«Wir mussten unbedingt grösser werden»

von Urs Frieden 6. Mai 2015

Das Berner Quartierrestaurant «Wartsaal» zieht es in die Agglomeration. Journal B hat sich mit Teilhaber Tobias Roder über den Einstieg der Wartsaal-Leute beim Restaurant «Im Quadrat» in Zollikofen unterhalten.

Seid ihr übermütig geworden? Kaum hat der Wartsaal in der Lorraine Fuss gefasst, expandiert ihr schon in die Agglomeration und übernehmt in Zollikofen das «Quadrat».

Tobias Roder:

Es gibt dafür zwei Gründe. Erstens das Restaurant an sich, der Raum, das gute Einvernehmen mit Verpächter Dan Hodler. Zweitens bietet sich uns so die Chance, gewisse Kosten, etwa bei der Administration, auf zwei Betriebe aufzuteilen. Auch können wir mit zwei Betrieben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgeglichener einsetzen. Zudem können wir in der grossen Quadrat-Küche ab und zu für den Wartsaal produzieren. Wir glauben, dass wir mit dem Restaurant «im Quadrat» die Chance, den wartsaal langfristig finanziell auf eine solide Basis stellen zu können, deutlich erhöhen. Wir mussten grösser werden, um zu überleben.

Wieso gerade Zollikofen?

Wie schon gesagt. Es ist ein wundervoller Raum, man isst in der Möbelausstellung, die sich ständig verändert. Wird ein Tisch verkauft, wird er durch einen anderen ersetzt. Die umgebaute Lagerhalle hat einen einzigartigen Charme. Die Kooperation mit Dan Hodler und der Quadrat AG ist der zweite Grund, der für Zollikofen spricht. Wenn man auf ein solch inspiriertes Team trifft und sich die Chance zur Zusammenarbeit bietet, sagt man nicht Nein.

Habt ihr die KG Gastrokultur GmbH, die das Quadrat betrieb und unter anderem das Du Nord und das Vidmar-Beizli führt, unschön verdrängt?

Ich weiss sehr wenig über die Vorgeschichte. Die Vorstellungen waren offenbar nicht deckungsgleich.

In der Agglo zu wirten – das kann ja nicht gut kommen…

Das sehe ich anders. Das Restaurant ist gut eingeführt, und mit T-Systems, SBB und dem Bundesamt für Informatik hat es mehrere grosse Arbeitgeber in der Nähe. Gestern hatten wir 60 Mittagessen, das ist schon mal sehr erfreulich.

Und am Abend?

Grundsätzlich wollen wir das Rad nicht neu erfinden. Ausser an jedem 5. im Monat, wo wir einen 5-Gänger, und jedem 25., wo wir ein 25-Franken-Menu anbieten, wird das Restaurant nur für geschlossene Gesellschaften geöffnet sein. Ab Herbst kommen allenfalls vereinzelte kulturelle Events dazu. Eigentlich ist das Quadrat optimal gelegen, mit guter ÖV-Anbindung und ohne lärmempfindliche Nachbarschaft zwischen Schiene und Hauptstrasse. Wir sind gerade daran, diese Angebote zu entwickeln.

Was erwartet die Gäste kulinarisch? Regional und saisonal?

Das machen heute fast alle, da ist keine Abgrenzung mehr möglich. Im Wartsaal speziell sind ja die kombinierbaren Menus. In Zollikofen bieten wir eine klassisch europäische Küche, die vom Vegimenu her aufgebaut ist. Da haben wir mit Leila Fürbringer, ehemals «&Söhne» und «Sous Le Pont», die geeignete Köchin. Speziell ist ein Business-Menu für 40 Franken inklusive Kaffee und Dessert – es stehen jeweils drei verschiedene Desserts aus eigener Produktion zur Auswahl. Spannend könnten die Samstage werden, wo von 10 bis 16 Uhr der Ü-60-Verein «Samstag im Quadrat» das Lokal zu einem sozialen Treffpunkt macht – auch mit dem vom Wartsaal her bekannten Sprachenkaffee.

Du bist Initiant der Aktion «Seitensprung», die die kleinen Bars in Bern vernetzt. Müsst ihr jetzt aussteigen, weil ihr eine kleine Kette seid?

Nein, ich glaube nicht. Ich habe noch keine dahingehenden Forderungen vernommen und mit anderthalb Lokalen sind wir noch keine Bindellas. A propos «Seitensprung»: Wir müssen das wieder mehr bewerben. Gerade die Gutscheine, die in 14 Lokalen gelten, sind doch praktisch – als Geschenk und als Zahlungsmittel.

Wollt ihr noch weiter wachsen?

Der Wartsaal und jetzt auch das Quadrat waren nicht geplant. Vielmehr hat sich uns jeweils eine Chance geboten, die wir gepackt haben. Wer weiss, was die Zukunft bringt. Aber, um die Frage zu beantworten: Wir suchen nicht. Uns interessiert die qualitative Schiene. Und wir wollen so arbeiten, dass alle an unserem Erfolg teilhaben. Wenn wir also jemals wirklich profitabel arbeiten, sollen die, die tagtäglich dafür arbeiten, bessere Löhne haben. Das ist etwas, worum ich beispielsweise das Adrianos beneide. Aber es gibt leider ein Branchenproblem: Die Marge ist extrem dünn – über 60% aller Betriebe arbeiten laut Gastrosuisse defizitär.

Und der Wartsaal?

Dank WM und Lorraine-Chilbi konnten wir letztes Jahr schlechte Monate kompensieren und einen kleinen Gewinn erwirtschaften. Ziel muss sein, einen Gewinn ohne Sonderevents zu erwirtschaften.