Warum der «Fall Strik» eskalieren konnte

von Anne-Careen Stoltze 5. Dezember 2012

Der Klinikchef ist beurlaubt, die Verwaltungschefin ist krankgeschrieben, Ärzte kündigen – die Situation der Berner UPD ist verfahren. Dass es soweit kommen konnte, daran ist auch die Kommunikation schuld. Journal B fragt den Experten.

Was ist an der Kommunikation der UPD-Führung im Fall Strik falsch gelaufen?

Roland Binz:

So wie ich es beobachten konnte leider sehr viel. Doch man muss bedanken: Die Hauptakteure stecken in einer sehr schwierigen Situation, zumal der Konflikt offenbar schon seit Jahren schwelt. Erst recht will die Öffentlichkeit deshalb alle Fragen beantwortet haben. Das Interesse ist im Fall der UPD zudem besonders gross, weil es sich um eine öffentliche Einrichtung handelt. Da werden die Steuerzahlenden hellhörig, wenn man sie im Ungewissen lässt. Deshalb hätte aus meiner Sicht Regula Mader von Anfang an die Freistellung von Professor Strik begründen und die Fakten klar und nachvollziehbar kommunizieren müssen. Im Fachjargon nennt sich das ‘handlungsgestützt kommunizieren’, was soviel heisst wie: Sagen, was man tut und tun, was man sagt. Und gut erklären, weshalb. Damit erreicht man eine maximale Glaubwürdigkeit. Das ist der UPD-Führung bislang nicht gelungen.

Im Fall Strik haben mehrere Akteure kommuniziert – UPD, GEF und Universität Bern.

Weil eine klare Ansage fehlte, eskalierte die Geschichte rasch nach oben. Und offensichtlich wurde die Kommunikation dieser drei Institutionen ungenügend abgesprochen. Insgesamt entsteht der Eindruck, es herrsche das reinste Chaos. Die Öffentlichkeit weiss nicht, was sie glauben soll, weil es auch nach über einem halben Jahr schlichtweg an klaren, verständlichen Fakten fehlt. Das führt dazu, dass Spekulationen ins Kraut schiessen und dass Tür und Tor geöffnet wurden für immer neue Enthüllungen.

«Die Öffentlichkeit weiss nicht, was sie glauben soll, weil es auch nach über einem halben Jahr an klaren, verständlichen Fakten fehlt.»

Roland Binz, Kommunikationsexperte

Was hätte die Krise denn entschärfen können?

Einen solch schwerwiegenden Personalentscheid muss man von Beginn weg mit einer entsprechenden Kommunikationsstrategie begleiten und auf drei Ebenen aktiv informieren: die Mitarbeitenden, externe Interessengruppen wie die Uni Bern oder die GEF sowie die Öffentlichkeit. Im Fall Strick erfolgte die Initialzündung durch eine Exklusivgeschichte in einem einzelnen Medium. Das ist in solchen Fällen heikel, weil Interessierte und Beteiligte die News aus der Zeitung erfahren und andere Medien die Gründe umso kritischer hinterfragen. So ist die Kommunikation schwieriger zu steuern. 

Hätte auch ein Interview mit Regula Mader entschärfen können?

Sie hätte auf jeden Fall hinstehen müssen anstatt dauernd zu schweigen. Das macht misstrauisch. Ein gut vorbereitetes, kritisches Interview wäre eine Gelegenheit, das Ruder herum zu reissen. Aber wenn man Fragen nicht beantwortet, sie offen lässt, ihnen ausweicht oder keine Selbstkritik äussert, entsteht der Eindruck, es gäbe etwas zu verheimlichen.

Hat die UPD-Führung das Thema unterschätzt?

Das scheint mir eindeutig so. Vielleicht haben sie gehofft, es werde etwas Lärm geben und dann bald nicht mehr drüber geredet. Aber auch die GEF scheint das Thema unterschätzt zu haben. Derweil hat Professor Strik im Hintergrund offensichtlich geschickt dafür gesorgt, dass Drittparteien insbesondere aus der Wissenschaft ihm öffentlich den Rücken stärken. 

Nach der Freistellung von Professor Strik kam im Herbst die nächste Enthüllung diesmal von der «Weltwoche», dass eine Ärztin im Qualitätsmanagement der UPD ihre akademischen Titel offenbar zu Unrecht trug und noch dazu die Vorgesetzte von Regula Maders Ehemann war…

Das ist typisch für solche Krisen. Wer sich am Anfang unglaubwürdig verhält, sieht sich rasch mit weiteren Krisenherden konfrontiert. Journalisten funktionieren so: Bleiben wichtige Fragen offen, werden sie misstrauisch und beginnen zu Recht nachzuforschen. Dank ihrer Neugier werden immer neue Geschichten ausgegraben. 

«Wenn die Kommunikation mit den Mitarbeitenden, den Beteiligten bei GEF und Universität sowie auch bei den Patientinnen nicht funktioniert, leistet man damit Indiskretionen Vorschub.»

Roland Binz, Kommunikationsexperte

Wie man auch an dem Bericht der «Berner Zeitung» von vergangener Woche über die Kündigungen der Ärzteschaft in der Waldau sehen kann.

Genau, wenn die Kommunikation mit den Mitarbeitenden, den Beteiligten bei GEF und Universität sowie auch bei den Patientinnen nicht funktioniert, leistet man damit Indiskretionen Vorschub. Man riskiert fahrlässig, dass wirklich alles ausgeschlachtet wird. Nun ist der Schaden gross. Es ist ein grosser Scherbenhaufen entstanden, unter dem alle leiden: die UPD, die Ärzte, Pflegepersonal und Patienten, die GEF, die Uni und der Regierungsrat. Einer derartigen Eskalation hätte man mit guter Vorbereitung vorbeugen können.

Was würden Sie zum jetzigen Zeitpunkt raten?

Trotz oder gerade wegen der diffusen, schwierigen Situation braucht es jetzt einen unmissverständlichen Führungsentscheid des Regierungsrats. 

…den Entscheid im Fall Strik hat der Regierungsrat in den nächsten Wochen in Aussicht gestellt…

Der Zustand ist ja bereits so verfahren, dass es gar nicht mehr ausschliesslich um den Auslöser, die Freistellung von Herrn Strik geht. In der öffentlichen Wahrnehmung herrscht in der Waldau ein chaotischer Zustand, den der Regierungsrat beenden muss. Seine Entscheide müssen nun glasklar nachvollziehbar sein. Alles andere wird nicht funktionieren.

Wie geht es danach weiter – es wird bereits offen diskutiert, ob Regula Mader weiter die UPD leiten kann?

Zur Personalie kann ich natürlich nichts sagen. Aber generell habe ich den Eindruck, dass ohne eine Zäsur keine Ruhe einkehren wird. Ohne raschen Abschluss dieses Kapitels und ohne Neustart dürfte es schwierig werden, in der Öffentlichkeit wieder Vertrauen zurückzugewinnen.