Schön? Was bedeutet schön? Ein abstrakter Begriff, nicht fassbar, definierbar nur durch Annäherung, stetigem Wandel unterworfen.
Schön? Die ockerfarbene Felslandschaft mit der rätselhaften Stadt Petra? Der schwere Flug eines Schwans? Der wundervolle Spiralbau einer Schnecke? Eine fremdländische Frau? Warum empfinde ich sie als schön? Was rührt mich an?
Und dann die Frage: Bin ich schön? Ich, ein Mensch, mein Körper, mein Gesicht und das Innere, meine Seele.
Schön – ein Begriff nicht fassbar, und doch prägt er bewusst oder unbewusst unseren Alltag vom ersten Erwachen, mit dem Griff zu einer Pflegelotion – einem Prozentanteil der 64’000 Kilogramm Schönheitsmittel, die in der Schweiz pro Jahr genutzt werden; vorbei am Kiosk mit der riesigen Auslage an Mode- und Schönheitsmagazinen, Vogue-. Elle-, Joy-, Flair- und Annabelle-Schönheiten – alle mit makellosem Teint – l’uomo, Männer, Mister Schweiz, Schönheitsköniginnen, Bodybuildings als Perfektionierung des Körpers; vorbei zur Arbeit, wo neben körpereigenen und Parfum-Düften, grazilem oder kraftvollem Imponiergehabe auch innere Ruhe und Gelassenheit Positionen besetzen; abends im attraktiv gestylten Kleid in Theater, Club und Dance; vom ersten Erwachen eben bis in den Traum begleitet uns die Frage «Wie mache ich mich schön. Bin ich schön?»
Schönheit und Gesellschaft ändern sich je nach Zeit, sozialer Schicht und Kulturkreis.
Wir treffen auf den Goldenen Schnitt mit dem der griechische Mathematiker Euklid (3.Jh. v. Chr) bestimmte Streckenverhältnisse bezeichnete. Sie galten und gelten als ideale Proportionen für Harmonie und finden in der Kunst und Architektur bis heute Anwendung.
Leonardo da Vinci zeichnete 1490 den vitruvianischen Mensch. Nach der These des römischen Architekten Vitruvius fügt sich ein schöner Mensch in Kreis und Quadrat, was für die Ästhetik der Renaissance bezeichnend war.
Le Corbusier hat in seinem Modulor, seiner am Mass des Menschen orientierten mathematischen Ordnung, mit dem Goldenen Schnitt gearbeitet.
In der Schönheitschirurgie hat der Amerikaner Stephen Marquardt das Mass des goldenen Schnitts als Mass für die Schönheit eines Gesichts im Verhältnis vom Nasenbein zur Mundbreite errechnet.
Maria und Barbies werden nebeneinander gesetzt. Beide als Repräsentanten einer makellosen Haut und femininer Formen. Die USA glänzen mit Fotos von Kindern, die – dem Ehrgeiz der Eltern ausgeliefert – als Model angezogen und positioniert sind. Schön alle drei?
Jede Epoche hat ihr Körperideal entwickelt. Das ideologische Schönheitsideal verspricht Anerkennung, ist aber auch Mittel zur Macht. Der Nationalsozialismus zeigt, wie mit der Propagierung eines Körperideals eine Rassenlehre und damit eine vernichtende Politik betrieben werden kann. Fotos von Leni Riefenstahl inszenieren die Schönheit der sportlichen, muskulösen, gesunden Körper der «arischen Rasse».
Konstanter scheint das Schönmachen in der Tierwelt zu sein. Die uralte Botschaft der Biologie signalisiert zur Paarungszeit mit körperlichen Vorteilen wie leuchtenden Farben, schillernden Federn Gesundheit und Fruchtbarkeit. Hat Schönheit also mit Paarung zu tun?
Und die Seele? Sind Gesichtszüge und Körperformen ein Spiegel der Seele? Dazu hat der Zürcher Pfarrer und Philosoph Johann Kaspar Lavater 1775 in «Physiognomie» Vermessungen durchgeführt.
Was ist mit der inneren Schönheit, abseits von Hochglanzmagazinen und wissenschaftlichen Messungen? Mit der Liebe, die blind macht, die eine Schönheit entwickelt, die für jeden anders ist. Und was bedeutet die Ausstrahlung, die uns manchmal bei älteren Personen in einem Gesicht voller Lebensspuren begegnet? Ist Gelassenheit schön?
Die Ausstellung kreist das «Bin ich schön» ein, hinterfragt es in vielen Positionen, bezieht die Besucher mit ein und entlässt uns nach dem Besuch mit noch mehr Fragen an uns, unser Wesen, unsere Gesellschaft. Und gerade dieser offene Ausgang macht die Ausstellung für uns spannend und sehenswert.