«Wir arbeiten, wo andere ihre Freizeit verbringen»

von Janine Schneider 1. Mai 2024

Gastronomie Mit dem Restaurant Rio eröffnet im Mai ein neues Lokal am Aareufer in Worblaufen. Die Gastronominnen Dagmar Flückiger und Stephanie Sohm möchten ihre Gäste das ganze Jahr über bewirten.

Noch ist das sommerliche Aare-Idyll eine Baustelle aus Schotter und Kies. Mehrere Bagger und eine Schuttmulde stehen auf trockener Erde, über allem liegt der Geruch nach Holz und Sonne und von Zeit zu Zeit donnern orange RBS-Züge über die hohen Bögen der Worblaufenbrücke. Weit unter ihr rauscht die Aare – verhalten, denn jetzt noch vor der Schneeschmelze führt sie wenig Wasser.

Aber die Baustelle täuscht. Die Eröffnung des neuen Restaurants Rio am umgestalteten Ittiger Aareufer ist nur noch eine Woche hin, bald soll hier schon eine Wiese gesät werden, ein grüner Spiel- und Tummelplatz für kleine und grosse Gäste. Drinnen stehen bereits die eigens fürs Lokal geschreinerten Tische und Stühle. Auch die Kaffeemaschine ist endlich eingetroffen. Und einer der blauen Tische hat schon seine erste Schliere abbekommen. «Jetzt putzen wir das noch», lacht Stephanie Sohm und versucht die schwarze Schleifspur mit einem nassen Lumpen zu entfernen, «In zwei Wochen wahrscheinlich schon nicht mehr. Dann wird hier gelebt.»

«Eine Beiz am Wasser, das ist der Traum jeder Gastronomin.

Das Restaurant Rio öffnet seine Pforten am 8. Mai. Von da an soll hier gegessen, getrunken und akustischen Klängen gelauscht werden können. Unter der Woche bieten die beiden Gastronominnen Stephanie Sohm und Dagmar Flückiger in Zusammenarbeit mit der Küchen-Co-Leitung jeweils eine Mittagskarte, Apéroplättchen und Snacks sowie eine Abendkarte an. Wochenends wird gebruncht. Und das alles direkt an der Aare.

«Eine Beiz am Wasser, das ist der Traum jeder Gastronomin», sagt Stephanie Sohm und strahlt übers ganze Gesicht. «Wo andere ihre Freizeit verbringen, können wir arbeiten», fügt Flückiger hinzu, «Das ist wirklich ein Geschenk.»

Stephanie Sohm und Dagmar Flückiger leiten das Restaurant Rio und möchten damit einen «Ort für alle» schaffen. (Foto: Janine Schneider)

Bestehendes weitertragen

Das Gebiet zwischen Löchligut und Worblaufen ist für einige Berner*innen immer noch unbekanntes Gebiet. Nicht so für Dagmar Flückiger: Als sie mit 17 Jahren zum ersten Mal nach Bern zog, hatte sie ihre erste Wohnung in Worblaufen. «Wir haben damals viel Zeit hier unten an der Aare verbracht», erinnert sie sich, «Sei es in der Aarehütte oder einfach am Flussufer.»

In den vergangenen Jahren hat sich das Gebiet stark verändert. Die alte Aarehütte wurde abgerissen, das Aareufer zwischen der ARA Worblaufen und dem Löchligut renaturiert und abgeflacht, mit der Überbauung «Hammerwerke» entstanden zudem fünf neue Wohnblöcke. Trotz der kompletten Umgestaltung bleibt viel Altes weiterhin erhalten. Dazu hat die Gemeinde 4,6 Millionen Franken in den Mehrzweckbau am Aareufer investiert. So finden im modernen Holzbau neben dem Restaurant Rio auch in Zukunft ein Wassersportfreizeitzentrum und verschiedene Bandräume Platz. Die Boote der Pontoniere lagern ebenfalls weiterhin vor der Stützmauer im Aarewasser, wöchentlich finden hier deren Trainings statt.

Die Boote der Pontoniers haben auch am ungestalteten Aareufer Platz. Im Hintergrund die Worblaufenbrücke. (Foto: Janine Schneider)

Auch im Restaurant Rio soll bereits Bestehendes weiterverwendet werden. «Wie zum Beispiel die VeloStage», sagt Flückiger. Auf der VeloStage, ein zu einer Bühne ausbaubares Cargobike, werden die Konzerte im Rio stattfinden. Es gehört einem der zehn Gründungsmitglieder des Rio, die hinter der Gastroeröffnung stehen. Zwar führen Flückiger und Sohm die Beiz, sie werden jedoch von weiteren acht tatkräftigen Menschen unterstützt, die sich mit ihnen zur Aarezyt AG zusammengeschlossen haben und alle das ihrige hinter den Kulissen zum Betrieb beitragen.

Auch bei schlechtem Wetter geöffnet

Das Rio wird ein Stück Urbanität in die Gemeinde Ittigen tragen. «Aber wir möchten auch das Ländliche etwas näher zur Stadt bringen», findet Sohm und deutet zur hoch aufragenden Brücke über dem Restaurant. «Für mich ist dies wirklich die Brücke zwischen Stadt und Land.» Dabei seien sie hier sehr zentral gelegen – mit der Bahn ist man in fünf Minuten am Hauptbahnhof. «Fast schneller als im Breitenrain», schmunzelt die Gastronomin.

Die meisten Berner Lokale am Aareufer schliessen in der kalten Jahreszeit, da ihnen die Besucher*innen fehlen.

Herausfordernd könnte das Jahr allerdings trotz dieser günstigen Lage werden. Insbesondere die Tatsache, dass das Rio auch im Winter geöffnet bleiben soll, ist ungewöhnlich. Die meisten Berner Lokale am Aareufer schliessen in der kalten Jahreszeit, da ihnen die Besucher*innen fehlen. Der Brunch am Wochenende, so sind sich sie beiden Betreiberinnen sicher, werde auch im Winter gut laufen. Eine offene Frage sei eher das Mittagsangebot. «Aber wir haben gemerkt, dass auch bei schlechtem Wetter viele Menschen hier unten unterwegs sind», erklärt Flückiger. «Und es gibt doch einige Büros in der Gegend», fügt Sohm hinzu. So oder so würden sie übers Jahr hinweg auch immer wieder Anpassungen vornehmen müssen. An diesem sonnigen Frühlingstag scheint die kalte Jahreszeit aber gerade sehr weit weg. Bis dahin bleibt noch etwas Zeit. Zuerst kommt jetzt mal das sommerliche Aare-Idyll.

Die Stühle warten schon. (Foto: Janine Schneider)