In einer Zeit, als noch das «Subito» der wilden 80er(innen) nachhallte, sagte man sich an der Gotthelfstrasse im Berner Nordquartier etwas bescheidener «Eifach mau afaa, und eifach mau e Strass sperre». Ohne genau zu wissen, wohin das langfristig führen könnte. Und dass man 25 Jahre später als PionierInnen eine Broschüre* herausgeben würde.
«Ja, eifach mau afaa, das war unsere Überlegung», sagt Martin Rothenbühler, der als Mit-Initiant auf 25 Jahre Nachbarschafts-Netz Gotthelfstrasse zurückblicken kann. Und aus dessen Akten – «vier prall gefüllt Bundesordner» – die bebilderte Broschüre im Eigenverlag gezimmert werden konnte.
Heute gibt es in der Stadt Bern über 120 teilweise möblierte Begegnungszonen mit Tempo 20, Tendenz weiterhin steigend. Wer genügend Unterschriften in seinem Strassenzug sammelt, ist dabei.
«Dr Zyt e chly voruus»
Als die InitiatInnen 1995 wegen der temporären Sperrung der Gotthelfstrasse bei der Stadt vorstellig wurden, hörten sie schnell mal aus der Polizeidirektion den Satz: «Dir syt dr Zyt e chly voruus.» Es gab also noch kein Schema, wie man in einem solchen Fall vorgehen muss. Da blieb nur noch das pragmatische «Eifach mau sperre», verbunden mit einem Strassenfest, das zahlreiche Leute anlockte. Der Grundstein war gelegt.
Danach folgt der Kampf gegen immer wieder neue städtische oder nationale Bestimmungen zu Wohn- resp. Begegnungsstrassen. Wenn die Anwohnenden eigene Installationen gegen zu schnelle Autos anbringen, müssen diese Eigenkreationen, wie zum Beispiel ein Rasenteppich, verschwinden. Dies ist alles in der Broschüre dokumentiert.
Vom Fussball-Turnier bis zu Wanderungen
Aus vereinzelten Strassenfesten entstehen weitere Aktivitäten, vom Fussball-Turnier («Jeremias-Gotthelf-Cup») über den Boccia-Plausch bis zu gemeinsamen Wanderungen. Weitere Highlights (dies sei auch für potenzielle NachahmerInnen aufgelistet) sind: Suppenküche, Tipi-Nacht, Adventsfenster, Samichlous, Räbeliechtli-Umzug, Schlittelfuer, Chörli, Filmnächte…
Bilanz: Was damals eher spontan in einem bottom-up-Prozess kreiert, vernetzt und erweitert wurde, kommt heute top-down-verordnet in Form eines «Europäischen Tags der Nachbarschaft» daher, der seit 2017 in Bern begangen wird.