Wieviel Honorar erträgt ein Ehrenamt?

von Christoph Reichenau 16. Dezember 2022

Die Präsidien grosser Kulturstiftungen im Kanton Bern werden entschädigt. Sie sind aufwendig und erfordern Zeit. Doch was ist der richtige Ansatz für ein Amt, bei dem traditionell Freiwilligkeit mitschwingt? Und was bedeutet dies für die vielen kleineren Kultureinrichtungen, deren oft auch sehr herausfordernde Aufgaben meistens rein ehrenamtlich erfüllt werden?

Vor kurzem sind die «Hauptstadt» und der «Bund» auf die Besoldungen der leitenden Personen kultureller Institutionen gestossen und haben die Zahlen für die operativen Spitzen von Kunstmuseum, Zentrum Paul Klee sowie Bühnen Bern bekannt gemacht. Sie liegen, vergleicht man sie mit anderen Löhnen der Szenen, nicht übertrieben hoch. Dennoch werden sie kritisiert, weil zum Beispiel der Stadtpräsident mit weniger auskommen muss und natürlich in der freien Szene ganz andere Einkommensverhältnisse gelten.

Wichtig sind auch andere Zahlungen, etwa die Honorare der Stiftungsratspräsidien, die für die strategische Leitung verantwortlich sind. Über die vier Kultureinrichtungen, an denen der Kanton Bern nach seinen Public Corporate Governance-Richtlinien beteiligt ist, liegen Zahlen vor. Es geht um den Ballenberg – das Freilichtmuseum der Schweiz, um Bühnen Bern, um das Bernische Historische Museum und um die unter einer Dachstiftung zusammengefassten Stiftungen Kunstmuseum Bern (KMB) und Zentrum Paul Klee (ZPK).

Will man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, muss man unterscheiden und konkretisieren.

Die Honorare für das Präsidium beliefen sich gemäss kantonaler Berichterstattung für das Jahr 2021 auf 42‘000 Franken an Peter Flück (Unternehmer und Politiker, Ballenberg; im Honorar eingeschlossen ist ein Mandat, das vom Präsidenten professionell wahrgenommen wird), 30‘000 an Nadine Borter (Inhaberin einer Werbeagentur, Bühnen Bern), 20‘000 an Luc Mentha (Grossrat und Präsident Heimatschutz Kanton Bern, Historisches Museum) und auf 50‘000 für Jonathan Gimmel (Dachstiftung sowie Stiftungen KMB und ZPK). Auf weitere Entschädigungen im Kulturbereich bezieht sich der Bericht nicht.

Es kann hier nicht darum gehen, ein vollständiges Bild des schweizerischen Kulturbereichs zu zeichnen, die notwendigen Zahlen sind meist noch unter Verschluss; der Kanton Bern geht punkto Transparenz voraus. Schon anhand der verfügbaren Angaben lassen sich jedoch erste Fragen stellen. Dabei besteht eine Schwierigkeit. Will man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, muss man unterscheiden und konkretisieren. Dies bedeutet indes nicht, «auf den Mann zu spielen».

Beleuchten wir die höchste Zahlung. Jonathan Gimmel bezieht pro Jahr ein Honorar von 50‘000 Franken und dazu 5‘000 Franken Spesen. Dass Jonathan Gimmel viel für die Museen arbeitet, vor allem für das laufende Projekt der baulichen Erneuerung und Erweiterung des Kunstmuseums, erscheint unbestritten. Dennoch bleiben Fragen.

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Gimmel leitet als Angestellter der Stadt Bern mit einem vollen Pensum unter dem Stadtpräsidenten die Abteilung Personal, Finanzen und Digitale Entwicklung. Das Stiftungspräsidium übt er im Nebenamt aus, gewählt vom Regierungsrat des Kantons Bern. Das Honorar wird vom Empfänger versteuert, der auch die anteiligen Kosten für die Sozialversicherung trägt. Die Stiftungen KMB und ZPK übernehmen laut Thomas Soraperra, dem kaufmännischen Direktor, den Arbeitgeberanteil der Sozialversicherungen.

