Wer heute am Aareufer in der Elfenau spazieren geht, der findet im dortigen Naturreservat eine unübersichtliche Buschlandschaft. Dichte Sträucher verstellen den Blick, Sandhügel und tote Baumstämme prägen die noch nicht überwachsenen Stellen. Insbesondere während der Hochwasser 1999 und 2005 hat die Aare Berge von Sand und viel totes Holz eingeschwemmt. Der dort einst vorhandene grosse Weiher ist zu einem grossen Teil verlandet und in den trockenen Jahreszeiten kaum noch zu sehen.
Pläne zur Wiederherstellung der Auenlandschaft gibt es schon lange. So war die Renaturierung der Elfenau eines der 25 Teilprojekte, mit welchen der Kanton Bern 2007 unter dem Titel «aarewasser» Massnahmen zur Ausweitung der Aare und damit zum Schutz vor zukünftigen Hochwassern vorschlug. Obwohl drei solcher Teilprojekte danach verwirklicht worden waren, zog der Kanton den Gesamtplan im April 2017 wieder zurück. Es hatte sich gezeigt, dass die Zusammenfassung der oft recht unterschiedlichen Massnahmen zu einem Gesamtprojekt vor allem zu Verzögerungen und Widersprüchen führte.
Das galt auch für das Teilprojekt in der Elfenau. Weil es Teil von «aarewasser» war, musste behauptet werden, dass dieses Projekt zum Schutz vor Hochwasser und zur Sicherung von Trinkwasserreserven diene. Es war für die Opposition ein Leichtes zu zeigen, dass das Projekt dafür in keiner Weise taugte. Angesichts des breiten Widerstands aus den anliegenden Quartieren wurde es denn auch bald darauf nicht mehr weiter verfolgt.
Breites Mitwirkungsverfahren
Im jetzt neu entwickelten Wasserbauplan Elfenau / Nessleren ist von Hochwasserschutz nicht mehr die Rede. Vorrangiges Ziel ist jetzt die Wiederbelebung der Auenlandschaft und der Schutz der durch das Gebiet führenden Abwasserleitung bei gleichzeitiger Sicherstellung der Naherholung. Das Chräbsebächli und die vom offenen Flusslauf abgetrennten Wasserbecken im unteren Teil der Elfenau, die sogenannten «Badebuhnen», die beim früheren Projekt noch beseitigt werden sollten, werden diesmal nicht mehr angetastet. Die Verwaltung trägt den damals geäusserten Bedenken der in der IG Elfenau organisierten Quartierbevölkerung offensichtlich Rechnung.
Von einem wesentlich sensibleren Vorgehen als beim «aarewasser» zeugt auch das breit angelegte Mitwirkungsverfahren. An einer Informationsveranstaltung in der Elfenau informierten am 1. November der zuständige Regierungsrat Christoph Neuhaus und Vertreterinnen der Gemeindeexekutiven von Bern, Köniz und Muri höchstpersönlich über das Vorhaben. Am vergangenen Samstag war die Quartierbevölkerung zu einem Projektspaziergang in die Elfenau eingeladen, an welchem Projektverantwortliche die einzelnen Massnahmen vor Ort erläuterten und diskutierten. Bis zum 5. Dezember können sich alle Interessierten nun zur Angelegenheit äussern.
Sicherung der Abwasserleitung
Weitgehende Einigkeit scheint inzwischen darüber zu bestehen, dass die Abwasserleitung der Gemeinde Muri, die sich im äusseren Reckweg befindet, entfernt werden muss. Sie soll in den Hang verlegt und dadurch dauerhaft gesichert werden. Der Reckweg selbst könnte damit aufgegeben werden. Es ist vorgesehen, die noch bestehenden, aber stark beschädigten Uferbefestigungen zu entfernen und den Weg so der Erosion durch die Aare zu überlassen. Als Folge davon wäre dieser äussere Damm dann voraussichtlich nach einigen Jahren weggespült, und der Aarelauf würde sich entsprechend verbreitern.
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Nach den Plänen des Kantons soll das gleiche auch mit dem inneren Reckweg geschehen. Auch dieser soll teilweise entfernt werden, damit das Aarebett aufgeweitet werden kann. Hauptziel dieser Aufweitung ist es, zu erreichen, dass die Aare sich bei hohem Wasserstand wieder in den Elfenauweiher hinein ergiessen kann. Allerdings wird dies nur am Ende eines längeren Prozesses möglich sein: Aufgrund der hydrologischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte liegt der Wasserspiegel der Aare zurzeit deutlich unter demjenigen des Elfenauweihers, weshalb eine direkte Einleitung nicht möglich ist. Die Fachleute des Wasserbauamtes erwarten aber, dass nach einer Öffnung des inneren Dammes die Aare im Laufe der Jahrzehnte die Berge von eingeschwemmtem Sand erodieren und damit den Höhenunterschied zum Weiher reduzieren würde. Ist die Massnahme erfolgreich, könnte in absehbarer Zukunft wieder ein Wasseraustausch zwischen Aare und Elfenauweiher stattfinden.
Damit trotz dieser geplanten Unterbrechung des Dammes weiterhin Spazieren und Joggen am Aareufer möglich bleiben, soll um den Elfenauweiher herum ein behinderungsgerechter Holzsteg errichtet werden. Dieser würde beim Chräbsebächli beginnen und am oberen Ende über eine Brücke zum Fähribeizli führen und in den dortigen Reckweg einmünden. Diese neue Wegführung könnte auch dazu beitragen, dass die im Gebiet des Elfenauweihers brütenden Vögel weniger von umher rennenden Hunden gestört würden.
Wie kommt der Sand aus dem Weiher?
Wie an der Informationsveranstaltung vom 1. November deutlich wurde, sind die Meinungen über diese neue Wegführung geteilt. Es besteht offensichtlich eine grosse Angst davor, langjährige Spaziergewohnheiten aufgeben und einen kleinen Umweg in Kauf nehmen zu müssen. Allerdings vermag die Gegnerschaft nicht aufzuzeigen, wie denn jemals der eingeschwemmte Sand wieder aus dem Weiher entfernt werden könnte. Insbesondere kann ein Ausbaggern mit schweren Maschinen in diesem empfindlichen Naturreservat keine Lösung sein. Dies nicht zuletzt auch aus dem einfachen Grunde, dass der Weiher nach jedem zukünftigen Hochwasser erneut ausgebaggert werden müsste, wenn er dauerhaft wiederbelebt werden soll.
Im Verhältnis dazu erscheint die vom kantonalen Wasserbauamt vorgeschlagene Massnahme der Dammöffnung als viel bescheidenerer Eingriff. Ob er das gewünschte Ziel erreicht, ist allerdings unsicher. Die Projektverantwortlichen bezeichnen denn auch den von ihnen durch die Dammöffnung angestrebten Aarelauf als «möglichen Zustand nach einigen Jahrzehnten». Das ist zumindest sehr ehrlich. Versprochen wird nichts, sondern eine Hoffnung ausgedrückt. Wenn sie sich erfüllt, so wäre der Elfenauweiher auf Dauer wiederbelebt, und die Stadt hätte ihr einzigartiges Naherholungsgebiet auf Jahrzehnte hinaus sichergestellt.