Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Magazin «Surprise». Nur in der deutschsprachigen Schweiz verdienen über fünfhundert Menschen ihr Geld mit dem Verkauf der Strassenzeitung. Sie wird in Bern, Basel, Zürich und anderen Städten verkauft. Journalist*innen schreiben über Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur unabhängig und kritisch. Das Magazin wurde 1993 gegründet und erscheint zwei Mal im Monat mit einer Auflage von 25.000 und 45.000 Exemplaren.
Insgesamt wurden im letzten Jahr weltweit 12,4 Millionen Strassenzeitungen verkauft. So wie «Surprise» gibt es auf der ganzen Welt ähnliche Projekte, die es Menschen in Not ermöglichen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Obwohl sich journalistische Ansätze und politische Positionen der Redaktionen unterscheiden, bleiben Strassenzeitungen ein genialer Gedanke, der Hoffnung für Menschen mit Obdachlosigkeit schafft. «Der Verkauf von Strassenzeitungen ist tatsächlich ein sozialpolitisches Thema», schreibt die Kuratorin Rebecka Domig im Newsletter zur Ausstellung.
Für die meisten Verkäufer*innen ist diese Arbeit nicht nur ein Verdienst, sondern die Arbeit gibt den Menschen auch einen strukturierten Tag und soziale Bindungen.
Die Ausstellung präsentiert einige Geschichten aus Portland, Belgrad, Brasilia, Taiwan, Buenos Aires und mehr. «Für Menschen in meinem Alter», sagt beispielsweise der 79-jährige Kim Seong-woo aus Seoul, «ist es nicht leicht, sieben Stunden lang auf der Strasse zu stehen.» Manchmal bleibt er bis 22 Uhr an seinem Arbeitsplatz. Früher verkaufte er Schuhmacherei-Ausrüstung. Aber Kim wurde, wie er sagt, betrogen. Er verlor sein Geschäft, sein Zuhause und häufte Schulden an. Seine Geschichte ähnelt Hunderten von anderen. Der Verkauf von Zeitungen auf der Strasse hat sein Leben verändert. Daher ist der Titel der Ausstellung «Wie Strassenzeitungen Leben verändern» sehr passend.
Für die meisten Verkäufer*innen ist diese Arbeit nicht nur ein Verdienst, sondern die Arbeit gibt den Menschen auch einen strukturierten Tag und soziale Bindungen. In Interviews erzählen sie von der Freundschaft mit ihren Kolleg*innen, von der Zeit, die sie zusammen verbringen, beim Zubereiten von Essen oder beim Kaffeetrinken. Pünktlichkeit und Höflichkeit sind dabei die wichtigsten beruflichen Eigenschaften, die Strassenzeitungsverkäufer*innen mitbringen müssen. Menschen, die Zeitungen ohne ein Lächeln verkaufen oder nur eine Stunde oder zwei am Tag arbeiten, haben kaum eine Chance etwas zu verdienen. Einige der Geschichten werden in interaktiver Form präsentiert.
Wer waren die Menschen, die «Surprise» am Anfang verkauften, und wer sind sie jetzt? Wie hat sich das Projekt im Laufe der Jahre verändert? Gibt es für Strassenzeitungen eine Zukunft, da das Konzept aufgrund der Krise der Printmedien und der steigenden Papier- und Druckkosten vor grossen Herausforderungen steht? Diesen und weiteren Fragen widmet sich die Ausstellung noch bis am 3. August 2024.
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Gleichzeitig laden die Organisatoren zur öffentlichen Diskussion ein: An verschiedenen ausstellungsbezogenen Veranstaltungen werden unter anderem folgende Fragen diskutiert: Wie kann man in der Schweiz kostengünstig leben? Wie reagiert man auf Diskriminierung? Wie erlebt man den Druck der Leistungsgesellschaft? Weitere Informationen zu den Veranstaltungen der Ausstellung auf der Webseite des Kornhausforums.