Als ich in die Schweiz kam, war mir schnell klar: Ohne Sprache geht gar nichts. Also ich fing an Deutsch zu lernen. Anfänglich schien es mir unmöglich, diese Sprache zu lernen, da ich nicht einmal ein Albanisch-Deutsch-Wörterbuch besass. Ich versuchte mit einem kleinen Deutsch-Französisch-Wörterbuch die Wörter für mich verständlich zu machen.
Aber um mich herum wurde ja Schweizerdeutsch gesprochen, wie sollte ich da Übersetzungen finden? Ich gab trotzdem nicht auf. Mit viel Mühe schaffte ich es, die Sprache zu lernen, und später auch anderen Landsleuten sprachlich behilflich zu sein.
Wie bei einem Puzzle. Das ursprüngliche Bild bleibt, wird aber etwas bunter.
Ich habe die Welt immer mit offenen Augen betrachtet, das erleichterte mir die Integration und den Weg zur Kultur und zur Mentalität der Menschen hier. Später kamen mir viele Dinge leichter vor.
Zu einer schnelleren Integration gehörte auch, dass ich offen war und den Kontakt zu den Einheimischen suchte. Auch wenn es mir zu Beginn oft schwerfiel, tolerant zu sein und die Lebensart zu akzeptieren.
Sobald ich arbeiten durfte, stieg ich in die Arbeitswelt ein, und machte später noch meine Ausbildung. Durch die Arbeit verdiente ich nicht nur meinen Lebensunterhalt, und durch Freiwilligenarbeit kam ich in Kontakt mit hilfsbereiten Menschen. Zum Beispiel, als ich der Sozialarbeiterin des Quartiers half, eine Krabbelgruppe zu organisieren. Oder als ich meine betagte Nachbarin beim Einkaufen unterstützte oder sie zum Arzt oder zum Coiffeur begleitete. So lernte ich, wie die Schweizer*innen «ticken».
Jodeln? Nicht unbedingt
«Wie weit soll Integration gehen?», fragte mich kürzlich eine junge Frau, die über das Thema Integration ihre Seminararbeit schrieb. Meiner Meinung nach braucht es für eine gute Integration auf der Seite der Migrant*innen folgendes: den Willen, sich einzugliedern, aber auch den Entschluss, sich nicht zu verleugnen, oder sich gar aufzugeben. So können Migrant*innen der Gesellschaft eine neue Farbe hinzufügen. Wie bei einem Puzzle. Das ursprüngliche Bild bleibt, wird aber etwas bunter.
Seinen eigenen Platz einnehmen, bedeutet auch: die Substanz des vorhandenen Gefüges zu achten, die Regeln und Gesetze zu respektieren und seine Rechte auszuüben. Die eigene Kultur darf weiter gepflegt werden, sie beeinträchtigt die hiesige Gesellschaft ja nicht. Aber sie gibt Kraft, sich selbst zu sein und weiterzukommen.
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Eine Nachbarin sagte mir einmal: «Um vollständig in der Schweiz integriert zu sein, sollte man jodeln können.» Mittlerweile lebe ich seit 35 Jahren hier, aber jodeln kann ich immer noch nicht.
Ich fühle mich in Bern zu Hause, mein Umfeld besteht fast ausschliesslich aus Schweizerbürger*innen und ich spreche fast akzentfrei «Berndütsch». Ich gehe ins Kino, ins Theater, in Museen, lese Zeitung, schaue die Tagesschau auf SRF. Ferien mache ich in den Schweizer Bergen, an Weihnachten backe ich Mailänderli und Zimtsterne und an Ostern tütschen wir Eier. An meinem Tisch gibt es Fondue und Rösti. Und oft bin ich pünktlicher als viele Schweizer*innen! Doch mein Herz tickt auch nach so vielen Jahren immer noch albanisch. Und wenn meine Kinder zu Besuch kommen, dann wünschen sie sich traditionelle albanische Gerichte wie sarme, fli und pite.