Vorhandene Ressourcen besser nutzen

von Anne-Lea Berger 3. November 2014

Viele Lebensmittel werden verschwendet. Dieser Tatsache will ein neuer Berner Verein entgegenwirken. Unsere Autorin begleitete die Ressourcenengel auf ihrer ersten Verteilaktion durch die Altstadt.

«Das ist super wichtig, viel wichtiger als diese Tasse hier», meint Gründungsmitglied Stefan Theiler, während er in Gedanken versunken seine farbigen Teetassen spült. Er erzählt vom erst kürzlich gegründeten «Verein zur Erhaltung und Nutzung vorhandener Ressourcen», der unserer verschwenderischen Konsumgesellschaft Alternativen aufzeigen will.

Es gibt wohl wenige, die behaupten würden, eine krumme Karotte sei weniger schmackhaft als eine gerade. Wenige, die sagen würden, ein am Vortag abgelaufenes Joghurt sei nicht mehr geniessbar. Trotzdem wird laut foodwaste.ch ein Drittel aller produzierten Lebensmittel in der Schweiz nicht konsumiert. Sie gehen auf dem Weg von der Produktion über die Weiterverarbeitung und Verkauf bis zum Konsumenten verloren. Wie etwa beim Gemüse wegen nicht regelkonformen Massen oder zu kurz gehaltener Haltbarkeitsdaten.

Für die eine Hälfte dieser Verschwendung sind wir Konsumenten verantwortlich: wir kaufen und kochen mehr, als wir essen können, lagern falsch oder haben schlicht keine Lust, nicht mehr ganz so frische Ware zu konsumieren. Unser Konsumverhalten müssen wir ändern, das steht fest. Doch was geschieht der anderen Hälfte? Mit jenen Lebensmitteln, welche gar nicht erst den Weg in unseren Kühlschrank finden?

Auch unperfekt schmeckt gut

Hier setzt das Engagement der Ressourcenengel ein. Etwa mit ihrer ersten gemeinsamen Vereinsaktion, einem Wandermarkt in der Berner Altstadt. Leiterwagen an ihre Velos gebunden, prall gefüllt mit Blumenkohl, Lauch, Karotten und vielem mehr ziehen sie vom Rathausplatz via Münster und Kornhausplatz bis zum Bahnhof. Das Gemüse ist alles biologische Ausschussware von Bauern aus dem Seeland: zu kleine Kartoffeln, zu krumm gewachsene Gurken, zu grosse Tomaten. All das befindet sich in ihren Wägelchen.

Was kein Geschäft mehr verkaufen wollte und sonst im Abfall landen würde, verteilen die Ressourcenengel nun alles gratis an Passanten. Den Beweis, dass dieses Gemüse noch vorzüglich schmeckt, liefern sie mit selbst gemachten Brotaufstrichen aus Karotten und Sellerie.

Passanten greifen erfreut zu

Die Aktion stösst, nach anfänglichem skeptischen Beäugen, auf viel Wohlwollen. Die Passanten sind interessiert und greifen erfreut zu, das Kollektenkässeli scheppert immer mehr.

Stefan Theiler möchte durch den Verein auch politischen Druck ausüben, damit sich Grossunternehmen nicht mehr weigern können, nicht «normkonformes» Gemüse zu verkaufen. Da sei aber auch der Konsument gefordert, nicht immer zur perfekt geformten Karotte zu greifen. Dadurch könnte man das Argument der Grossunternehmer entkräften, Bilderbuchgemüse entspreche dem Kundenwunsch.

Bessere Nutzung von Immobilien

Frederik Rechsteiner, der Präsident des Vereins, erzählt von einem weiteren Schwerpunkt ihres Engagements: leerstehende Immobilien. Bereits wurde eine Liste mit ungenutzten Immobilien in und um Bern erstellt. Die Ressourcenengel möchten sich dafür einsetzen, diese künftig für Künstler, Studenten oder kleine Geschäfte zur Verfügung stellen zu können.

«Es kann doch nicht sein, dass Studenten keinen bezahlbaren Wohnraum finden und so viele tolle Künstler auf ständiger Suche nach Ateliers oder Proberäumen sind, wo doch so viele Häuser leer stehen», sagt Frederik. Deshalb suchen sie bereits jetzt den Kontakt mit Interessierten: unter anderem sollen ein Bioladen und ein Repair-Café Räume für ihre Läden und Projekte erhalten.

Noch ist vor allem in rechtlicher Hinsicht nicht klar, wie die Ressourcenengel zu den unbenutzten Räumen kommen werden. Sie lassen sich momentan juristisch beraten.