«Willst du ein Mann werden?»

von Annina Häusli 26. März 2013

Die Temperatur liegt knapp im Plus. Schwacher Wind bläst über das Feld. Der Boden nicht zu hart und nicht zu weich. Anders ausgedrückt: Perfekte Bedingungen, um eine Runde Rugby zu spielen.

Menschen aller Alterskategorien, Schichten und Geschlechts stehen am Spielfeldrand und warten gespannt darauf, dass das Spiel beginnt. Der Gegner des Rugby Clubs Bern heisst GC Zürich 2 und geht in traditionell blau-weiss gestreiften Trikots auf den Rasen. Bern, in den rot-schwarzen Leibchen, bildet einen Kreis und schreit «Eins, zwei, drei, Bern!». Danach nehmen auch sie ihre Spielpositionen ein. «Früher hatten wir einen richtigen Schlachtruf – wir versuchen, ihn wieder einzuführen», meint Reto Gasser, der Präsident des Rugby Club Bern. «Dieses «Eins, zwei, drei, Bern» ist keine richtige Kampfansage», fügt er hinzu.

«Unser ‘Gedränge’ ist besser als jenes der Zürcher»

Um Punkt 15 Uhr wird auf der grossen Allmend das Spiel angepfiffen. In den ersten Minuten ist die Gastmannschaft am Drücker, doch dann kippt das Spiel. Bern erzielt den ersten Versuch und führt 5:0. Die Erhöhung auf 7:0 klappt leider nicht und so geht das Spiel weiter. Auch der nächste Versuch, der nächste «Try», geht auf das Konto der Berner. 10:0 lautet der Score nun. Gasser ist ob der Leistung seiner Mannschaft in den ersten 20 Minuten erfreut. «Wir hatten bisher eine eher mittelmässige Saison. Wir mussten einige Abgänge verkraften, einige spielen jetzt beim Gegner». Dies habe sicher einige Spieler verunsichert. Es gehe nun darum, denn Kopf frei zu bekommen und die Saison erhobenen Hauptes zu beenden.

«Eines Tages hat er mich gefragt: ‘Willst du ein Mann werden?’ Und so bin ich zum Rugby gekommen»

Reto Gasser, Präsident des Rugby Club Bern

In diesem Spiel scheint es zu funktionieren. Kurz darauf erhöht Bern sogar auf 17:0. Aber auch GC gelingt der schliesslich der erste Versuch und kommt auf 17:5 heran. Vor der Pause folgt schliesslich der vierte Versuch der Berner – auch die Erhöhung klappt: 24:5 lautet der Spielstand nach 40 Minuten. Gasser ist zufrieden. «Unser ‘Gedränge’ ist besser als jenes der Zürcher. Das ist ein Vorteil für uns. Jetzt dürfen wir nur nicht nachlassen». Reto Gasser muss es wissen. Seit über 30 Jahren ist er Teil der Rugby-Szene. Angefangen hat alles mit einem Arbeitskollegen, mit dem er während seiner Studienzeit gearbeitet hat. «Eines Tages hat er mich gefragt: ‘Willst du ein Mann werden?’ Und so bin ich zum Rugby gekommen», erzählt Gasser, der zuvor auch Handball gespielt und Leichtathletik gemacht hat.

Studenten, Plattenleger und sogar ein Zuhälter

Die erste Mannschaft des Rugby Club Bern spielt in der NLB. Vielleicht wird in der nächsten Saison ein Angriff auf die NLA gestartet.

«Das Niveau dort ist aber höher, da viele Vereine, besonders in der Romandie, auf «richtige» Rugby-Spieler zählen können, sogenannte Expats, die für ein Jahr in der Schweiz arbeiten und danach wieder zurückkehren». Der Rugby Club Bern dagegen besteht aus 95 Prozent Einheimischen. Vertreten sind alle möglichen Schichten und Milieus. «Wir haben Studenten, Sanitärinstallateure oder Plattenleger. Einmal hatten wir sogar einen Zuhälter», erzählt der Präsident.

Auch eine Frauenmannschaft gibt es in Bern. Bisher ist sie noch ungeschlagen, doch die stärksten Konkurrentinnen kommen erst noch. Im Unterschied zum Herren-Rugby spielen Frauen Rugby viel technischer und weniger körper- und kampfbetont. Daneben gibt es zudem eine U18- und eine U16-Mannschaft. Die 8- bis 14-Jährigen gehen in die Rugbyschule.

Schweiz im Mittelfeld

International befindet sich die Schweiz im Mittelfeld. An grosse Nationen wie Neuseeland, Australien, England oder Frankreich kommt die Schweiz bei Weitem nicht heran. «Die Popularität steigt aber, und durch die Übertragung des WM-Finalspiels letztes Jahr wurde Rugby auch einem breiten Publikum bekannt.»

«Die Popularität des Sports steigt»

Reto Gasser, Präsident des Rugby Club Bern

Bereits kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit erhöht Bern den Vorsprung auf 31:5. Fortan wiegt das Spiel hin und her. Plötzlich geht ein Aufschrei durch die Zuschauer. Ein Spieler der Gäste hat einen Berner zu hoch getackelt. Dafür gibt es eine gelbe Karte und eine Zehn-Minuten-Strafe. Mit einem Mann mehr auf Berner Seite geht es also weiter. Bis zum Abpfiff realisiert Bern noch zwei weitere Versuche. Der Final Score lautet 41:5.

Reto Gasser ist erfreut: «Heute haben sie gut gespielt. Sonst haben wir uns häufig selbst geschlagen, haben im Spiel falsche Entscheidungen getroffen». Somit geht ein erfolgreicher Spieltag auf der Allmend zu Ende. Zuvor haben nämlich auch schon die Spieler der zweiten Mannschaft GC Zürich 3 mit 90:5 vom Platz gefegt.