Gimmel hat weitere ehrenamtliche Tätigkeiten. In der Freizeit engagiert er sich für eine gemeinnützige Boulderanlage und für lernbehinderte Jugendliche. In seiner Wohngemeinde wirkte er 18 Jahre lang im Parlament und im Gemeinderat mit.

50‘000 Franken – ist das viel, ist das angemessen? Zuerst fragt sich: Ist das damit abgegoltene Arbeitspensum – geschätzte 30 bis 40 Prozent – vereinbar mit einem Hundertprozent-Job im Hauptberuf? Sind 130 Prozent entschädigte Arbeit vertretbar? Lassen sich beide Pensen gut erfüllen? Leidet das eine unter dem anderen? Wie ist es mit der Verantwortung teils gegenüber der Stadt, teils gegenüber dem Kanton? Ist diese Trennung sauber auseinander zu halten? Gibt es keine Interessenkonflikte? Eine Pensenreduktion bei der Stadt stand anscheinend nie zur Diskussion. Gimmel gibt der Stadt keinen Honoraranteil ab. Ist das richtig?

Wer heute als freiberuflich tätige Person ein anspruchsvolles Präsidium übernimmt, kann dies nicht gratis machen.

Betrachtet man das Honorar für das Präsidium der Stiftungen KMB und ZPK sowie die darüber errichtete Dachstiftung in einen grösseren Zusammenhang, stellen sich weitere Fragen. Präsidien kultureller Institutionen waren bis vor etwa 20 Jahren Ehrenämter. Heisst: Die Ausübung des Amts gereichte der Trägerin oder dem Träger zur Ehre. Stets gab es qualifizierte Personen dafür. Sie folgten dem Gedanken des Dienens. Um Geld ging es nicht oder lediglich in symbolischer Höhe. Seitdem hat sich die Bereitschaft zur Milizarbeit allgemein stark zurückgebildet. Wer heute als freiberuflich tätige Person ein anspruchsvolles Präsidium übernimmt, kann dies nicht gratis machen.

Bis zu welchem Beschäftigungsgrad kann und darf neben einer beruflichen Tätigkeit ehrenamtliches Engagement erwartet werden? Liegt die Obergrenze bei einem halben Tag in der Woche, für Pensionierte vielleicht bei einem ganzen Tag? Was darüber hinausgeht, ist zu entschädigen. Dies muss aber grundsätzlich auch heissen, dass die bezahlte Tätigkeit nicht zusätzlich zu einem 100%-Job geleistet werden darf, sondern zwingend eine Reduktion des Hauptpensums nach sich zieht. Abgesehen vom Schutz der Gesundheit der Betroffenen dient dies der Glaubwürdigkeit einer Kulturinstitution, deren Legitimation gerade so weit trägt, wie wir alle ihr vertrauen.

Ob das Präsidium richtig und gerecht honoriert wird, ist weniger wichtig, als dass die damit zusammenhängenden Fragen geklärt werden.

Mass zu halten bei der Entschädigung ist auch darum wichtig, weil der Bereich der Kultur nicht funktionieren würde ohne die landauf landab grosszügig geleistete ehrenamtliche Tätigkeit, die zumeist bloss mit warmen Worten entschädigt wird. Natürlich sind die erwähnten Institutionen sehr viel grösser als andere. Sie werden vom Kanton – und teilweise der Stadt und den Regionsgemeinden – indes auch in bedeutendem Mass subventioniert, was das wirtschaftliche Risiko in Grenzen hält. Und sie verfügen über eine Administration, welche den grössten Teil der Arbeit erledigt, die in kleinen Organisationen zum Ehrenamt gehört.

Fazit: Ob das Präsidium der Stiftungen KMB und ZPK mit 50’000 Franken pro Jahr richtig und gerecht honoriert wird, ist weniger wichtig, als dass die damit zusammenhängenden Fragen gründlich und transparent geklärt werden. Im Interesse der Person und im Interesse des gesamten Kulturbereichs.