Der obere Teil des Blatts ist schraffiert, feine Linien und Flecken ziehen sich in die Schraffur, es könnten Vögel sein. «Ich bin so nervös» steht in schwarzer Schrift unter den Vögeln. «Viele meiner Bilder sind sehr persönlich», erklärt die Künstlerin WomB, die an diesem trüben Donnerstagnachmittag auf der schwarzen Couch der Galerie «Kulturpunkt» sitzt und auf Besucher*innen wartet. WomB, eine Abkürzung für «Women Belong», ist eine von 16 Künstler*innen der Kunstwerkstatt Waldau, die in der Galerie im Progr je ein bis zwei Werke zeigen. «Die Auswahl war nicht einfach. Es musste ein Werk sein, dass mir gefiel, das ich aber auch verkaufen könnte.»
Die Kunstwerkstatt Waldau wurde vor 20 Jahren gegründet. Der damalige Malermeister der UPD, Otto Frick, bemerkte das Talent einiger Patient*innen der Klinik. Malen und Zeichnen wurden schon länger in der Therapie der UPD angewendet. Manche der Menschen fanden in der künstlerischen Arbeit gar neuen Lebenssinn. Für viele war die künstlerische Betätigung nach Entlassung der Psychiatrie jedoch nicht fortführbar, da ihnen keine Räume zur Verfügung standen. Deshalb gründete Otto Frick die Kunstwerkstatt Waldau.
Bis heute bietet der Verein Menschen mit Psychiatrieerfahrung Raum und Material für ihre künstlerische Tätigkeit. «Aber das Atelier sieht sich nicht als Therapieort», erklärt Claude Haltmeyer, Leiter vom «kulturpunkt», der schon vor zehn Jahren eine Jubiläums-Ausstellung der Kunstwerkstatt Waldau in der Galerie des Kornhausforums realisierte. «Stattdessen sollen die Künstler und Künstlerinnen dort einen Raum für ihr selbstständiges Schaffen erhalten.» Nicht zuletzt sei das Atelier auch wichtiger Treffpunkt für die Künstler*innen. «Die Menschen der Kunstwerkstatt zu treffen ist alleine schon Grund genug, ins Atelier zu kommen», schmunzelt die Künstlerin WomB, die nun schon seit zweieinhalb Jahren das Atelier besucht. Der soziale Aspekt sei wichtig, manche würden auch einfach für einen Kaffee vorbeikommen.
Eine «Carte Blanche»
Ein Teil dessen, was in der Werkstatt in Waldau gemalt, gezeichnet, collagiert und getöpfert wird, ist nun in der Galerie «Kulturpunkt» zu sehen. Da räkelt sich eine runde Katze vor hellblauem Hintergrund, ein Elefant läuft auf Bleistiftspitzen und hält Luftballons mit seinem Rüssel, ein weisser Gipskopf reckt die goldenen Augenhöhlen zur Decke hin und orange Herbstblätter erinnern schmerzlich an wärmere Zeiten. Die Bilder wurden von den Künstler*innen selbst ausgewählt, sie hatten eine «Carte Blanche», kuratiert wurde die Ausstellung von Sonia Straub und Rebecca Schmid, zwei Mitgliedern der Kunstwerkstattgruppe.
Während den Öffnungszeiten der Ausstellung ist immer eine Künstlerin oder ein Künstler anwesend. Das sei ihm auch sonst sehr wichtig, erklärt Claude Haltmeyer. Die Galerie «kulturpunkt» ist keine gewöhnliche Galerie. Sie will Talenten ausserhalb des kommerziellen Kunstbetriebs eine Chance geben, ihre Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren. Damit solle auch das Selbstbewusstsein von Künstler*innen gestärkt werden, die sonst zu wenig beachtet würden. Und einer Kunstszene Platz eingeräumt werden, die an Lebendigkeit und Inspiration der kommerziellen ebenbürtig sei. Dieses Versprechen löst die Galerie nun wieder einmal ein.