Was bleibt von der Stadtreparatur im Osten Berns?

von Willi Egloff 8. Oktober 2025

Die 1966 fertiggestellte Autobahn im Osten Berns war und bleibt ein städtebaulicher Sündenfall. Ob er jemals korrigiert wird, scheint heute unsicherer denn je.

Die Quartiervertretung 4, das Partizipationsorgan für den östlichen Teil der Stadt, ist sauer auf die kantonale Verwaltung. Sie beschwert sich in einem Brief an das Amt für Gemeinden und Raumordnung darüber, dass sie nicht mehr in die Diskussionen um den Bypass Bern-Ost einbezogen werde. Es geht also um das Nationalstrassenprojekt, das die Verkehrssituation im Osten Berns neu gestalten und unter anderem die städtebaulich unhaltbare Situation rund um den Freudenbergerplatz sanieren soll.

Im März 2022 hatte das damals federführende Bundesamt für Strassen ASTRA der Öffentlichkeit als Ergebnis eines mehrjährigen Evaluierungsprozesses dieses Projekt Bypass Bern-Ost vorgestellt. Es sieht vor, dass die Autobahn zwischen den Anschlüssen Wankdorf und Muri in einen Tunnel verlegt wird. Weil die bisherige Autobahn inklusive des Anschlusses Ostring dadurch überflüssig würde, könnte diese für andere Verkehrszwecke genutzt oder auch zurückgebaut werden.

Mit dem Bypass Bern Ost sollen Gümligen und der Osten Berns entlastet werden (Karte: ASTRA)

Die weitere Entwicklung dieses Vorhabens war zunächst von einem aufwändigen Partizipationsprozess begleitet gewesen. Daran hatte sich auch die Quartiervertretung 4 aktiv beteiligt. Dass die Baudirektion des Kantons Bern, bei welcher zur Zeit die organisatorische Verantwortung für die weitere Projektplanung liegt, diesen Partizipationsprozess offenbar weitgehend eingestellt hat, war der äussere Anlass des Protestschreibens der Quartiervertretung.

Neue Forderung: Einhausung der bestehenden Autobahn

In ihrem Schreiben, das anlässlich der Delegiertenversammlung vom 26. August ohne Gegenstimme verabschiedet wurde, fordert die Quartierkommission nun aber nicht nur den Einbezug in die weitere Projektplanung, sondern auch die sofortige Einhausung der bestehenden Autobahn zwischen Freudenbergerplatz und Galgenfeld. Als Vorbild dient ihr dabei die kürzlich erfolgte Einhausung der Autobahn in Zürich-Schwamendingen. Auf diesem Autobahndeckel sollen dann auch gleich noch Freizeit- und Sportanlagen errichtet werden.

Diese zusätzliche Forderung ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil sie die bisherige Haltung der Quartiervertretung 4 zur Verlegung der Autobahn in einen Tunnel in Frage stellt. Das Gremium beurteilte in seinen bisherigen Verlautbarungen dieses Projekt nämlich grundsätzlich positiv. Es vertrat die Auffassung, dass mit der vorgeschlagenen Tunnelvariante und der gleichzeitigen Rückstufung des jetzigen Autobahnastes zu einer quartierverträglichen Stadtstrasse eine wirkliche Stadtreparatur in Bern-Ost möglich würde. Insbesondere könnten die massiven Immissionen des Strassenverkehrs auf die dortigen Quartiere deutlich reduziert werden.

Wenn nun aber die bestehende Autobahn überdacht und das Gehäuse als Baugrund genutzt werden soll, so wird diese Vision eines Rückbaus des Autobahnastes und der Wiederherstellung der Quartierstruktur wohl für lange Zeit aufgegeben. Insbesondere würde dabei nämlich auch der Autobahnanschluss Ostring bestehen bleiben.

Verdeckter Zielkonflikt

Zwischen der Forderung nach Beteiligung am Planungsprozess für den Bypass und der Einhausung der bestehenden Autobahn besteht daher ein klarer Zielkonflikt. Die Quartiervertretung kann kaum wollen, dass der jetzige Autobahnast dauerhaft bestehen bleibt und dass zusätzlich ein Umfahrungstunnel gebaut wird. Damit würde die betroffene Bevölkerung nämlich vom Regen in die Traufe geraten. Und es wäre eine bewusste Desavouierung der Stimmberechtigten der Stadt Bern, die in der Abstimmung vom 24. November 2024 die Vorlage zum Ausbau der Nationalstrassen wuchtig verworfen haben.

Die A6 vor dem Zentrum Paul Klee (Foto: Nicolas Eggen)

Sehr viel plausibler ist daher die Annahme, dass die Quartiervertretung 4 inzwischen davon ausgeht, dass sich das Bypass-Projekt entweder massiv verzögert oder auch ganz sistiert wird. Die Forderung nach einer Schadensminderung in Form einer Überdeckung macht in diesem Fall durchaus Sinn. Von der ursprünglichen Idee einer Stadtreparatur bleibt dann aber nicht mehr viel übrig.

Ende des Projekts „Stadtreparatur“?

Schon diese Woche könnte sich die Ausgangslage weiter klären: Nach dem Nein zum Ausbau der Nationalstrassen im November 2024 hat das zuständige Departement des Bundes bekanntlich beschlossen, die noch laufenden Autobahnprojekte wissenschaftlich evaluieren zu lassen. Gegenstand dieser Überprüfung wird auch der Bypass Bern-Ost sein. Falls die damit beauftragte ETH Zürich zum Ergebnis kommen sollte, dass auf diese Umfahrung verzichtet werden kann, würde sich auch der entsprechende Partizipationsprozess erübrigen. Die Visionen einer Stadtreparatur im Osten Berns wären dann wohl für viele Jahrzehnte schlicht obsolet.