Warum musste die «Centrale Viva» geräumt werden?

von Noah Pilloud 28. Juli 2023

Hausbesetzung Nach rund zwei Wochen Belebung musste das Kollektiv «Centrale Viva» die Lagerhalle beim Könizer Bahnhof wieder verlassen. Grund für den Räumungsbefehl waren Brandschutzbedenken, sagt die Gemeinde. Die Aktivist*innen fühlen sich indes übergangen.

Plötzlich ging alles ganz schnell. Am 9. Juni, knapp zwei Wochen nach der Besetzung der Lagerhalle an der Sägestrasse 67 in Köniz, gab das Besetzer*innen-Kollektiv «Centrale Viva»  via Social Media bekannt, dass ein Räumungsbefehl vorliege. Der angekündigte Barbetrieb am darauf folgenden Abend fand noch statt, doch am 11. Juni räumten die Besetzer*innen das Lagerhaus.

In einem Statement, das die Besetzer*innen zusammen mit einer Petition veröffentlichten, äusserte sich das Kollektiv überrascht und enttäuscht. Die Besetzung ohne jegliche Verhandlungen zu schliessen sei ungerechtfertigt und der Räumungsbefehl sei unerwartet gekommen.

Das Verhältnis mit der Besitzerin beschreiben die Aktivist*innen als sehr herzlich.

Tatsächlich wirkte die Gemeinde Köniz noch wenige Tage zuvor dialogbereit. Der Vorsteher der Direktion Sicherheit, Immobilien und Zivilschutz, Thomas Brönnimann (GLP), bekundete am Tag nach der Besetzung gegenüber dem «Bund» Verständnis für die Anliegen der Besetzter*innen. Eine befristete Zwischennutzung sei möglich, war in dem Artikel weiter zu lesen. Zwei Wochen später zitierte dieselbe Tageszeitung Brönnimann erneut, diesmal sprach das Gemeinderatsmitglied aber davon, dass eine Zwischennutzung im Sinn des Kollektivs unverantwortlich und nicht bewilligungsfähig sei.

Auch dem Anliegen mehr Freiräume für Jugendliche schien Brönnimann zu diesem Zeitpunkt wenig Verständnis entgegenzubringen. Stattdessen hielt er dem Kollektiv vor, die Verhältnisse in Köniz nicht zu kennen. Woher dieser Gesinnungswandel? Was passierte in diesen zwei Wochen?

Bedenken beim Brandschutz

Die Besetzer*innen führen das anfänglich gute Verhältnis auf ihre offene Kommunikation und das friedliche Auftreten. So seien die Rückmeldungen der Anwohner*innen von Beginn weg positiv gewesen. Auch das Verhältnis mit der Besitzerin beschreiben die Aktivist*innen als sehr herzlich.

Etwas kühler habe sich der Umgang der Gemeinde mit den Besetzer*innen gestaltet. «Wir hatten das Gefühl, dass uns die Gemeinde nicht wirklich hier haben wollte», sagt Luna, die in Wirklichkeit anders heisst, gegenüber Journal B. «Die zwei Mitglieder des Kollektivs, die Thomas Brönnimann bei seiner ersten Begehung durch das Haus führten und ihm ihre Sicherheitsvorkehrungen erklärten, fühlten sich von oben herab behandelt und nicht ernst genommen.»

Um so überraschender sei es für das Kollektiv gewesen, dass ausgerechnet Brönnimann in den Medien von einer möglichen Zwischennutzung sprach. Am darauffolgenden Freitag fand dann eine weitere Begehung statt, unter anderem mit Expert*innen der Gebäudeversicherung Bern (GVB).

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Wie dem vorsorglichen Benützungsverbot der Gemeinde Köniz, das der Redaktion vorliegt, zu entnehmen ist, führte hauptsächlich der Bericht der GVB zum Entscheid, die Besetzung zu räumen. Ausschlaggebend sind insbesondere Bedenken hinsichtlich des Brandschutzes. Das Gebäude sei im angetroffenen Zustand für keine Nutzung zugelassen, heisst es im vorsorglichen Benützungsverbot.

