prüfungen überflüssig. Die Revision sei kontraproduktiv, weil sie die Rahmenbedingungen verschlechtere sowie Neubauten und Sanierungen verhindere, schreibt der HEV. Zudem habe die Regelung bisher nur in ganz wenigen Fällen eine Umnutzung verunmöglicht und rechtfertige deshalb den bürokratischen Aufwand nicht. Der Vizepräsident des HEV Bern und Umgebung, Adrian Haas, argumentiert zudem, dass dadurch bestehende Gewerberäume nicht in Wohnungen umgenutzt würden, weil sie später nicht mehr als Gewerbefläche genutzt werden könnten.
«Ohne die Vorschrift könnten 5500 Wohnungen in der Stadt umgenutzt werden»
Rithy Chheng, Stadtrat SP
Für Vertreter verschiedener links-grüner Parteien und des MieterInnenverbandes sind diese Argumente schlicht falsch, wie sie an einer gemeinsamen Medienkonferenz klar gemacht haben. Wie Wohnungsnot in der Stadt Bern sei eine Realität und jede umgenutzte Wohnung verschärfe das Problem, erklärte beispielsweise Rithy Chheng, Stadtrat SP. «Ohne die Vorschrift könnten 5500 Wohnungen in der Stadt umgenutzt werden», erklärte er. In einer Stadt, in der 70 Prozent Mieterinnen und Mieter leben sei dies nicht unerheblich. Zumal der Leerwohnungsbestand praktisch ständig unter einem Prozent liegt.
Auch wenn die Vorschrift bisher nicht so häufig zur Anwendung gekommen ist, hat sie auch eine präventive Wirkung, wie Christine Michel, Stadträtin GB, überzeugt ist. Da die Bevölkerung in der Stadt wächst und es sowohl aus Verkehrstechnischen wie auch aus Umwelttechnischen Gründen besser ist, wenn die Menschen dort wohnen, wo sie auch arbeiten, braucht die Stadt mehr Wohnungen. Wenn gleichzeitig im Stadtzentrum Wohnungen leichter für gewerbliche Nutzungen umgenutzt werden könnten, dann wäre dies aus Christine Michels Sicht kontraproduktiv.
«Mit dieser Teilrevision können wie ein bewährtes Instrument fortführen»
Natalie Imboden, Präsidentin MieterInnenverband Regionalgruppe Bern
«Der Titel der Abstimmung ist eigentlich irreführend, denn mit der Änderung der Bauordnung wird der Status-Quo beibehalten», erklärt Daniel Klauser, Stadtrat GFL. Die Regelung sei verhältnismässig und ermögliche auch Ausnahmeregelungen. «Der Wohnraumschutz ist kein Allheilmittel gegen die Wohnungsnot, aber ohne diesen Artikel wäre es noch schlimmer», ist er überzeugt.
«Mit dieser Teilrevision können wie ein bewährtes Instrument fortführen», doppelt Natalie Imboden, Präsidentin MieterInnenverband Regionalgruppe Bern, nach. Nur weil in anderen Städten kein Bedarf für eine solche Regelung besteht sie auch in Bern zu verbieten, findet sie unsinnig. «Dass diese Regelung Neubauten verhindert, das sind Ammenmärchen», erklärt sie. Im Gegenteil: Das Verfahren werde sogar vereinfacht.
Am 9. Juni wird nun die Stimmbevölkerung die Möglichkeit haben, über den Wohnraumschutz abzustimmen.