Angelus Eisinger, ehemals Professor für Metropolen, Städtebau und Raumentwicklung in Hamburg und Lichtenstein, heute Direktor der Regionalplanung Zürich und Umgebung erklärte Ende November am Winterthur Urban Forum, wie Stadtplaner arbeiten sollten. «Creative City» sei zurzeit das Schlagwort schlechthin, wenn es um Stadtplanung gehe, sagte er: «Die Creative City gilt als das Wundermittel, um Städte neu zu positionieren.» Aber was bedeutet das?
«Kreative Stadtplanung heisst, die Probleme zu verstehen, bevor man Lösungen dafür sucht.»
Angelus Eisinger
Angelus Eisinger vergleicht Stadtplanung mit einem Eisberg, von dem nur die Spitze zu sehen ist. In Wahrheit gehe den sichtbaren Resultaten ein jahrelanger intensiver Prozess von Recherche und Planung voraus. «Bevor der Wettbewerb für die neue Tate Gallery in London Mitte der Neunziger Jahre ausgeschrieben wurde, verstrichen zehn Jahre mit Recherchearbeit», berichtet er. Die Planer hätten sich die Zeit genommen, klar und fundiert zu definieren, was ein Museum vom Rang einer Tate Gallery in London leisten müsste. Die Wettbewerbsausschreibung sei dermassen klar gewesen, so Eisinger, dass im Rückblick nur die Lösung von Herzog & de Meuron in Frage gekommen sei.
Probleme verstehen statt Lösungen finden
«Kreative Stadtplanung heisst, die Probleme zu verstehen, bevor man Lösungen dafür sucht», erläutert Eisinger. Man müsse die Zukunft offen verstehen und Ideen sich entwickeln lassen. Oft müssten die Planer in einem ersten Schritt Zuständigkeiten definieren. Denn nicht immer sei offensichtlich, wer für welches Problem zuständig ist.
Urbaner Alltag sei die komplexe Verknüpfung von verschiedenen Systemen. «Um nicht wirkungslos zu bleiben, müssen die Stadtplaner Allianzen mit andern Akteuren bilden.» Eisinger bringt Rotterdam als Beispiel für eine kreative Allianz.
Die Stadt Rotterdam hat alte Gebäude gekauft. Eine Sanierung wäre aber für sie zu teuer gewesen. So gab sie die Häuser zu günstigen Konditionen ab, unter der Bedingung, dass die Käufer sie renovierten und selbst eine bestimmte Zeit lang darin wohnten. Dadurch verhinderte sie Spekulation und belebte die Quartiere neu.
In Paris sollte ein altes Hochhaus abgerissen werden. Stattdessen organisierten die Architekten in Zusammenarbeit mit den Bewohnern die Wohneinheiten neu. Sie sanierten das Haus energetisch und gestalteten gemeinsam die Umgebung neu.
«Fruchtbar ist Partizipation nur, wenn Planer zusammen mit den Betroffenen arbeiten.»
Angelus Eisinger
Bottom up und top down
Partizipation sei in aller Munde, meint Eisinger. Aber oft würde sie als blosse Information der Verantwortlichen an die Bevölkerung missverstanden. «Doch so funktioniert die Partizipation nicht», sagt Angelus Eisinger klar. Fruchtbar sei sie nur, wenn die Planer zusammen mit den Betroffenen arbeiteten. Denn weder eine der Bevölkerung ferne Planer-Elite noch die Laien können allein zu einem guten Resultat gelangen. Die Planer müssen die Wünsche und Bedürfnisse der betroffenen Menschen kennen, um auf Ideen zu kommen. Sie müssen die Probleme verstehen.
Tabus antasten
Schliesslich müssten sich die Planer die vorhandenen Tabus bewusst machen und sie zumindest gedanklich brechen, rät Angelus Eisinger. Während Jahrzehnten trennte eine sechsspurige Autobahn die Stadt Bordeaux vom Strand. Die stattlichen Paläste waren abgeschnitten von ihrer Funktion und der Bevölkerung. Was vor wenigen Jahren noch undenkbar war, ist heute Realität. Die Autobahn ist weg.
In Paris reichte es, den grossen Autobahnring, der den Stadtkern umkreiste und von den jüngeren Stadtteilen ausserhalb des Rings abschnitt, neu zu benennen um die Stadt gedanklich zu vergrössern.
«In der Stadtplanung gibt es keinen Königsweg», sagt der Zürcher Raumplaner. «Es gilt, sich mit genügend Zeit und Geduld dem Widerstand zu stellen und mit ihm zu arbeiten.» Das ist Kreativität.