Was denken Ostermundiger*innen über die Fusion?

von Janine Schneider 25. März 2022

Die Bernstrasse führt einmal quer durch Ostermundigens Zentrum. Aber ist die Strasse nach Bern der richtige Weg? Was denken die Menschen in Ostermundigen selbst darüber? Wir haben uns vor Ort umgehört.

Es ist Donnerstag, 10 Uhr morgens und ich habe gerade eben den Ostermundiger Bahnhof unterquert. Vor mir erstreckt sich die Bernstrasse, links und rechts von Geschäften, asiatischen oder nahöstlichen Lebensmittelläden, Coiffeur-Salons und Imbissläden gesäumt. Es sind vor allem ältere Leute unterwegs, mit Einkaufstüten und Wägen auf dem Weg zur Migros, zum Denner oder zu Rami.  Richtig voll ist es nur im Café Chaplin, da trifft sich die ganze Ostermundiger Sprachenvielfalt zum Kaffee und einige ältere Ostermundiger auch schon zum Bier.

Später gegen zwölf Uhr sind dann auch jüngere Menschen auf der Strasse anzutreffen, Mütter, die ihre Kinder von der Schule abgeholt haben oder Angestellte, die gerade Mittagspause machen, sich ein Sandwich in der Bäckerei holen oder sich auf die Sonnenterrasse des Restaurant National setzen. Was meinen sie zur Fusion, deren Vertragsverhandlungen zurzeit laufen?

Angesprochen auf diese Frage, erklären doch einige der Passant*innen noch nie von der Fusion gehört zu haben – vor allem jüngere Leute. Sie entschuldigen sich für ihr Unwissen und gehen schnell weiter. Andere meinen, zwar von ihr gehört bzw. gelesen, sich aber noch nicht genauer damit auseinandergesetzt zu haben. Wiederum anderen ist es auch einfach «Hans was Heiri», ob die Fusion zustande kommt oder nicht. Sie wüssten zu wenig darüber, um sich wirklich eine Meinung bilden zu können.

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Es sind aber durchaus auch dezidierte Stimmen an der Bernstrasse zu hören. So treffe ich kurz nach der Unterführung Bahnhof Ostermundigen einen Werkhof-Mitarbeiter im Dienst an. Er lächelt gequält, als ich ihn nach der Fusion frage. «Für mich wäre eine Fusion nicht so gut», erklärt er, «Zwar wurde uns garantiert, dass der Ostermundiger Werkhof bleiben wird. Aber das kann schnell gehen und auf einmal ist der Werkhof nur noch ein Aussenposten. Dann müsste ich immer nach Bern für meine Arbeit.» Für den Briefträger dagegen, der wenig später an mir vorüberfährt, würde sich kaum etwas verändern. Was die Post betreffe, seien Bern und Ostermundigen schon längst fusioniert.

Es kann schnell gehen und auf einmal ist der Werkhof nur noch ein Aussenposten.

Der Duft nach frisch gebackenem Brot lockt mich zur Bäckerei Backbord. Hier treffe ich Heinz Knöpfli, wohnhaft in der Länggasse, der hier ausnahmsweise aushilft. Wie sieht der Stadtberner die Fusion? «Ich finde die Fusion eine gute Sache. Es macht Sinn, dass Infrastrukturen und Administration zusammengelegt werden. Und ich glaube, Bern-Ostermundigen schafft es, den Charakter seiner Quartiere weiterhin zu erhalten, wie das schon heute der Fall ist». Ostermundigen werde Ostermundigen bleiben können.

«Es macht Sinn, dass Infrastrukturen und Administration zusammengelegt werden», so Heinz Knöpfli aus der Länggasse (Foto: Janine Schneider).

Ich gehe weiter die Bernstrasse hinunter, sie führt mich tiefer hinein ins Ostermundiger Gemeindegebiet, an den Wohnblöcken aus den Siebzigern und den wenigen alten Bauernhäusern vorbei. Kritische Stimmen wechseln sich mit positiven Stimmen zur Fusion ab, letztere überwiegen leicht. So erklärt eine ältere Frau mit Einkaufswägeli: «Ich bin für die Fusion. Wir gehören einfach zur Stadt, das ist ein Fakt. Und es wird Zeit, dass wir ein Tram kriegen!» Schon seit 1963 wohne sie hier und nichts sei passiert.

Die Nähe zur Stadt wird öfters als Argument ins Feld geführt, so auch von einer Velofahrerin, die ich vor dem Blumengeschäft antreffe: «Von mir aus sollen sie das machen, warum nicht? Ich kenne mich da nicht so aus, was eine Fusion für die Finanzen und die Steuern bedeuten würde. Aber wir sind ja sowieso schon so stark zusammengewachsen.»

Wir gehören einfach zur Stadt, das ist ein Fakt.

Und etwas später eine Passantin vor der Bäckerei: «Ich bin für die Fusion. Ich wohne seit 2005 in Ostermundigen und fühle mich sehr wohl hier. Aber ich war schon immer eher stadtorientiert. Ich glaube, eine Fusion würde viele Vorteile bringen, die beiden Gemeinden sind ja auch schon stark zusammengewachsen.» Aber sie sei schon der Meinung, dass Ostermundigen politisch auch angemessen vertreten werden müsse.

Neben der politischen Mitbestimmung spielt auch die politische Identifikation eine Rolle. So erklärt mir ein Hundehalter, den ich in der Nähe der Migros antreffe: «Ich bin für die Fusion, weil mir die Politik in Bern besser gefällt als die hier in Ostermundigen».

Die Fusion hängt stark davon ab, ob der zusätzliche Gemeinderatssitz gewährt wird oder nicht.

Ganz anderer Meinung ist dagegen ein Stammgast der Bäckerei, der gerade seinen Cappuccino fertig getrunken hat, als ich hereinkomme: «Ich bin gegen die Fusion. Ich bin nicht bereit, einen rechtsfreien Raum zu finanzieren, sprich: die Reitschule. Mit einem solchen Stadtpräsidenten, der das toleriert, schon gar nicht.» Ob die Fusion durchkomme? Das hänge wahrscheinlich stark davon ab, ob der zusätzliche Gemeinderatssitz gewährt werde oder nicht.

«Wenn etwas zusammenkommt, ist das immer gut. Das gibt neue Energie», so Masho Seman, die mit ihrem Food-Truck in Ostermundigen anzutreffen ist  (Foto: Janine Schneider).

Auch zwei Apothekerinnen sehen die Fusion eher kritisch. Die eine erklärt: «Ich glaube, eine Fusion bringt Ostermundigen nichts». Auch die Bevölkerung sei tendenziell gegen eine Fusion, das werde wahrscheinlich abgelehnt werden. Zweitere kommt weder aus Ostermundigen noch aus Bern. Aber auch sie ist gespannt, ob die Fusion durchgebracht werden könne: «Es braucht ganz schön viel, so eine Gemeinde aufzulösen».

Auf dem Rückweg, nun wieder die Bernstrasse in Richtung Bern hinunter, komme ich an Masho Semans äthiopischem Food Corner vorbei. Sie betreibt ihn mit ihrem Mann und ist unter der Woche sowohl hier in Ostermundigen als auch in Bern anzutreffen. Wählen darf sie nicht, aber wie sieht sie die Fusion? «Wenn etwas zusammenkommt, ist das immer gut. Das gibt neue Energie.»