«Wir haben einen neuen Beruf erfunden»

von Christoph Reichenau 18. August 2017

Morgen Samstag öffnet das Museum für Kommunikation seine Türen wieder, und zwar mit einem grossen Fest für Jung und Alt. Was ist neu und anders als vor dem Umbau? – Ein Gespräch mit der stolzen Direktorin Jacqueline Strauss.

Journal B: Jacqueline Strauss, was ist neu und anders, wenn am Samstag nach mehrmonatiger Schliessung das neue Museum für Kommunikation – wie ihr es nennt – seine Türen öffnet?

Jacqueline Strauss: Alles ist neu und anders. Die vollständig erneuerte Kern-Ausstellung zum Thema Kommunikation beginnt auf dem Vorplatz und zieht sich durch das ganze Haus. Sie soll bis 2030 Geltungskraft haben. Das Haus selbst wurde baulich umorganisiert, um dies möglich zu machen.

Warum bis 2030?

2003 ist im Museum für Kommunikation (MfK) letztmals eine grosse Dauerausstellung neu gestaltet worden. Etwas später gab es ergänzend zwei kleinere Dauerausstellungen. Aus Erfahrung «hält» eine Dauerausstellung etwa zehn bis fünfzehn Jahre, auch wenn man den Finanzaufwand berücksichtigt.

Was kostete die Erneuerung und wer finanzierte sie?

Der Gesamtaufwand beläuft sich auf 11 Millionen Franken. 2 Millionen kostet der architektonische Umbau, 6 Millionen der Bau der Ausstellung, 3 Millionen die inhaltliche Recherche, Vermittlungsangebote, Publikationen und das Marketing.

7,6 Millionen stammen aus Eigenmitteln; dafür haben wir während zehn Jahren aus den ordentlichen Betriebsbeiträgen von Post und Swisscom Rückstellungen zusammengespart. 3,4 Millionen leisten Dritte, davon der Kanton 1,2 Millionen und die Stadt 0,4 Millionen. Der Rest kommt von Stiftungen, Unternehmungen und aus Crowdfunding.

Ändert auch der Museumsbetrieb?

Ja, erheblich. Wir haben einen neuen Beruf erfunden, die Kommunikatorin respektive der Kommunikator ersetzt die bisherigen Aufsichten sowie die Angestellten an Kasse und Empfang. Neu werden eine bis zwei Kommunikatorinnen an der Rezeption präsent sein, drei bis vier in der Ausstellung. Insgesamt sind in dieser Funktion für sechs Tage in der Woche zwanzig Personen in Teilpensen unbefristet angestellt. Sie ermöglichen einen «massgeschneiderten» Museumsbesuch.

Worin besteht der neue Beruf?

Die Kommunikatorinnen und Kommunikatoren wurden für ihre Aufgabe ausgebildet. Sie sollen unter anderem mit Leuten umgehen können, aber auch mit Fragen der Sicherheit im Haus. Zudem können sie Inhalte der Ausstellung vermitteln. Die mit einem Zertifikat, das noch nicht offiziell anerkannt ist, schliessende Ausbildung hat das MfK mit Fachleuten zusammen konzipiert. Eintrittsvoraussetzungen sind eine abgeschlossene Ausbildung und ein besonderes Interesse an Kommunikationsfragen; pädagogische und Vermittlungserfahrung sind hilfreich. Wir wollen die Ausbildung praxisnah weiterentwickeln und für das Zertifikat eine offizielle Anerkennung erlangen.

Und was ändert sich in der Ausstellung?

Sie ist stärker als bis heute gegenwarts- und zukunftsbezogen. Sie ist dynamisch kuratiert, das heisst: Regelmässige Anpassungen sind eingeplant; sonst ist es unmöglich, für ein paar Jahre eine gültige Ausstellung zu einem Bereich zu gestalten, der sich technisch derart rasch entwickelt. Und sie ist integrativ: Die Beschäftigung mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Gesellschaften zieht sich als roter Faden durch das ganze Haus und wird in der Zone «Big Data» zusätzlich vertieft. Schliesslich: Die Ausstellung ist in Schichten angelegt; sie beginnt mit Zeichentrickfilmen, Erlebnissen, Objekten und geht dann immer mehr in die Tiefe.

Bleibt das MfK ein besonders familien- und kinderfreundliches Museum?

Den Charakter eines «Museums zum Anfassen und Ausprobieren» verstärken wir noch. Kinder werden nicht separiert. Für die Vier- bis Achtjährigen, die noch nicht gut lesen können, gibt es neu einen besonderen Rundgang mit zwölf Stationen.

Kann man sagen, dass das MfK den Zwang zur Erneuerung als Chance genutzt hat?

Das war unsere Absicht. Wir gehen davon aus, dass unsere Besucherinnen und Besucher alle Expertenwissen im Thema Kommunikation haben und wir ihnen auf Augenhöhe begegnen. Wir verstehen unser Museum zudem als Forum, nicht als Tempel. Als Forum, in das man nicht ausschliesslich kommt, um eine Ausstellung zu besuchen, sondern auch, um Freunde zu treffen, sich einen Regensonntag um die Ohren zu schlagen, einen Kaffee zu trinken, im Shop zu stöbern, zu verweilen usw. – oder gar nicht erst hereinzukommen, sondern draussen auf den neuen Holzplanken und den roten Stühlen zu verweilen.

Was lässt sich am Eröffnungsfest vom Samstag erleben?

Primär die Ausstellung, unser neues Herzstück. Dann auch deren «Making of» in Kurzfilmen zu Aspekten der Entstehungszeit. Spannend ist «Die Polstergruppe», ein fliessendes Konzert in der Lounge im Obergeschoss nach einem Konzept von Simon Baumann und Stefan Eicher. Auf der Dachterrasse findet man eine Bar mit Ausblick.