Warum nennt das Bundesgericht die Namen der Beschwerdeführer?

von Beat Kohler 4. April 2013

Das Bundesgrericht hat den Medien die Namen sämtlicher Beschwerdeführer im Fall der Verlängerung der Betriebsbewilligung des AKW Mühleberg bekanntgegeben. Das löst bei den AKW-Gegnern Unverständnis aus.

«Bei der Berichterstattung sind die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten, insbesondere deren Persönlichkeitsrechte, zu wahren. Dies gilt insbesondere mit Rücksicht auf die Nennung der Namen», heisst es im Artikel 5 der Richtlinien betreffend der Berichtertstattung am Bundesgericht. Beim Urteil zum AKW Mühleberg hat das Bundesgericht es offensichtlich den Journalisten überlassen, zu urteilen, wie weit sie die Persönlichkeitsrechte wahren. So kam es dazu, dass die Berner Zeitung ihren Artikel «AKW Mühleberg erhält unbefristete Bewilligung» vorerst mit einer Liste aller Beschwerdeführenden online veröffentlichte. Inzwischen ist der Link verschwunden. Die Veröffentlichung sei ein Versehen gewesen, heisst es bei der BZ. Die Zeitung entschuldigte sich bei den Betroffenen. Man gehe mit Namensnennungen zurückhaltend um und halte sich grundsätzlich an die Vorgaben der Gerichte.

«Das ist nicht üblich.»

Rainer Weibel, Rechtsanwalt

Dass es zu einem solchen Versehen kommen konnte, ist für den Vertreter der Beschwerdeführenden ärgerlich. «Das ist nicht üblich», erklärt Rechtsanwalt Rainer Weibel. Es sei für ihn unverständlich, dass das Bundesgericht ein Urteil mit allen Namen der Presse überhaupt zukommen lasse. «Das habe ich noch nie gesehen», so Weibel. Ähnliches Unverständnis für das Vorgehen des Bundesgerichts äussert auch Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer (SP) in ihrem aktuellen Newsletter. «Das Bundesgericht nennt normalerweise Parteien nicht, die keine öffentlichen Personen sind», schreibt sie.

«Die Namensnennung im Rahmen der Berichterstattung liegt in der Verantwortung der Medien.»

Lorenzo Egloff, Stellvertretender Medienbeauftragter des Bundesgerichtes

Doch warum verteilt das Bundesgericht eine Liste dieser Namen an die Presse unter dem Titel «Abgabe an Dritte in anonymisierter Form»? «Im vorliegenden Fall hat der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung entschieden, die Namen der Verfahrensbeteiligten für die Berichterstattung freizugeben. In der Folge liegt die Namensnennung im Rahmen der Berichterstattung in der Verantwortung der Medien», erklärt Lorenzo Egloff, Stellvertretender Medienbeauftragter des Bundesgerichtes auf Anfrage. Das zuständige Abteilungspräsidium entscheidet jeweils auf Gesuch hin, ob das Medium über die Verfahrensschritte eines medienwirksamen Falls orientiert werde und ob die Namen der Verfahrens­beteiligten für die Berichterstattung frei seien. «In sämtlichen öffentlich-, zivil- und strafrechtlichen Verfahren vor dem Bundesgericht sind die Namen im Regelfall für die Berichterstattung frei», widerspricht der Medienbeauftragte den Aussagen von Weibel und Egger.

Entscheid löst Emotionen aus

Dass schon nur auf diesem Nebenschauplatz dieser Namensnennungen die Wogen so hoch gehen zeigt, wie emotional aufgeladen das Thema ist. Der gesamte Entscheid des Bundesgerichts stösst bei den Beschwerdeführern auf grosses Unverständnis. Das bringt Regierungsrätin Egger auch in Ihrem Newsletter zum Ausdruck. «Bei jedem Bauwerk wenden wir das 4-Augen-Prinzip an – und ausgerechnet bei der Atomaufsicht soll das nicht gelten?», so Egger.

«Bei jedem Bauwerk wenden wir das 4-Augen-Prinzip an – und ausgerechnet bei der Atomaufsicht soll das nicht gelten?»

Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer (SP)

Das Bundesverwaltungsgerichts hatte mit 5:0 Stimmen entschieden, Mühleberg dürfe ohne umfassendes Konzept zur Behebung der Sicherheitsmängel nicht länger als bis Juni 2013 betrieben werden. Das Bundesgericht ist mit 4:1 Stimmen vergangene Woche zum gegenteiligen Schluss kommt. Für Egger sind die Richterinnen und Richter der beiden Institutionen fachlich ebenbürtig. Deshalb ist dieser Entscheid für sie – und nicht nur für sie – unerklärbar. Das zeigen auch die Reaktionen in den Sozialen Medien. Der Entscheid sei «voll daneben» und eine «Sauerei» schreiben erboste AKW-Gegner. Erfreut über den Entscheid ist auf der anderen Seite Energieministerin Doris Leuthard. Es bestehe nun Rechtssicherheit bezüglich der Zuständigkeiten der Behörden, schreibt das UVEK.