«Why inequality matters»

von Lukas Blatter 15. Oktober 2013

Probleme und die ungleiche Verteilung der Besitztümer in einer Gesellschaft haben einen signifikanten Zusammenhang. Dies behauptete Richard Wilkinson letzten Mittwoch in seinem Referat «Gleichheit ist Glück?». Eine Zusammenfassung.

Wer sich die Frage stellt, welche Faktoren zu einer höheren Anzahl Verbrechen, zu einer tieferen Lebenserwartung und zu psychischen Erkrankungen führen, kommt dabei auf verschiedenste Ergebnisse. Einer, der sich diese Frage ebenso gestellt hat, ist Richard Wilkinson. Und er hat dabei eine erstaunliche These aufgestellt: Zwischen den eben genannten und weiteren Problemen einer Gesellschaft und dem Mass an ungerechter Verteilung eines Landes besteht ein konkreter Zusammenhang.

Die Grüne Partei, die Juso, die SP und die Gewerkschaft Unia luden am letzten Mittwochabend zum Referat von Richard Wilkinson mit anschliessender Podiumsdiskussion. Um die 200 Personen kamen zu der Veranstaltung, die im Hotel Bern stattfand.

Zwischen der Einkommensverteilung und gesellschaftlichen Problemen eines Landes besteht eine unabstreitbare Wechselbeziehung, die dank geschickter Verknüpfung von weltweit anerkannten Datensätzen durch Wilkinson aufgedeckt wurde.

Unzufrieden trotz Reichtum

Wilkinson startete mit dem Bild einer alltägliche Situation. Die darauf abgebildeten wartenden Menschen machen einen eher unzufriedenen Eindruck. «Schauen Sie sich diesen armseligen Haufen mal an!» Obwohl wir in einer Gesellschaft lebten, die sich praktisch keine existentiellen Sorgen machen müsse, sei die Unzufriedenheit erstaunlich präsent.

«We judge each other by social status»

Richard Wilkinson

Dies sei so, weil wir uns und unseren sozialen Status stets mit anderen vergleichen würden – was unter anderem auch zu einer erhöhten Ausschüttung von Stresshormonen führe und damit die Lebenszeit drastisch verkürze. In einer weiteren Grafik zeigt Wilkinson dann auf, dass der Professionalitätsgrad eines Berufes durchaus einen grossen Einfluss auf die Lebensdauer hat. «Der Beruf bestimmt über mehr als fünf Jahre», wie Wilkinson der Darstellung entnimmt.

Der verfehlte «amerikanische Traum»

Sucht man bei den Extremen, so findet sich in den Studien von Wilkinson praktisch überall die drittgrösste Nation der Welt, die USA, jedoch nicht im positiven Sinn. Besonders treffend formulierte der emeritierte Professor aus Grossbritannien dies im Bezug auf die «Soziale Mobilität» eines Landes, also der Möglichkeit jedes Einzelnen, sich von ganz unten bis an die Spitze zu arbeiten.

Der in Amerika weit verbreitete «amerikanische Traum», es vom Tellerwäscher zum Millionär zu schaffen, sei gerade in diesem Land ein Wunschdenken. «Wenn Amerikaner den ‘amerikanischen Traum’ leben wollen, sollten sie nach Dänemark ziehen», sagte Wilkinson, denn die Chance dazu biete sich mit Abstand in keinem Land so selten wie in den Vereinten Staaten. Die Menge brach darauf in Gelächter aus.

Ungleicher Verteilung den Riegel schieben

Durch eine gerechtere Verteilung könne man gegen zentrale Problemfelder wie die hohe Anzahl von Teenage-Schwangerschaften, die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft oder auch die Kriminalität und damit die Anzahl Gefängnisinsassen positiv und wirksam ankämpfen. Es komme dabei jedoch nicht darauf an, wie der Ungleichheit entgegengewirkt werde, um im Hinblick auf die ebengenanten Bereiche Besserung zu erzielen.

Doch der ungleichen Verteilung, die zu grösserer Distanz zwischen den Mitmenschen führt, müsse einen Riegel vorgeschoben werden. «Einkommensunterschiede sind der treibende Motor für die verschiedenen Gesellschaftsschichten», sagte Wilkinson.

«Ungleichheit hat sich massiv verschärft»

Anschliessend an sein Referat stellten sich Richard Wilkinson, Vania Alleva, Co-Präsidentin der Unia, Cedric Wermuth, Nationalrat der SP, und Mascha Madörin, feministische Ökonomin, unter der Leitung von Yves Wegelin von der «WochenZeitung WoZ» einer Podiumsdiskussion.

«If Americans want to live the american dream, they should go to Denmark»

Richard Wilkinson

Mascha Madörin startete die Diskussion mit einer Erinnerung: «Einst diskutierte ich mit Kollegen über 1:2 oder 1:5, mittlerweile hat sich die Ungleichheit massiv verschärft.» Nach Madörin würden in der Wirtschaft Konzepte, wie zur Gleichheit zurückgefunden werden könne, fehlen.

Mit Vania Alleva ist sie einer Meinung, dass der Begriff der Ungleichheit ausgedehnt werden soll – beispielsweise auch auf die Lohnverteilung von Mann und Frau. In der Gesellschaft sollen alle gleich lange Spiesse haben.

Wilkinson reagierte daraufhin auf die Kritik an seinen Untersuchen und erklärte, dass auch diese zeigen würden, dass die Stellung der Frau einen durchaus wichtigen Einfluss auf die Verbesserung der Zustände habe und Gleichheit auch hier herbeigeführt werden müsse.

1:12-Initiative – Mittel zum Zweck?

Auch Cedric Wermuth stimmte dieser Stossrichtung zu: «Die Verteilungsdebatte stellt einen Anfang der Umverteilung dar.» Wir sollten versuchen, auf politischem Weg Mittel zu finden, wie dies vorangetrieben werden könne.

Genau dies sei das Verdienst der 1:12-Initiative der Juso, fand Vania Alleva: «Sie ist ein griffbereites Mittel zur Umverteilung.» Man müsse zudem bedenken, sagte Alleva, dass durch die Unterschiede in der Gesellschaft auch Phänomene wie das mangelnde Vertrauen in fremde Menschen auftauchen. Sie ist überdies der Meinung, dass diese auf dem politischen Parkett so genutzt werden, «um von den ökonomischen Themen wie der Lohnausgestaltung abzulenken».

«Unternehmen sollen der Gemeinschaft dienen»

«Wir müssen uns fragen, wo die Treibkräfte der Umverteilung zugunsten der Reichen herkommen», erwiderte Mascha Madörin. Nach ihrer Meinung seien die Schuldigen nicht nur in der Wirtschaft zu suchen.

Das Schlusswort wurde Richard Wilkinson überlassen, der darin seine Lösungsvorschläge zum Besten gab. Zum Beispiel: «Wir müssen die Unternehmen von einem Besitz zu einer arbeitgebenden Gemeinschaft mit demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten verwandeln.» Mit einer gerechteren Gesellschaft würde seiner Meinung nach auch das Bedürfnis nach Konsum und nach der öffentlichen Darstellung der Konsumkraft abnehmen.