Vom Bauernhof zum Stadtbauernhof…

von Sabine Schärrer 1. Oktober 2019

Welche stadtberner Familie kennt den Bauernhof in der Elfenau nicht wenigstens vom Sonntagsspaziergang? Wo die Kinder den Kühen im Stall beim gemütlichen Mampfen und dem Bauern Hansueli Weber beim Melken zuschauen konnten? Idylle pur und ganz nah an der Stadt – bis vor Kurzem jedenfalls… 

2025 läuft mit Erreichung des Pensionsalters von Ueli Weber der Pachtvertrag für den Hof aus. Erste betriebliche Veränderungen sind sichtbar, bereits ist die Milchkuhhaltung dem tiefen Milchpreis zum Opfer gefallen. War’s das denn? Droht Lichterlöschen, wie für viele andere Landwirtschaftsbetriebe? Das kann nicht sein, schliesslich gehört die ganze Elfenau zum Tafelsilber der Stadt und der Hof hat mit 24 ha eine recht stattliche Grösse, die immerhin über dem kantonalen Durchschnittsbetrieb liegt. Was also?

Grad nebenan planen Stadtgrün und Immobilien Stadt Bern ISB ein Erneuerungsprojekt für die technischen Betriebsanlagen der Stadtgärtnerei. Eine Gesamtsicht im Sinne eines ‘Masterplans Elfenau’ inklusive des Bauernbetriebes und der beiden Orangerien drängt sich auf. Bereits 2009 stellte der Gemeinderat in Beantwortung eines interfraktionellen parlamentarischen Vorstosses fest, dass ‘die stadtnahe Lage den Elfenaubetrieb als Stadtbauernhof geradezu prädestiniert’. Diese Feststellung ist aktueller denn je!

Vision an der Nahtstelle von Kultur- und Naturlandschaft

Als ‘Lobbyistin für die Elfenau’ liess deshalb die IG-Elfenau einen Bericht erstellen, um der bisher noch vagen Vision Stadtbauernhof Konturen zu verleihen und konkrete Chancen für eine neue Zukunft auszuloten. Mitverfasserin Anna Moor, Biobäuerin und Pädagogin, im Quartier aufgewachsen, betont denn auch, welch wichtige Aufgaben so ein grosser, arrondierter Betrieb an der Nahtstelle zwischen Kultur- und Naturlandschaft als anschaulicher Vermittler des Bauernhandwerks, als Ort für besondere Arbeitsplätze, als Teil des gesamtstädtischen Biodiversitätskonzepts, als Lernort für nachhaltige Nahrungsmittelproduktion oder generell als Brücke zwischen Stadt und Land zu leisten vermag.

Nicht nur Hofladen und Parkcafé, auch die Orangerie als Begegnungs- und Eventort, das grüne Klassenzimmer, der Naschgarten, der Pro Spezie Rara Garten und die Spiel- und Erholungslandschaft ergeben in ihrer Gesamtheit eine ideale Ergänzung zum zukünftigen Bio-Landwirtschaftsbetrieb.

Kita im Säulistall

Die ersten handfesten Vorboten der Zukunft sind schon da! Veronika Singa und Franziska Engel ziehen mit einer Bauernhofkita und dem Timeoutangebot für Schulkinder ‘Lernort’ demnächst in den umgebauten Säulistall. Bereits lassen mehreren Geissen und eine muntere Hühnerschar die Kinder viel echte Landluft schnuppern. Die Kinder selber haben direkt neben den Geissen ein ‘Kinderweidli’ erhalten. Ein riesiges Geschenk, so Veronika Singa, ist die tatkräftige Unterstützung dieses Projekts durch die Familie Weber – auch die Grosseltern Weber haben sichtlich Freude an der neuen Belebung. IG-Elfenau und Quartier halfen mit, die neuen Geissenzäune zu finanzieren. Nicht nur die Bauernhofkita, sondern auch eine Permakultur-Gartengruppe und eine neue Ideen-Sammelwand im Parkcafé zeigen, dass sich neues Leben regt in der Elfenau!

Riesiges Potential

Es ist zu hoffen, dass sich im Verlauf der Projektentwicklung die Zusammenarbeit mit den Quartierakteuren noch etwas intensiver gestaltet – bisher hatte man den Eindruck, die im Quartier lang gereiften und ‘gebüschelten’ Ideen durchs’ Hintertürli einschleusen zu müssen. Dabei hat wohl kaum ein anderes Projekt gleichzeitig ein solch kreatives, handfestes und umweltaktives Potenzial wie der Stadtbauernhof Elfenau. Für mehr Schub soll Im Stadtrat demnächst eine Motion eingereicht werden, die den Gemeinderat zur Sicherung des Weiterbestands und zum Ausschöpfen des Potenzials verpflichten soll. Motto: vom Bauernhof für Wenige zum Stadtbauernhof für Alle könnte man sagen.

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