Heute Abend um 20 Uhr findet die Premiere des Theaterstücks «Porno Porno, lass uns Händchen halten» im Brückenpfeiler am Dalmaziquai 69 in Bern statt. Das von jungen Schauspielerinnen und Schauspielern gespielte Stück thematisiert den Konflikt zwischen Liebe und Lust, Geborgenheit und Sex.
Offen und ehrlich sprechen die jungen Talente jene Themen an, worüber auch in der heutigen Gesellschaft nur sehr bedeckt gesprochen wird. Dabei lassen sie den oft humorvollen, aber auch selbstkritischen Blick auf ihre und die vergangene Zeit nicht aus.
Immer gut aussehen, eine tolle Figur abgeben, sportlich und gesund sein, das sind nur einige der Forderungen, denen wir im Alltag begegnen. «Findest du mich eigentlich schön», fragt eine junge Dame laut heraus, den Adressaten erfährt das Publikum nicht. «Ist doch nur noch Leistung, Sport», beklagt sich ein Anderer im Theaterstück und verweist damit auf den enormen Leistungsdruck, den wir heutzutage zu spüren bekommen.
«Der Druck lastet wohl auf jedem», meint Lina Eggel. «Im Theaterspiel kann ich ihn einfach ablegen.» Die 21-jährige ist bereits seit über drei Jahren bei der Jungen Bühne Bern dabei.
Ausgangspunkt «Porno»
Am Anfang stand nichts weiter als das Wort «Porno» im Raum. Die Regisseurin Karin Maurer hatte der Truppe von Nachwuchsschauspielern den Begriff als Ausgangspunkt für das nächste Theaterprojekt präsentiert.
«Das Thema ist deshalb so interessant, weil es polarisiert», so Maurer. Der ausgebildeten Theaterpädagogin und Schauspielerin gehe es beim Projekt jedoch nicht darum zu provozieren: «Das Thema erzeugt ein Spannungsfeld, worin wir uns in diesem Stück bewegen wollen.»
«Am Anfang habe ich nicht verstanden, was mit dem Thema anzufangen ist», sagt Nadja Bietenhader, 23 Jahre alt. Doch im Entstehungsprozess fand sie schnell Interesse am Projekt. Bereits mit zehn Jahren machte sie erste Bühnenerfahrungen.
Trotzdem ist jedes Projekt für sie eine neue Herausforderung: «Es gab immer wieder Situationen, in denen ich mich gefragt habe, wie ich das nun umsetzen soll», erklärt Bietenhader. Doch das gehöre halt zum Prozess dazu. Für das Projekt schaute sie sich auch Sexfilme an: «Bislang hatte ich nie mit derselben Aufmerksamkeit einen Porno angeschaut.»
Bei der Umsetzung mitreden
Auch Lina Eggel fand schnell Gefallen an der Arbeit: «Bei der Umsetzung des Stücks konnten wir sehr stark mitreden.» Gerade die vielen Improvisationen seien durch das Engagement der Mitwirkenden direkt beeinflusst worden.
Lorin Brockhaus geht das Thema sehr nahe. Doch für ihn geht es bei Sexvideos um viel mehr, als die blosse Lust: «Bei Pornos geht es darum, Ideale und ins künstliche abstrahierte Prozesse darzustellen.» Für den 18-jährigen ist das gewählte Thema sehr aktuell, wie sich an den angeregten Gesprächen im Vorfeld der Premiere zeigte.
In unzähligen Diskussionen und Improvisationen entwickelte sich aus der Idee ein Stück. Dabei versuchten Karin Maurer mit ihren Kollegen Christoph Hebing und Marcel Lehmann stets, den Überblick zu behalten. «Wir schauen, dass das Endprodukt eine Form erhält und die Dramaturgie stimmt.» Eines war ihr während des Entstehens wichtig: «Ich wollte keinen Seelenstriptease, wollte nicht, dass die Schauspielerinnen und Schauspieler ausgestellt werden.»
Bezug auf die folgenden Aussagen
Im Stück begegnen dem Publikum oft Szenen, die zwar im ersten Moment sehr surreal und komisch daher kommen und einem ein Schmunzeln auf das Gesicht zaubern. Doch dahinter steckt meist mehr, wie Lina Eggel erklärt: «Wir machen selten Sachen, um die Zuschauenden zum Lachen zu bringen.» Das Publikum soll zum Nachdenken gebracht werden.
So zeigen sich die Darstellerinnen und Darsteller in einigen Szenen sehr freizügig: In ihren Rollen sprechen sie offen sexuelle Vorlieben aus und übertreiben bewusst oder unbewusst, in der Hoffnung, bald einen Partner oder eine Partnerin zu finden. Oder sie treffen sich, um sich über ihre Erfahrungen auszutauschen und geben mit solchen an, die sie frei erfinden oder die eigentlich in schlechter Erinnerung geblieben sind.
«An irgend einem Punkt im Leben prahlt jeder», meint Lorin Brockhaus. Denn immer wieder stelle man sich die Frage, was man tun könne, um besser dazustehen. Das Stück solle Bezüge zu solchen Themen herstellen, findet er. «Jeder soll für sich seine Gedanken dazu entwickeln.» Eine allgemeine Aussage entwickle sich nicht und sei auch nicht gewollt. «Die Darbietung verknüpft verschiedenste Themenbereiche mit dem Oberbegriff.»
Nadja Bietenhader ist derselben Ansicht. «Natürlich provoziert der Titel und das Thema, doch damit lässt sich ein Dialog anregen», sagt sie. Das Theater dürfe auch einmal einen kritischen Blick auf das werfen, was oft verschwiegen wird. Schlussendlich sei es ein Angebot an den Zuschauenden. «Sie entscheiden selbst, was sie damit anstellen werden.»