Wohnbau-Initiative als Voraussetzung für mehr genossenschaftlichen Wohnraum

von Lukas Blatter 9. Mai 2014

Am 18. Mai stimmt die Stadtberner Stimmbevölkerung über die «Initiative für bezahlbare Wohnungen» ab. Journal B hat Rolf Zurflüh, Präsident der Eisenbahner Baugenossenschaft Bern EBG, getroffen.

Mit einem warmen Händedruck begrüsst mich Rolf Zurflüh im Verwaltungshaus der EBG Bern. Der Präsident der EBG wohnt bereits seit 1976 in der Genossenschaft und engagiert sich für sie seit über dreissig Jahren aktiv. «Ich wollte der Genossenschaft dankbar etwas zurückgeben dafür, dass ich hier leben darf», begründet Zurflüh seinen persönlichen Einsatz.

Die Möglichkeit, mitzugestalten

Wie viele andere im Vorstand und der Genossenschaft kommt auch Zurflüh aus der Eisenbahnerbranche. Bis zu seiner Wahl bzw. Einstellung als Präsident und Geschäftsführer bei der EBG arbeitete er im Finanzbereich der SBB.

«In einem solchen Grossbetrieb bietet sich kaum die Möglichkeit, mitzugestalten», erklärt Zurflüh. Dies sei in der Genossenschaft anders: «In Mietergenossenschaften wie der EBG haben alle Mietenden Mitbestimmungsrecht.»

Das hat ihm an der EBG so stark gefallen, dass er sich im Jahre 2000 auch dazu bereit erklärte, den Posten des Präsidenten zu übernehmen. Dies unter anderem in der Absicht, im Folgejahr als Geschäftsführer der Genossenschaft angestellt zu werden. «Meine Motivation war und ist es auch heute noch, mitbestimmen zu können bei einem Projekt, das mir sehr am Herzen liegt.»

Mittlerweile ist Rolf Zurflüh pensioniert. Dadurch bleibt ihm viel Zeit für sein Amt. Der zeitliche Aufwand, der sich mit 20-30 Prozent in überschaubaren Dimensionen bewegt, gehe aber weit über das einfache Ausüben eines Amtes hinaus.

«Angemessenes Wohnen ist ein Menschenrecht, welches der Markt nur ungenügend einlöst.»

Rolf Zurflüh

Als Präsident führt Zurflüh durch Sitzungen, bearbeitet Reklamationen und vertritt die Genossenschaft gegen aussen. «Die Arbeit für eine Genossenschaft wie die EBG ist eine äusserst interessante und lehrreiche Erfahrung», sagt er. Man lerne viele neue Personen kennen und tausche sich untereinander in der Genossenschaft aus.

Kostenmiete als vernünftiges Mittel

Kommt man auf die städtische «Wohnbau»-Initiative zu sprechen, merkt man schnell, dass Rolf Zurflüh eine klare Position vertritt: «Angemessenes Wohnen ist ein Menschenrecht, das der Markt nur ungenügend einlöst.»

Deshalb brauche es Massnahmen wie eben diese Initiative, die es den Genossenschaften leichter mache, Bauland zu kaufen und kostengünstige Wohnungen zu bauen. «Die Kostenmiete, die von Wohnbaugenossenschaften angeboten wird, ist ein vernünftigeres Mittel als beispielsweise Sozialwohnungen der Stadt Bern», so Zurflüh.

Die EBG ist eine Mietergenossenschaft. Alle, die in Wohnungen der EBG wohnen, müssen auch Genossenschaftsmitglied sein. Im Gegensatz zu den sogenannten Handwerkergenossenschaften erhalten damit alle auch ein Mitspracherecht und hohen Kündigungsschutz. Anmelden als Genossenschaftsmitglied kann man sich übers Internet.

«Viele haben Interesse an einer Wohnung und beantragen bei uns auf der Website ihre Mitgliedschaft», weiss Rolf Zurflüh. Bei der Wohnungsvergabe werde dann auf das Eintrittsdatum geachtet. Es gilt: Je früher, desto besser.

Bei Annahme der «Initiative für bezahlbare Wohnungen» will die 1919 mit 270 Wohneinheiten im Weissenstein gegründete Baugenossenschaft – der heutiger Wohnungsbestand liegt bei 649 Wohnungen – moderat weiterwachsen. Das hat der Vorstand der EBG beschlossen. «Die Initiative ist eine sehr gute Voraussetzung für uns, in der Stadt Bern weiteren Wohnraum zu schaffen», ist sich Zurflüh sicher.

Blick in die Zukunft

Mit Rolf Zurflühs Pensionierung als Geschäftsführer im Jahre 2009 einher ging die definitive Einführung einer Geschäftsstelle sowie die Aufhebung des Milizzustandes. Das seien wesentliche Voraussetzungen, nunmehr zuversichtlich in die Zukunft blicken zu können, sagt Zurflüh.

Wenn er an der nächsten Jahresversammlung als Präsident zurücktritt, findet sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin eine gut funktionierende Geschäftsstelle vor und erhält damit die Chance, die eigenen Erfahrungen an der Spitze der Eisenbahner-Genossenschaft zu sammeln.

Immer mehr Familien und auch junge Menschen treten der Genossenschaft bei. «Auch sie sind bereit, sich in Zukunft im Vorstand zu engagieren.» Gute Voraussetzungen also, dass die Genossenschaft auch weiterhin günstigen Wohnraum anbietet.