Warum und wie wird was gesammelt?

von Dorothe Freiburghaus 13. Mai 2014

Die aussergewöhnliche Ausstellung «Sesam, öffne dich» im Kunstmuseum Bern wirft spannende Fragen nach der Art des Sammelns auf – und gibt einige Antworten darauf.

Sammeln war in früheren Jahrhunderten ein Zeichen der Vanitas, eine Machtdemonstration. Ab dem 18.Jahrhundert entdeckte man den Wert einer Sammlung als Anschauungsmaterial für Wissenswertes, zur Bildung. Sammlungen erhielten Raum in Museen und Archiven, wo sie systematisch dokumentiert wurden.

Wir begegnen Sammlungen, die einer gewissen Wildheit nicht entbehren. Ihre Spezifikation liegt in dem momentanen Empfinden des Sammlers und kann sehr unterschiedliches Sammelgut enthalten.

Oft beschränken sich Sammlungen auf ein Motiv, ein Material, eine Technik. Sie können ganze Epochen und Regionen widerspiegeln, in Spielzeugmuseen, Werkzeug- und Waffensammlungen, in Bibliotheken, Kunst- und Musiksammlungen oder an historischen Orten.

Kulturgut der Schweiz gesammelt

Klein und zufällig kann eine Sammlung entstehen. Vielleicht kauft jemand ein erstes Bild bei seinem Malerfreund, um dann dessen Werk ein Leben lang zu begleiten. Ein erstes Objekt hat das Interesse des Betrachters geweckt, fasziniert ihn. Da ist etwas Unsägliches, das Ausdruck findet und ihn anrührt, so dass er das Objekt haben will. Mit steigendem Interesse vertieft er sein Wissen.

Der Winterthurer Bruno Stefanini hat ein Leben lang voll Leidenschaft Kulturgut der Schweiz gesammelt. 1945 erwarb er, 21-jährig, sein erstes kleines Robert-Zünd-Bild. 1980 rief er die Stiftung Kunst, Kultur und Geschichte mit Zehntausenden von Objekten, darunter gegen 5000 künstlerische Werke, ins Leben. Ihre systematische Erfassung wird noch Jahre dauern.

In der Ausstellung im Kunstmuseum Bern werden 140 Kunstwerke aus dieser immensen Sammlung gezeigt. Sie sind sehr geschickt thematisch geordnet. Wir treffen auf bekannte Meisterwerke, die wir aus Büchern oder spezifischen Ausstellungen kennen. Von Heinrich Füssli bis zu Adolf Dietrich sind alle hervorragenden, aber auch weniger bekannten Schweizer Künstler vertreten.

Armbrust, Kristalle und Kostüme

Das selten gezeigte, melancholische Porträt von «Leopoldina Grubicy» von Giovanni Segantini gehört in die Sammlung, Hodlers kühn umrandete, schattenlose «nu féminin» ist da. Wir begegnen der Malerin Angelika Kauffmann (1741 – 1807). Wir treffen aber auch auf Albrecht Dürers «Feldhase» (1502).

In der Ausstellung geben ausgewählte Objekte Einblick in das umfassende Sammelgut. Da sind eine reich verzierte Armbrust (Anfang 17. Jahrhundert), eine Kristallgruppe (15 Millionen Jahre alt) oder das Reiterkostüm der Kaiserin Elisabeth von Österreich aus dem 19. Jahrhundert zu betrachten. Das Kunstmuseum zeigt bewusst ausgewählte Kostbarkeiten.

Der zufällige Blick in die gesamte Sammlung wäre spannend und aufschlussreich für die Art und den Beweggrund des Sammelns. Wieviel Ramsch gibt es? Wie bewusst wird Qualität gewählt oder wird auch unkritisch zusammengerafft und ist die Gier nach noch mehr im Spiel?

Dem künstlerischen Prozess nahe sein

Bruno Stefanini sammelt nicht wie Oskar Reinhart gesammelt hat, der auf ein Bild, das seine Sammlung von impressionistischen Bildern abrunden würde, auch warten konnte. Bruno Stefanini interessiert, wie ein Kunstwerk entsteht von einer Skizze über Zeichnungen zum definitiven Werk. Ihm ist wichtig, dem künstlerischen Prozess nahe zu sein. Was bewegt den Künstler? Dabei ist für ihn nicht der Name des Künstlers entscheidend, sondern ob ihn das Werk bewegt.

Stefanini studiert Auktionskataloge, ist immer selbst an Auktionen anwesend, was ihm auch ein spontanes, ungeplantes Eingreifen ermöglicht, wenn er findet, dass das betreffende Objekt in der Schweiz bleiben sollte.

Ein ganzes Schloss gekauft

Die Sammlung enthält Kulturgüter der Schweiz: Gegenstände aus dem täglichen Leben, Kostüme, Miniaturen, Mineralien, Briefe, Dokumente, Skizzenbücher, Kunstwerke, ganze Nachlässe und Schlösser. So das Schloss Grandson, das er en bloc mit all seinen speziellen Sammlungen gekauft hat, als arabische Investoren sich dafür interessierten. Eine seiner Triebfedern zum Sammeln ist: das kulturelle und geschichtliche Erbe der Schweiz nicht ins Ausland zu verkaufen.

Bei dem Umfang der Sammlung stellt sich die Frage nach den Mitteln des Sammlers. Bruno Stefanini ist seit den fünfziger Jahren in der Immobilienbranche tätig und lässt seinen Besitz für sich arbeiten. Ruhm und Ehren, Hochachtung für seine Sammlung sucht er nicht, sie berühren ihn nicht. Er freut sich über jedes neue Objekt.

Stefanini hat grosse Kunstwerke aber auch Unbekanntes gekauft; ohne einschränkendes Konzept, vom 18. Jahrhundert bis in die Moderne. Wünschenswert ist, eines Tages einen vertieften Einblick ins mehr geschichtliche Sammelgut und die ganz besondere Art des Sammelns von Bruno Stefanini zu erhalten.