Für die Menschen Abkühlungsmöglichkeit, für viele Fischarten zunehmend zu warm. Steigende Temperaturen und lange Trockenperioden setzen die Schweizer Gewässer unter Druck. Hitzewellen wie die aktuelle können fatale Folgen haben. So wird es für kälteliebhabende Fischarten wie die Bachforelle und die Äsche schon bei Wassertemperaturen über 20 Grad kritisch.
Zur Erinnerung: Die Temperaturkurve der Aare bewegte sich in den letzten Wochen zwischen 21 und 24 Grad. Darunter fiel sie nie. Bei diesen Temperaturen enthält das Wasser weniger Sauerstoff, die Fische benötigen aber gerade zusätzlichen Sauerstoff, um mit der Hitze zurechtzukommen. Für Forelle und Äsche herrschen schlechte Zeiten.
Eine Zukunft ohne Forellen?
«Die gute Nachricht ist: Neue Fischarten werden den Lebensraum einnehmen», meint Adrian Aeschlimann, Geschäftsführer des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Fischerei. Die schlechte: Kälteliebhabende Fischarten werden früher oder später wahrscheinlich ganz aus dem Mittelland verschwinden und höchstens noch in Gebirgsgewässern vorkommen. «Aber noch ist es nicht so weit», gibt sich Adrian Aeschlimann kämpferisch, «Wir geben nicht auf. Noch können wir Massnahmen ergreifen, um dem Verschwinden dieser Fischarten entgegenzuwirken».
Klimawandel, hitzige Debatten und Feuer. Unsere Sommerserie steht ganz im Zeichen der Hitze.
Bisher erschienen:
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Kleine Risse entstehen im Asphaltmoloch
Einen zentralen Platz in diesem Kampf nehmen in der Gemeinde Bern die kleinen Bäche und Zuflüsse der Aare ein. Deshalb mache mich an einem heissen Montagmorgen auf den Weg nach Riedbach, einem ländlichen Weiler im fast gleichnamigen westlichsten Stadtteil von Bern.
Noch können wir Massnahmen ergreifen, um dem Verschwinden dieser Fischarten entgegenzuwirken.
Um zehn Uhr morgens ist es dort schon über 30 Grad heiss. Sogar die Sonnenblumen auf dem Riedbacher Feld lassen ihre Köpfe hängen. Bemüht, die Hitze möglichst schnell hinter mir zu lassen, nehme ich die Teerstrasse Richtung Riedbachmühle unter die Füsse, wo ich auf den Gäbelbach treffe.
Der 12 Kilometer lange Bach entspringt nahe dem Weiler Heitere oberhalb von Oberwangen b. Bern und mündet bei Eymatt in den Wohlensee. 2017 und 2018 wurde er mit dem Vorhaben revitalisiert, mehr Lebensräume für Fische und andere Wasserlebewesen zu bieten.
Dazu wurden unter anderem 35 Wurzelstöcke, 35 Bäume und 162 Kubikmeter Kiessand im Wert von 194’000 Franken verbaut. Wie das ganze aussieht, schaue ich mir auf einer gut zweistündigen Wanderung, die vom Weiler Riedbachmühle alles dem Gäbelbach entlang durch das gleichnamige Berner Quartier bis zum Wohlensee bei Eymatt führt, an.
Schatten, Schatten, Schatten
Der Bach fliesst hier grösstenteils durch bewaldetes Gebiet. Der Schatten dieser Bäume ist sehr wichtig: «Viele unserer Gewässer sind zu wenig beschattet – gerade kleinere Gewässer», erklärt mir Adrian Aeschlimann später am Telefon, «aber ohne Schatten kann sich ein Gewässer zusätzlich um mehr als vier Grad erwärmen». Ein Temperaturunterschied, der für viele Fischarten das Aus bedeutet.