Den Bedenken seien sie sich bewusst gewesen, meinen die Besetzer*innen. Deshalb hätten sie eigens ein Brandschutzkonzept erstellt, das sie der Gemeinde vorlegten. «Dazu haben wir aber nie eine Reaktion erhalten», berichtet Luna. Sie verstehe nicht, weshalb die Gemeinde mit ihren Bedenken nicht auf das Kollektiv zugekommen sei: «Wir haben Dialogbereitschaft signalisiert und die Sicherheitsbedenken sehr ernst genommen. Ich bin mir sicher wir hätten eine Lösung gefunden.»

Thomas Brönnimann hat den Austausch als offen und konstruktiv erlebt.

Durch das Vorgehen der Gemeinde fühlt sich das Kollektiv fremdbestimmt und nicht ernst genommen. Hat die Gemeinde eine Chance vertan, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen? «Die feuerpolizeilichen und sicherheitstechnischen Risiken waren und sind zu gross für jegliche Art der Nutzung», schreibt die Gemeinde Köniz auf Anfrage.

Das von den Besetzer*innen eingereichte Sicherheitskonzept sei aufgrund der BVG-Expertise zu diesem Zeitpunkt bereits obsolet gewesen. Weil die Besetzung zudem nicht zonenkonform und illegal war, habe der Gemeinderat, «im Sinne der Rechtsgleichheit», der Nutzung durch das Kollektiv nicht zustimmen können.

Was geschieht mit der Lagerhalle?

Dass es sich bei Brönnimanns Aussagen vom 10. Juni um einen Gesinnungswandel handle, weist die Gemeindeverwaltung in ihrere Stellungnahme zurück: «Verständnis haben für die Anliegen der Besetzer*innen und gleichzeitig darauf hinweisen, dass Köniz einiges tut, um attraktiv zu sein für alle Könizer*innen – das ist weder ein Gesinnungswandel noch ein Widerspruch.»

Auch die Kritik der Besetzer*innen, der Gemeinderat habe sie bei der Begehung von oben herab behandelt, bezeichnet die Gemeinde als nicht nachvollziehbar. Thomas Brönnimann habe den Austausch als offen und konstruktiv erlebt.

Was bedeuten die Sicherheitsmängel nun für die angedachte weitere Nutzung der Lagerhalle? Schliesslich sind die Risiken laut BVG zu gross für jegliche Art der Nutzung. Mats Gurtner von Velafrica, bestätigt gegenüber Journal B, vor der Besetzung mit dem Gemeinde Köniz in Kontakt gestanden zu haben. Allerdings sei noch nichts Konkretes beschlossen worden. «Für uns wäre das eine ideale Lösung, denn momentan sind unsere Lager an unterschiedlichen Orten, was zu einem hohen logistischen Aufwand führt», erklärt Gurtner, seit der Räumung habe Velafrica aber noch nichts von der Gemeinde vernommen.

Die Gemeindeverwaltung schreibt, momentan seien Abklärungen im Gang, welche Art der Nutzung für die Lagerhallen in Frage kommt. «Die Abklärungen beinhalten auch die feuerpolizeilichen und sicherheitstechnischen Risiken, die anlässlich der Besetzung überdeutlich geworden sind, und die Bedeutung des Gebäudes als denkmalgeschütztes Objekt», heisst es von der Gemeinde weiter.

Wir hatten viele positive Reaktionen aus der Bevölkerung und zahlreiche Menschen haben sich mit eigenen Projektideen bei uns gemeldet.

Eine Nutzung als Velolagerhalle durch Velafrica scheint also vorerst nicht völlig ausgeschlossen. Wegen der Sicherheitsbedenken und der Zonenkonformität wird es hingegen demnächst keine Belebung durch kulturelle Nutzung geben.

Für die Kollektiv Centrale Viva war die Besetzung dennoch eine gelungene Aktion. «Wir hatten viele positive Reaktionen aus der Bevölkerung und zahlreiche Menschen haben sich mit eigenen Projektideen bei uns gemeldet», resümiert Luna. Dass es keine männerdominierte Besetzung gewesen ist, habe sich auch in der allgemeinen Stimmung gezeigt. Alles in allem sei es ein sehr schönes Projekt gewesen.