Die Aare ist zu breit, um vollständig beschattet zu werden. Deshalb sind gerade kleinere, beschattete Bäche wie der Gäbelbach wichtig als Rückzugsgebiete, wenn die Aare zu warm wird. Das ist allerdings nur möglich, wenn die Durchgängigkeit zwischen den Gewässern gewährleistet ist. Immer wieder müssen deshalb neue Fischtreppen errichtet oder bestehende saniert werden.
Holz schlägt Stein
Eine weitere wichtige Massnahme sind adäquate Lebensraumstrukturen. «Bei früheren Renaturierungen wurden Bachbette oft einfach aufgeweitet. Die Folge: Eine geringe Fliessdynamik und nur sehr wenige Fischunterstände.» Zudem erhitze sich das Gewässer so schneller. Neuere Renaturierungsmassnahmen würden versuchen dem entgegenzuwirken, indem zum Beispiel mit Totholz verschiedene Fliessgeschwindigkeiten eingebaut werden.
Auf der Wanderung entlang dem Gäbelbach zeigt sich das wie im Lehrbuch. Immer wieder strukturieren Baumstämme, Wurzelstöcke oder Zweigbündel, sogenannte Faschinen, das Bachbett. Holz wird mittlerweile auch deshalb gegenüber Steinverbauungen bevorzugt, weil es im Gegensatz zum Stein einen kühlenden Effekt hat. Und nicht nur Fische, auch Flusskrebse und wirbellose Tiere profitieren von diesen Verbauungen und den damit entstehenden neuen Lebensräumen.
Plötzlich wird es eng
Auf der Wanderung fällt mir aber auch immer wieder der tiefe Wasserstand des Gäbelbachs ins Auge. Es ist offensichtlich: Bei langen Trockenperioden hilft aller Schatten und alles Holz nichts mehr. Wenn die Bäche austrocknen, gehen den Fischen auch die Rückzugsorte aus. Dann bleiben ihnen eigentlich nur noch die Kaltwasserzonen in der Aare. Das sind Bereiche, in denen kühles Grundwasser aus dem Boden aufstösst. Dorthin können sich die Fische zurückziehen.
Dabei lassen sie sich auch nicht von den Massen von Aareschwimmer*innen und Aareböötli stressen, die über sie hinwegtreiben. «Die Temperatur ist ein grösseres Problem als die zeitweise Nutzung der Aare durch die Menschen», erklärt Adrian Aeschlimann. Zu fatalem Dichtestress für die Fische käme es viel eher an Gewässern wie der Emme, die während Hitzewellen fast komplett austrocknet und in deren wenigen, übriggebliebenen Pools sich dann sowohl Menschen wie Fische Abkühlung verschaffen möchten.
Die Gewinner der Klimaerwärmung
Nicht zuletzt gibt es aber auch Fischarten, denen die warmen Gewässer nichts oder zumindest langfristig weniger ausmachen. Einer, der wärmere Gewässer bevorzugt, ist zum Beispiel der Wels. Der grosse Raubfisch, der im Extremfall mehrere Meter lang werden kann, ist schon heute in der Aare zwischen Mühleberg und Solothurn anzutreffen. Das Wasserkraftwerk Mühleberg hat er bislang wahrscheinlich noch nicht überwunden, trotz des neu eingebauten Fischlifts. Auf Anfrage von Journal B erklärte die EWB, bisher seien im Fischlift noch keine Welse statistisch erfasst worden.
Die Wanderung neigt sich dem Ende zu. Im Gäbelbachdelta mündet der Bach schliesslich in die Aare. Auch ich wage zum Schluss der Wanderung den Sprung ins spaghettiwasser-warme Nass, wie der Aareguru die Wassertemperatur so treffend bezeichnet. Und obwohl der Wels für den Menschen grundsätzlich harmlos ist, bin ich dann doch froh, dass es noch keiner dieser Riesenfische bis hier herauf geschafft hat. «Noch nicht», wie Adrian Aeschlimann meint. Das sei nur eine Frage der Zeit.